Kultur: Tim Schleider (schl)

Es hätte guten Grund gegeben, auf ein Denkmal zu verzichten

 

Die erste Frage lautet: Brauchen wir überhaupt ein Freiheits- und Einheitsdenkmal? Und sofern man diese Frage positiv entschieden hat, folgt Frage Nummer zwo: Braucht man speziell dieses Freiheits- und Einheitsdenkmal von Johannes Milla und Sasha Waltz? Was das Grundsätzliche angeht, kann man auch weiterhin geteilter Meinung sein. Die Geschichte großer Nationalmonumente beginnt weit zurückliegend im neunzehnten Jahrhundert und endet nicht ohne Grund im zwanzigsten Jahrhundert mit all seinen Schrecken. Letzteres tut sie nicht nur, weil der Nationalstaat in Europa angesichts internationaler Bündnisse seine Deutungsmacht verliert, sondern vor allem, weil es im Grunde keine überzeugende Bilder- und Symbolsprache mehr für den Staat oder das Nationalvolk gibt.

Das macht im Übrigen sehr schön das Vorgängermonument auf dem Schlossplatz deutlich, das 1950 die DDR-Macht abtragen ließ: Als die Reichsregierung 1891 nach einem schlüssigen Symbol für ein Nationaldenkmal des Deutschen Reiches suchte, da war klar, das nur ein Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I., also des offiziellen Reichsvereinigers von 1871, in Frage käme. Doch was kann 120 Jahre später im demokratischen Deutschland den Protest und die Revolution mutiger DDR-Bürger symbolisieren, wenn man nicht auf Flammen, Fahnen oder heroische Schriftzüge zurückgreifen will?

Es hätte guten Grund gegeben, aus dieser ästhetischen Not heraus auf ein Nationaldenkmal in Berlin lieber zu verzichten – aber nun gut, der Deutsche Bundestag hat am 9. November 2007 anders entschieden, unter anderem auf Initiative früherer DDR-Bürgerrechtler hin. Wenn man dieses Votum als gegeben nimmt, dann allerdings ist die Grundidee von Johannes Milla und Sasha Waltz bestechend.