Wohin gehen Start-ups? Berlin zieht viele Gründer an, aber der Südwesten holt auf, wie eine Podiumsdiskussion auf dem Karlsruher Code_n New.New Festival gezeigt hat.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Karlsruhe - Berliner Selbstbewusstsein gegenüber schwäbischer Bescheidenheit? Wenn es um die auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen des Karlsruher Code_n New. New Festivals gestellte Frage geht, welche Standorte weltweit für Gründer attraktiv sind, dann verkörpern beide deutschen Regionen perfekte Gegensätze.

 

„Es ist doch heutzutage vollkommen egal, ob ihre Kunden in der Nähe sind“, sagte der Berliner Gründer Jackson Bond, der vor zweieinhalb Jahren in der deutschen Hauptstadt das Start-up Relayr gegründet hat, das Maschinen mit dem Internet verbindet. Ihn störe es überhaupt nicht, dass es in Berlin keine Industrie und keine Banken gebe, die potenzielle Kunden seien. „Der Schlüssel ist, dass Sie aus aller Welt Talente anziehen können.“ Christian Roth von der Karlsruher Kapitalgesellschaft LEA Partners, sah das anders: „Nähe ist ein Vorteil – zu Kunden und zu Investoren, gerade wenn Sie eine Gründung in der Frühphase sind und viel Beratung brauchten.“ Genau das sei im Südwesten vorhanden.

Dem Berlin-Fan fallen keine Nachteile der Hauptstadt ein

Doch als der Moderator Joachim Dorfs, der Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, nach drei Nachteilen von Berlin fragte, wurde deutlich, dass sich ein erfolgreicher Start-up-Standort auch durch Selbstbewusstsein auszeichnet. Bond grübelte lange, selbst als Dorfs die Liste von drei auf einen einzigen Minuspunkt herunterschraubte. „Tut mir Leid: Ich liebe Berlin!“, sagte der gebürtige Amerikaner. Seine Firma mit 80 Mitarbeitern aus 30 Ländern sei eben für die Metropole prädestiniert.

Durchaus selbstbewusst, aber doch deutlich leiser redete der Karlsruher Roth über seine Heimatstadt und damit auch über Baden-Württemberg, weil es dort zwischen den regionale Standorten keine großen Unterschiede gebe: „Wir haben unsere Universitäten und Forschungsinstitutionen, wir haben unsere Talente,“ sagte er: „Wir holen auf.“ Was den Zugang zu Kapital angehe, stehe das Land in Deutschland schon an zweiter Stelle.

Clark Parsons, ebenfalls Amerikaner, von der in Berlin basierten Internet Economy Foundation, die den Digitalstandort Europa voranbringen soll, mahnte dazu, bei der Standortpolitik nicht zu regional zu denken. Wenn es endlich einen einheitlichen europäischen Digitalmarkt gebe, dann könne auch ein Netzwerk kleinerer Standorte entstehen: „Es muss möglich sein, dass ein Start-up aus Karlsruhe mit einem Klick ins Ausland gehen kann. Dann wird es auch leichter möglich, hier zu bleiben.“

Wenn Behördenvertreter Englisch sprechen, hilft das viel

Die Gäste aus Berlin plädierten für kleine, praktische Schritte. „Es fängt schon damit an, dass Sie Leute in den zuständigen Ämtern haben, die Englisch sprechen“, sagte Bond. Gründer brauchten bezahlbare Mieten, was für Berlin ein zentraler Vorteil gewesen sei: „Investieren Sie ganz ernsthaft in junge Leute, subventionieren Sie diese.“ Wichtig sei es, erst einmal zuzuhören, welche Bedürfnisse Start-ups tatsächlich hätten, sagte Parsons: „Vielleicht ist es der Breitbandanschluss, aber vielleicht ist es auch die Tatsache, schneller das Visum für einen wichtigen Programmierer zu bekommen.“ Sein Karlsruher Gesprächspartner Roth, der erst eine erfolgreiche Firma gegründet hat und nun in seiner Heimat investiert, sei ein Vorbild: „Sie brauchen den erfolgreichen Unternehmer, der eben anschließend nicht nach London geht“. Berlin profitiere heute von erfolgreichen Gründern, die ihr Geld dort wieder anlegten.

Und er hatte noch einen einfachen Rat, wie der Südwesten sein Gewicht besser in die Waagschale werfen könne. „Wer von Ihnen im Publikum arbeitet in einer großen Firma?“, fragte er. „Wenn bei Ihnen unangekündigt ein Start-up anruft oder Ihnen eine E-Mail schickt – dann hören Sie einfach zu und beantworten die Mail!“