Wer als erstes einen Roboter auf dem Mond landet, der Fotos zur Erde senden kann, gewinnt 30 Millionen Dollar. Das hat auch ein deutsches Team motiviert.

Stuttgart - Die wenigsten Grillpartys enden als wissenschaftliche Konferenz. Diese eine am Hamburger Alsterufer vor fast vier Jahren schon. Der Informatiker Robert Boehme und seine Freunde tranken Bier, aßen Steaks, blickten in den Abendhimmel und sinnierten, wie es wäre, einfach so in die Raumfahrt einzusteigen – um bei dem 2007 von dem Internetkonzern Google ausgeschriebenen Wettbewerb mitzumachen. 30 Millionen Dollar soll bekommen, wer als erster bis zum Jahr 2015 einen Rover auf den Mond bringt, ihn dort mindestens 0,5 Kilometer steuern und Aufnahmen zur Erde schicken lassen kann.

 

Der Gedanke setzte sich fest. Ein halbes Jahr lang tüftelten die acht am Konzept. Ihr Werbeslogan „Hell yeah, it’s Rocket Science“ zeugt bis heute davon, was sie dazu gebracht hat: Es war nicht das Preisgeld. Es war vor allem die Überraschung über den eigenen Mut, sich an etwas zuvor völlig Undenkbares zu wagen.

Aus der kleinen Gruppe von „Teilzeitwissenschaftlern“ ist inzwischen eine professionelle GmbH geworden, bei der zeitweise bis zu 100 Leute mitarbeiten. Die meisten arbeiten an den Hauptstandorten Hamburg, Berlin und München. Viele von ihnen studieren noch und schreiben wie Karsten Becker von der TU Hamburg-Harburg ihre Doktorarbeit über das, was sie für das Team tun – Becker als Leiter der Elektronik tüftelt etwa an der Programmierung des Rovers Asimov. Das Netzwerk ist, wie der 26-jährige Initiator Robert Boehme berichtet, über ganz Europa gespannt.

Skeptiker sind längst überzeugt

Von allen 26 Teilnehmern des Google Lunar X-Prize haben die „part time scientists“ mit das kleinste Budget: rund 30 Millionen Euro kalkulieren Boehme und seine Helfer für die Mission zum Mond. Das ist die Hälfte von dem, was etwa amerikanische Konkurrenten wie Moon-Ex berechnen. Die Deutschen arbeiten sparsam, indem sie so wenig wie möglich selbst entwickeln, die in der Branche üblichen Mehrfachtests einsparen und, wo möglich, Teile aus dem Baumarkt benutzen. Und sie bauen auf Partnerschaften. Im Gegensatz zu den meisten der 25 Konkurrenzteams setzen sie zudem auf eine russische Rakete, die für den Transport von Kleinsatelliten ausgelegt ist. Sie soll Fähre, Lander und Rover in den Orbit bringen. Von dort würde die Fähre den Lander nach dem Vorbild Apollos zum Mond transportieren. Berechnet wird die Flugbahn dafür von Jack Crenshaw, einem der drei am Projekt beteiligten Apollo-Veteranen. Mit ihrem Konzept haben sie bereits einige Skeptiker überzeugt, etwa das Robotik-Team des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Der größte Trumpf der Teilzeitwissenschaftler aber ist der Rover Asimov. Den Prototypen stellten sie vor zwei Jahren auf der internationalen Luftfahrtausstellung ILA in Berlin vor. Er fährt auf vier Rädern, trägt ein Solarpanel auf dem Rücken und ähnelt dem Trickfilmhelden Wall-E. Erste Fahrtests auf einem mondähnlichen Untergrund hat Asimov bestanden. Der Lander aber bereitet dem Team noch Kopfzerbrechen.

Doch nicht deshalb ist das Team im Ranking des amerikanischen Fachjournalisten Michael Dornbos kürzlich vom vierten auf den sechsten Platz zurückgefallen. Demnächst treffen sich die Teams wieder zu ihrer turnusmäßigen Konferenz in den USA. Dornbos hat als Einziger alle dieser Treffen begleitet, auf denen die meisten überraschend ehrlich über ihre Arbeit berichten. Er zweifelt deshalb allmählich an der Finanzierung: „Keines der Teams hat in dieser Hinsicht in den letzten Monaten seine Punktzahl verbessern können“, bilanziert Dornbos. Tatsächlich fehlt auch Robert Boehmes Team bis jetzt das Geld, die Reservierung für den Start der russischen Rakete Ende nächsten Jahres zu bezahlen.

Warum amerikanische Konkurrenz scheitern könnte

Für Boehme ist das aber kein Grund, ein Scheitern der Mission in Betracht zu ziehen: „Wenn ich mit dem Anfangen gewartet hätte, bis ich genug Geld habe, dann wären wir nicht da, wo wir heute sind“, sagt Boehme, der 2009 für das Startgeld sein Sparbuch leer räumte. Das amerikanische Team Astrobotics etwa, dem Dornbos etwas bessere Chancen einräumt, wird von einer Firma unterstützt, die Roboter für die amerikanische Regierung baut. Tatsächlich, sagt Boehme, sei der Wettbewerb ein ungleicher: Die amerikanischen Teams würden viel mehr durch öffentliche Zuschüsse subventioniert als alle anderen. Das lässt ihn aber kalt. Eines habe er bei dem Projekt gelernt: die beste Methode sei, einfach anzufangen und offene Fragen unterwegs zu klären. Das gelte auch für die Finanzierung. Dass sein Team 2011 den dritten Rover-Prototypen vorstellte und obendrein die typischen Fehler von schnell wachsenden Start-ups vermied, habe neue Sponsoren angelockt. „Es hat überzeugt, dass wir nicht nur professionell, sondern vor allem auch schnell arbeiten können“, sagt Boehme.

Aus der Überzeugung muss aber bald ein handfester Vertrag werden. Wer bis Ende 2012 keinen Startplatz gebucht hat, wird die Deadline nicht einhalten können, wie auch die Organisatoren des Wettbewerbs bestätigen. Boehme ist zuversichtlich. Er ist überzeugt davon, dass seine amerikanischen Konkurrenten an einem anderen Problem scheitern werden: der Tatsache, dass sie aufgrund des Gewichts ihrer Ausrüstung auf die amerikanische Falcon-Heavy-Rakete angewiesen sind, die aber nicht ausreichend Starts für alle bieten könne. Geldmangel hält er für ein Problem, das weitaus besser zu bewältigen ist.