Markus Lanz hat bei seiner „Wetten, dass ..?“-Premiere vor allem sich selbst präsentiert. Ihren Höhepunkt erreicht die Lanz’sche Eitelkeitsleier in der „Challenge“: Dabei stellte der Moderator in einer Fitnesseinlage unter Beweis, dass er dreißig Liegestütze schafft.

Stuttgart - Natürlich kann man es so machen wie Campino, der immer noch Punk-affine Sänger der Toten Hosen: Man kann auf der seltsam unbequem wirkenden Couchnachbildung ein bisschen abseits sitzen, nur das Nötigste sagen und manchmal (aber längst nicht immer) klatschen. Aber dann wird man bei Markus Lanz’ Danksagungsmarathon am Ende seiner ersten „Wetten, dass . . ?“-Sendung womöglich schlicht vergessen.

 

Oder man macht es so wie der Designer Karl Lagerfeld: Man plaudert Privates aus, gibt den selbstironischen Sonderling, und sagt vor allem viel. Dann bekommt man Jennifer Lopez neben sich platziert (ein paar Minuten nur, weil dann muss die Sängerin schnell weg). Zwischen Lagerfeld und Lopez entspinnt sich bei Markus Lanz’ erster „Wetten, dass . . ?“-Sendung tatsächlich ein Gespräch (leider ohne Mikrofon). Ansonsten kommt zwischen den Gästen keine Kommunikation zustande. Es gibt keine Zeit dafür ins Lanz’ Abfragearithmetik.

Markus Lanz, der ja gerne seinen journalistischen Anspruch betont, rückt dann also dem Stuttgarter Rapper Cro mit der besonders originell-investigativen Frage zu Leibe: „Warum trägst du diese Maske?“ Die erste Frage aber, die Lanz auf seinem neuerdings fahrbaren Couchverschnitt an den Opernsänger Rolando Villazón richtet, lautet tatsächlich: „Wer hat Ihnen heute die Nasenhaare geschnitten?“

Mittelpunkt eines ausgedehnten Lanz-Universums

Natürlich hat die Wissbegier einen privaten Hintergrund: Markus Lanz hat nämlich vor Jahren in Wien die Herren Rolando Villazón und Placido Domingo dabei beobachtet, wie sie sich gegenseitig die Nasenhaare geschnitten haben. Sagt Lanz, der sich offenkundig als Mittelpunkt eines ausgedehnten Lanz-Universums begreift. Er sei gefragt worden, ob er „Wetten, dass . . ?“ übernehmen könne, kokettiert er gleich zu Beginn: „Ich habe das so nicht gewollt.“

Ihren Höhepunkt erreicht die Lanz’sche Eitelkeitsleier in einer von Stefan Raab entlehnten Sonderwette namens „Challenge“: Da stellt der Moderator in einer eigens zu diesem Zweck erfundenen Fitnesseinlage unter Beweis, dass er ruckzuck dreißig Liegestütze schafft, und das mit einer Kiste Bier auf dem Rücken. Dass dem Moderator die möglichst vorteilhafte Selbstdarstellung wichtiger ist als das in die Jahre gekommene Show-Flaggschiff des ZDF, wird spätestens bei einer skurrilen Hundehaar-Erfühlungswette klar: Da vergisst Lanz mal eben das Herzstück der Sendung, das Stimmeneinsammeln bei den prominenten Wettpaten. Zum Glück erinnert ihn der Schauspieler Wotan Wilke Möhring gerade noch rechtzeitig an seine Showmaster-Pflichten: „Wollen wir nicht die Wettkandidaten fragen, was sie meinen?“

Eine Portion Selbstironie

Möhring wäre der bessere Moderator gewesen: Mit einer schlüssigen Portion Ironie sich selbst und der ganzen Show gegenüber lotste er Lanz zumindest durch diese Wette. Als die Kandidatin, die Hunderassen anhand der Befühlung abgeschnittener Haarbüschel in Gläsern bestimmen konnte, zwischendurch ins Straucheln geriet, plärrte Möhring listig ins Publikum: „Wer ist dafür, dass ich ihr das neue Glas geben darf?“ Aber Markus Lanz gerierte sich nun gegen den tosenden Applaus als gestrenger Regelhüter.

Markus Lanz fehlt Thomas Gottschalks abgedrehter Glamour, Frank Elstners rührende Ernsthaftigkeit und Wotan Wilke Möhrings unterhaltsame Spontanität. Stattdessen setzte er mit sorgsam verwuschelten Haaren und weit geöffnetem Hemd auf eine Eigenschaft, die als Authentizität durchgehen könnte, wenn sie nicht ebenso eitel wie bemüht rüberkäme. Er konnte nichts dafür, dass der Traktor, der auf zwei Rädern fahren sollte, nach der ersten Kurve auf allen vieren fuhr. Auch dass der Seiltänzer, der schließlich Wettkönig wurde, dauernd vom Seil plumpste, war nicht seine Schuld. Und dass die charmante Ohrenwackler-und-Morse-Wette visuell nicht viel hergab, ist nicht Markus Lanz anzulasten. Aber dass Leute wie der Komiker Bülent Ceylan und das Fußballer-und-Moderatorin-Ehepaar Rafael und Sylvie van der Vaart auf seiner Couch nur wenig von ihren Talenten zeigen konnten, lag auch an Lanz’ zuweilen unnötig hektischem Drang zur Selbstdarstellung.

500 Halbnackte

Die Komikerin Cindy aus Marzahn, die sich als Assistentin eingeschlichen hatte, absolvierte ihr Pensum entspannter und pflegte – wie auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft – zuweilen die Tugend der Selbstironie. Und die rund 500 Halbnackten, die – rot und weiß bemalt – gemeinsam das Logo von Fortuna Düsseldorf abgaben, dürfen sich damit rühmen, Kunst fabriziert zu haben.

Das Traurige an Markus Lanz, dessen Premiere 13,62 Millionen Zuschauer verfolgten, ist, dass er zwar das Potenzial zu all dem hat: zur Kunst, zur Selbstironie, sogar zum Witz. Aber dass sein Geltungsbedürfnis seine Talente grell überstrahlt. Das ZDF hat’s ihm auch nicht leicht gemacht: Der Studio-Ton war viel lauter als der Zuspiel-Ton, und das Klatschen der Gäste kam dröhnend rüber. Wer hätte gedacht, dass „Wetten, dass. . ?“ auf diese Weise noch mal zur Geduldsprobe für die Nachbarn wird.