Die vergangenen Wochen waren über weite Strecken heiß und trocken, doch starke Hitze über 30 Grad ließ bis jetzt auf sich warten. „Klimazentrale“-Daten zeigen, dass die Hitze in Stuttgart heute früher kommt als in der Vergangenheit.

Digital Desk: Simon Koenigsdorff (sko)

Der Sommer ist schon längst da – der erste offizielle Hitzetag nun auch: Am frühen Sonntagnachmittag maß das Thermometer der städtischen Wetterstation auf dem Schwabenzentrum zum ersten Mal mehr als 30 Grad. Dass es bereits längere Zeit heiß und trocken war, ist an vielen Wiesen deutlich zu sehen, und auch daran, dass die Stadt Stuttgart bereits am Donnerstag alle öffentlichen Grillstellen gesperrt hat. Der Grund: Brandgefahr.

 

Zu wenig geregnet hat es in den vergangenen Wochen allemal – und das bei fast durchgehend hohen, aber nicht extrem heißen Temperaturen. Wie die aktuelle Hitze auch vor dem Hintergrund des Klimawandels einzuordnen ist, zeigt ein Blick in die Daten unseres Projekts „Klimazentrale“: Nimmt man die Temperaturen in der Innenstadt zum Maßstab, ist erst ein Tag mit 30 Grad für Mitte Juni noch eher unterdurchschnittlich – zumindest im Vergleich mit den vergangenen drei Jahrzehnten. In den Jahren bis 1990 waren Tage mit solchen Temperaturen dagegen noch ähnlich häufig.

30 Grad kommen im Schnitt früher im Jahr

Wann genau es zum ersten Mal so heiß wird, schwankt von Jahr zu Jahr sehr stark. Heutzutage sind die 30 Grad teils schon im Mai erreicht, sonst im Juni oder Juli, in früheren Jahrzehnten manchmal sogar erst im August. Berechnungen unserer Zeitung geben jedoch deutliche Hinweise darauf, dass sich der erste Tag mit 30 Grad seit den 50er Jahren tendenziell nach vorne verschoben hat - zumindest anhand der Temperaturen, die der DWD oberhalb des Kessels auf dem Schnarrenberg misst. Technisch ausgedrückt: Es gibt einen statistisch signifikanten, linearen Trend hin zu immer früheren Terminen für den ersten Hitzetag, zumindest am Schnarrenberg.

Das folgende Diagramm zeigt, wann in jedem Jahr der erste Tag mit 25 und mit 30 Grad eingetreten ist. Ein Klick auf die Schaltflächen wechselt zwischen den DWD-Wetterstationen am Flughafen und am Schnarrenberg:

Die Verschiebung zeigt sich auch, wenn man längere Zeiträume miteinander vergleicht: Von 1991 bis 2020 wurde es am Schnarrenberg durchschnittlich am 13. Juni zum ersten Mal 30 Grad heiß. Dieses Datum hat sich um mehr als einen halben Monat verschoben: In den drei Jahrzehnten zuvor, von 1961 bis 1990, kam der erste Hitzetag im Schnitt erst am 6. Juli.

In den Messungen vom Flughafen erscheint der Trend nicht mehr so eindeutig, auch wenn der Durchschnittstermin für den ersten Hitzetag hier ebenfalls vom Juli in den Juni gewandert ist. Auf den Fildern wurden in den 60er und 70er Jahren die 30 Grad in manchen Sommern gar nicht erreicht, spätestens seit den 80er Jahren aber in jedem Jahr.

30 Grad hängen vom Wetter ab – doch das verschiebt sich

„Ob 30 Grad erreicht werden, hängt sehr von der Wetterlage ab, es braucht einen sonnigen Tag, ein Hochdruckgebiet und die richtige Strömung“, erläutert der Meteorologe Andreas Pfaffenzeller vom Deutschen Wetterdienst in Stuttgart. „Das kann im Jahr früher oder später eintreten.“ In den Tabellen des DWD für den Schnarrenberg, in denen die Rekordtemperaturen für jedes Datum stehen, zeigt sich aber auch: Besonders frühe Tage mit über 30 Grad schon im Mai treten überwiegend seit den 2000er Jahren auf.

Die Erhitzung des hiesigen Klimas passiert langsam, allmählich, überlagert von den jährlichen Wetterschwankungen, die es immer noch gibt. Insgesamt hat die Zahl der Hitzetage seit den 50er Jahren klar zugenommen. Dabei verschiebt sich auch unsere Wahrnehmung, ob die Sommerhitze früh oder spät im Jahr kommt. Wenn sogar Tage mit 35 Grad im Hochsommer keine Ausnahme mehr sind, wundern einen 30 Grad im Frühsommer deutlich weniger – während das in früheren Jahrzehnten, die ältere Generationen als Kinder und Jugendliche erlebt haben, extrem heiß gewesen wäre.

Hitze wird für Ältere und bei feuchter Luft gefährlich

Dass ein heißer Tag genau bei genau 30 Grad eintritt, ist dabei nur eine Konvention unter Meteorologen – ein Tag mit 29,9 Grad schafft es um ein Haar nicht in die Statistik, kann in der Realität aber genauso heiß oder sogar noch heißer wirken. Die 30-Grad-Grenze hilft, sich der Hitze rechnerisch zu nähern. Darauf weist auch Andreas Pfaffenzeller hin: „Im Frühjahr können auch schon 28 Grad sehr heiß für die Menschen sein“, betont er. „Dabei spielt zum Beispiel die Luftfeuchtigkeit eine Rolle.“ In trockener Luft lassen sich hohe Temperaturen besser aushalten als bei feuchter Luft – wobei heiße Sommer auch hierzulande schon zur Gesundheitsgefahr gerade für Ältere werden können. Deutlich extremer sind Länder wie Indien mit viel feuchterem Klima betroffen. Dort bergen Temperaturen jenseits der 30 Grad zunehmend Lebensgefahr, weil Hitze und Feuchte zusammen dafür sorgen, dass der menschliche Körper sich nicht mehr selbst kühlen kann – es verdunstet schlicht nicht mehr genug Schweiß auf der Haut.

Klimazentrale Stuttgart

Dieser Artikel ist Teil des Wetter- und Klimamonitors von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten. Wir stellen für alle Orte in der Metropolregion Stuttgart Daten von amtlichen Wetterstationen zur Verfügung und vergleichen sie automatisiert mit Langzeitmessreihen: Ist das Wetter heute ungewöhnlich oder nicht?

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