Nach zwölf Jahren an der Spitze des Württembergischen Fußballverbandes endet auf dem Verbandstag am Samstag in Sindelfingen die Amtszeit von Herbert Rösch. Zum Abschied spricht der scheidende WFV-Präsident über die Bedeutung und die Probleme der Clubs.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Kemnat - Herbert Rösch hat noch einen Termin. Wie immer. Rund die Hälfte der Tage des Jahres war der frühere Oberbürgermeister von Ostfildern in den vergangenen zwölf Jahren in seinem Ehrenamt als Präsident des Württembergischen Fußballverbandes (WFV) im Auftrag des Fußballs unterwegs. Auch an diesem Tag, an dem der 71-Jährige zu Hause in seinem Wohnzimmer in Kemnat einen Blick zurück und nach vorne wirft. Am Abend ist er bei einem Vereinsdialog – hören, was die Basis denkt, wo sie der Schuh drückt. Es ist einer seiner letzten offiziellen Termine. Am Samstag endet seine Ära: Auf dem Verbandstag in Sindelfingen wird ihm voraussichtlich Schatzmeister Matthias Schöck (41) an der Spitze des WFV mit seinen mehr als 500 000 Mitgliedern nachfolgen.

 

Herbert Rösch über . . . seinen Abschied

Nach zwölf Jahren ist es an der Zeit für Menschen mit anderen Ideen, für ein jüngeres Gesicht. Man benötigt zweifellos ein gewisses Maß an Lebenserfahrung, um so einen großen Verband wie den WFV zu führen, aber ich bin jetzt 71 Jahre alt – da ist es an der Zeit für einen Generationenwechsel.

. . . die Entwicklung des Fußballs

Der Fußball hat eine unglaubliche Entwicklung genommen. Die öffentliche Wahrnehmung und das Interesse aller Schichten sind exorbitant gestiegen. Er vereint die Menschen und das Land. Im Amateurbereich spüren wir das durch den immensen Zulauf an sehr jungen Kindern. Früher hat das in der C-Jugend angefangen, heute strömen die Kinder schon im Bambini-Alter in die Vereine. Von der Wertschätzung profitiert so auch der Amateurbereich. Früher gab es ja das Denken: die Profis da oben, wir Amateure da unten. Das ist heute nicht mehr so. Die Welten sind eng verzahnt, was auch an dem DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und anderen Verantwortlichen im Verband liegt, die immer wieder auf die Arbeit an der Basis verweisen. Ohne Talentförderung in den kleinen Vereinen gibt es eben keinen Sami Khedira.

. . . die Probleme im Ehrenamt

Man muss heute ja fast Steuerberater sein, um Verantwortung in einem Verein zu übernehmen, so komplex und anspruchsvoll ist die Arbeit als Vorstand oder Schatzmeister geworden. Das fängt beim Vereinsfest an mit Themen wie Lebensmittelhygiene, Lärmschutz und diversen anderen Auflagen. Vereine sind heute kleine Unternehmen, die auch so geführt werden müssen: Es geht um Organisation, Mitarbeiterführung und -motivation. Die DFB-Kampagne und unser Motto für den Verbandstag lautet nicht umsonst: „Unsere Amateure. Echte Profis“. Wir sind alle ehrenamtlich tätig, aber die Anforderungen sind professionell. Zum anderen hat sich die Welt einfach verändert. Im Beruf wird Flexibilität gefordert, in Familien sind oft beide Eltern berufstätig – und das erschwert es, jemanden zu finden, der die Zeit hat und für die Tätigkeit auch geeignet ist.

. . . die Attraktivität der Vereine

Wir müssen einladend wirken. Wir dürfen nicht nur sagen, wie schwer das alles ist, sondern transportieren, dass das, was im Verein geleistet wird, einen großen Sinn hat. Der Fußball verkauft Emotionen und alles Mögliche, aber wir bieten vor allem auch Lebenssinn. Kann es denn etwas Sinnvolleres und Schöneres geben, als sich für Kinder zu engagieren? Vereine sind elementar für unser Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie sind der Kitt der Gesellschaft.

. . . Gewalt im Amateurfußball

Das ist nach wie vor eine der größten Gefahren für den Fußball. Rein statistisch gesehen gibt es im WFV keine Zunahme. Wir zählen rund 140 Spielabbrüche wegen Gewalt pro Saison bei rund 130 000 Spielen in Württemberg, aber die Einzelfälle werden immer brutaler. Ich weiß gar nicht, wie viele Kampagnen wir angestoßen haben und wie viele Gespräche wir geführt haben. Das, was sich auf Fußballplätzen breit gemacht hat, ist leider ein gesellschaftliches Phänomen. Fußball scheint ein Ventil geworden zu sein. Dazu gehört meiner Meinung nach nicht nur das Verhalten auf dem Platz, sondern auch das Benehmen der Zuschauer, die ihren Teil zur Gewalt beitragen: Ich finde es bisweilen schockierend, wie manche Zuschauer im Stadion oder auf dem Dorfsportplatz ausfällig werden. Auch diese verbale Gewalt am Spielfeldrand dürfen wir nicht hinnehmen.

. . . die Schiedsrichtersituation

Es wird angesichts schlimmer Einzelfälle schwieriger, Schiedsrichter zu gewinnen. Wir benötigen Spieltag für Spieltag rund 7000 Unparteiische. Wir stehen in Württemberg vergleichsweise gut da, aber es muss allen auch klar sein: Ohne Schiedsrichter gibt es keinen Fußball. In kleinerem Umfang kann man das auffangen, schon heute gibt es ja im Jugendbereich oder bei Reservemannschaften Partien ohne Spielleiter. Aber ganz ohne wird es nie gehen.

. . . eine Fusion der Verbände

Die Zusammenarbeit unter den drei Fußballverbänden im Land ist sehr freundschaftlich und vertrauensvoll. Alles unterhalb der Schwelle der Fusion funktioniert reibungslos. Ich hoffte ja anfangs, dass wir diese Linie überschreiten können. Ich habe aber gelernt, dass dieser Wunsch auf absehbare Zeit nicht realistisch ist. Ein einheitlicher Fußballverband Baden-Württemberg wäre als politisches Signal sicher erstrebenswert – allerdings muss ich auch sagen: So völlig anders als heute würde die Organisationsstruktur in einem solchen Verband nicht aussehen.

. . . sein Vermächtnis

Wir haben die Geschäftsstelle in der Goethestraße ausgebaut, den WFV modernisiert und neu aufgestellt, um den Vereinen noch besser und zeitgemäßer dienen zu können. Das gilt auch für unser Sporthotel Waltersbühl in Wangen/Allgäu. Als ich anfing, haben wir uns in den WFV-Sitzungen zu einem Drittel mit Waltersbühl beschäftigt. Wenn dort jemand eine neue Kaffeetasse kaufen wollte, musste das mit Stuttgart besprochen und abgesegnet werden. Dazu mussten wir permanent Löcher stopfen, zuletzt fast 120 000 Euro. Heute ist das ein wunderbar saniertes Haus, das uns nicht mehr beschäftigt, seit wir es im Erbbaurecht an einen Partner weggegeben haben. Von den gebildeten zwei Millionen Euro an Rücklagen für die Sanierung, die wir nun nicht mehr brauchen, konnten wir einen Teil des Umbaus der Sportschule Ruit zahlen. Dort entsteht für 9,3 Millionen Euro ein modernes Bildungszentrum für den Fußball, das in einem Jahr fertig ist.