Daniel Domscheit-Berg will es mit seiner Whistleblowing-Plattform Openleaks besser machen als Assange mit Wikileaks. Überzeugen kann er nicht.

Bonn - Eigentlich war der Wikileaks-Aussteiger Daniel Domscheit-Berg am Wochenende nach Bonn gekommen, um für seine neue eigene Enthüllungsplattform Openleaks zu werben. "Konstruktive Gespräche" hatte der studierte Informatiker auf dem Online-Kongress des Deutschen Journalistenverbandes erwartet. Stattdessen schlug ihm Misstrauen entgegen. Der Mann, der das Verpfeifen geheimer Information im Internet mit ermöglicht hat, musste sich rechtfertigen.

 

Im Netz kursieren Hunderttausende ungeschwärzter Berichte des amerikanischen Außenministeriums, die zuvor den Enthüllern von Wikileaks zugespielt worden waren. An diesem Datenleck, in dessen Folge nun der Öffentlichkeit preisgegebene Informanten ernsthaft gefährdet sind, will keiner Schuld haben

Schon gar nicht Daniel Domscheit-Berg, der von 2007 bis 2010 Pressesprecher von Wikileaks war. Wie üblich kam er ganz in Schwarz nach Bonn, bis auf die scharlachroten Socken. Die will Deutschlands derzeit wohl umstrittenster Weltverbesserer indes nicht als politische Aussage verstanden wissen.

"Wir arbeiten daran, dass das, was wir machen, Hand und Fuß hat"

Wie ein trotziges Kind wies Domscheit-Berg jegliche Verantwortung oder Mitschuld am Depeschen-Desaster von sich. Es werde ihm "extrem viel unterstellt". Er habe aber weder die fragliche Datei publiziert noch Hinweise zu ihrer Entschlüsselung gegeben. Überhaupt sei die ganze Situation "schwierig im Detail nachzuvollziehen". Erst auf Drängen des Publikums bequemte sich der 33-Jährige, seine Sicht des ungeheuerlichen Vorgangs darzustellen.

Er kam zum schlichten Schluss, "Missmanagement" habe zum sogenannten Cablegate geführt. Bei Wikileaks wisse eben die eine Hand nicht, was die andere tut. Er fühle sich bestätigt, sich von den Enthüllern samt ihrem charismatischen Kopf Julian Assange getrennt zu haben - wobei es wohl eher umgekehrt war. Im Übrigen finde er es "nicht verkehrt, dass der Schock jetzt da ist". "Wir stehen unter Druck, noch besser und transparenter zu arbeiten", sagte Domscheit-Berg.

Sein neues Projekt Openleaks läuft noch immer nur im Testbetrieb. "Wir arbeiten daran, dass das, was wir machen, Hand und Fuß hat", sagte Domscheit-Berg. Wiederholt betonte er, dass es sich bei Openleaks bloß um eine technische Dienstleistung handelt. Die Plattform funktioniert dabei wie eine Art Datenwaschmaschine: Sie säubert eingereichte Dokumente von Meta-Daten, die Rückschlüsse auf ihre Herkunft zulassen. Ein rein technischer Vorgang. Die journalistische Auswertung, wozu auch das Schwärzen von Klarnamen gehört, wird Medienpartnern überlassen. Hierzulande sind das die taz und Jakob Augsteins Wochenzeitung "Freitag"; auch die portugiesische Wochenzeitung "Expresso" und die dänische Tageszeitung "Dagbladet Information" machen mit; mit dem "Wall Street Journal" und dem arabischen TV-Sender Al-Dschasira sei man im Gespräch, so Domscheit-Berg.

Ein souveräner Auftritt war das nicht

Im Unterschied zu Wikileaks veröffentlicht Openleaks selbst nichts. Die Verantwortung für den sorgfältigen Umgang mit vertraulichen Dokumenten wird also an die teilnehmenden Zeitungen delegiert. Deren größte Aufgabe wird es daher zunächst sein, beschädigtes Vertrauen von Whistleblowern wieder zu reparieren.

Die Unsicherheit, wer am Ende des Datenkanals was mit vertraulichem Material anstellt, war nie größer. Überzeugen konnte Domscheit-Berg nicht, warum Whistleblower sich bei Openleaks absolut sicher wähnen können. Gleich nach Ende der Diskussion in Bonn raste der rot besockte Datenwäscher Richtung Flughafen. Nachfragen per E-Mail ließ er unbeantwortet. Ein souveräner Auftritt war das nicht.