Dieser Schlag macht die Dinge nicht besser – für den Erzähler. Für den Leser schon. Man fühlt sich angenehm hin und her geworfen zwischen dem Wiedererkennen eigener Selbstzweifel und Ängste, widerstrebendem Verständnis für einen, dem das Verpassen von Lebenschancen Programm ist, und wohligem Schauder angesichts der Schrecknisse von Familientreffen, Kaufhausexkursionen, Büroalltag und Sockenkauf beim „bekannten Kaffeeröster“. In dieser Welt ist das Betrachten von Grünenburgpark-Kaninchen oder Main-Möwen oft die letzte Rettung. Obacht ist dennoch geboten; das Nicken der städtischen Tauben könnte die Erinnerung an die lang verstorbenen Eltern wachrufen.

 

So geht es zu, im Leben und in Genazinos Erzählen: Lieben scheitern, Hoffnungen gehen fehl, Menschen sterben (in diesem Buch sind es mehrere), alles ist angetan, elegisch zu stimmen. Was unser über „Kants Apodiktizität“ promovierter Philosoph sogleich thematisiert: „Mein Leben verwandelte sich mehr und mehr in eine Elegie, an der ich allmählich Gefallen fand.“ Im selbstredend „fast auseinanderfallenden“ Lexikon liest er, die Elegie sei „Ausdruck von Trauer und Tod, Verlust, Trennung bzw. Widerspruch zwischen Ideal und Leben“. Das sagt einiges auch über diese Geschichte eines Mannes, dem in jeder Hinsicht die Felle davon schwimmen.

Der Adel des Elegischen ist nicht das letzte Wort

Aber das Elegische ist im Hinblick auf den Widerspruch zwischen Ideal und Leben nicht das letzte Wort, das lässt die nachmetaphysische Moderne mit ihrem Ablenkungsangebot und ihrer Leistungserwartung, siehe oben, nicht zu. Deshalb können die Helden des Wilhelm Genazino für sich auch nicht mehr den Adel des Müßiggängers, des Flaneurs für sich in Anspruch nehmen, sondern verhalten sich zu ihrer Umgebung als Streuner, wo nicht Teilzeit-Penner. Zugleich stellt sich verlässlich die Wirkung des Komischen ein.

Was das Komische sei und wie es entsteht, darüber hat der Büchnerpreisträger von 2004 viel nachgedacht und sein Publikum an seinen Überlegungen auch reichlich teilnehmen lassen. Zuletzt hat er das in „Tarzan am Main“ getan, der zu seinem siebzigsten Geburtstag im vergangenen Jahr erschienenen Sammlung von „Spaziergängen in der Mitte Deutschlands“. Genazino-Leser werden im neuen Roman einiges aus diesen autobiografischen Skizzen wiederfinden – wie bei diesem Autor die Unterschiede zwischen den einzelnen Büchern wie die zwischen Literatur und Leben und zwischen Denken und Erzählen so enorm ja ohnedies nicht sind.

Wohliger Schauder beim Wiedererkennen

Dieser Schlag macht die Dinge nicht besser – für den Erzähler. Für den Leser schon. Man fühlt sich angenehm hin und her geworfen zwischen dem Wiedererkennen eigener Selbstzweifel und Ängste, widerstrebendem Verständnis für einen, dem das Verpassen von Lebenschancen Programm ist, und wohligem Schauder angesichts der Schrecknisse von Familientreffen, Kaufhausexkursionen, Büroalltag und Sockenkauf beim „bekannten Kaffeeröster“. In dieser Welt ist das Betrachten von Grünenburgpark-Kaninchen oder Main-Möwen oft die letzte Rettung. Obacht ist dennoch geboten; das Nicken der städtischen Tauben könnte die Erinnerung an die lang verstorbenen Eltern wachrufen.

So geht es zu, im Leben und in Genazinos Erzählen: Lieben scheitern, Hoffnungen gehen fehl, Menschen sterben (in diesem Buch sind es mehrere), alles ist angetan, elegisch zu stimmen. Was unser über „Kants Apodiktizität“ promovierter Philosoph sogleich thematisiert: „Mein Leben verwandelte sich mehr und mehr in eine Elegie, an der ich allmählich Gefallen fand.“ Im selbstredend „fast auseinanderfallenden“ Lexikon liest er, die Elegie sei „Ausdruck von Trauer und Tod, Verlust, Trennung bzw. Widerspruch zwischen Ideal und Leben“. Das sagt einiges auch über diese Geschichte eines Mannes, dem in jeder Hinsicht die Felle davon schwimmen.

Der Adel des Elegischen ist nicht das letzte Wort

Aber das Elegische ist im Hinblick auf den Widerspruch zwischen Ideal und Leben nicht das letzte Wort, das lässt die nachmetaphysische Moderne mit ihrem Ablenkungsangebot und ihrer Leistungserwartung, siehe oben, nicht zu. Deshalb können die Helden des Wilhelm Genazino für sich auch nicht mehr den Adel des Müßiggängers, des Flaneurs für sich in Anspruch nehmen, sondern verhalten sich zu ihrer Umgebung als Streuner, wo nicht Teilzeit-Penner. Zugleich stellt sich verlässlich die Wirkung des Komischen ein.

Was das Komische sei und wie es entsteht, darüber hat der Büchnerpreisträger von 2004 viel nachgedacht und sein Publikum an seinen Überlegungen auch reichlich teilnehmen lassen. Zuletzt hat er das in „Tarzan am Main“ getan, der zu seinem siebzigsten Geburtstag im vergangenen Jahr erschienenen Sammlung von „Spaziergängen in der Mitte Deutschlands“. Genazino-Leser werden im neuen Roman einiges aus diesen autobiografischen Skizzen wiederfinden – wie bei diesem Autor die Unterschiede zwischen den einzelnen Büchern wie die zwischen Literatur und Leben und zwischen Denken und Erzählen so enorm ja ohnedies nicht sind.

Das Komische bei Wilhelm Genazino hat mit Lakonie zu tun, mit abrutschendem Pathos, mit schrägen Einfällen und dem schiefen Blick, vor allem aber damit, dass die Beobachtung so lang ausgehalten wird, bis „der Schädel“ durchscheint, sprich, bis die bunte Ding- und Warenwelt sich ihres Fleischs entledigt und anfängt, mit den Knochen zu klappern. Was nicht heißt, dass das mit Sonja und Reinhard nicht wieder in Ordnung kommen kann.

Wilhelm Genazino: Bei Regen im Saal. Roman. Carl Hanser Verlag, München. 158 Seiten, 17,90 Euro. Das Buch erscheint am 28. Juli, der Autor liest am 24. Juli im Literaturhaus Stuttgart.