Mit dem Werk von Willy Wiedmann könnte man die komplette Königstraße auslegen: Der Künstler aus Bad Cannstatt hat die Bibel gemalt, 16 Jahre lang hat er an den mehr als 3000 Bildern gearbeitet. Am 28. Februar gibt es einen Gottesdienst zu diesem Thema.

Bad Cannstatt - Maler, Bildhauer, Musiker, Komponist, Schriftsteller und Galerist: Willy Wiedmann war ein Multitalent und zugleich ein schwäbischer Schaffer: „Als er das Haus an der Tuchmachergasse gekauft hatte, hat er erst einmal gegen alle Vorschriften den Putz heruntergeschlagen und das Fachwerk frei gelegt“, erzählt Hans Betsch, der ehemalige Vorsitzende von Pro Alt-Cannstatt, der den Cannstatter Künstler kannte und schätzte. Beliebt bei den Behörden dürfte sich Willy Wiedmann damit nicht gemacht haben. Heute ist das Haus eines der schönsten in Bad Cannstatt und beherbergt die „Galerie Wiedmann“, die der 2013 verstorbene Maler selbst jahrzehntelang unter dem Namen „Galerie am Jakobsbrunnen“ geführt hatte.

 

Circa 30 000 Bilder hat Wiedmann nach eigener Aussage gemalt „und ich glaube, das könnte stimmen“, sagt der Sohn Martin Wiedmann, „der Tag meines Vaters muss mehr als 24 Stunden gehabt haben.“ Der Fundus, den er nach dem Tod seines Vaters vorfand, sei riesig und beeindruckend, ebenso wie die noch relativ unbekannte Wiedmann-Bibel. „Als ich die gefunden habe, war ich selbst vom Umfang überrascht“, erzählt Martin Wiedmann.

Geometrische Formen überlagern sich

Mit den 3333 Bildern in Leporello-Form könnte die ganze Königstraße ausgelegt werden: „Es ist die längste gemalte Bibel der Welt“, ist Martin Wiedmann überzeugt. 16 Jahre habe sein Vater an dem Werk gearbeitet, charakteristisch ist für die Bibel auch die von Willy Wiedmann geschaffene Polykonmalerei.

Die Polykonmalerei in Wiedmanns Sinn ist eine Mehrtafel- und Mehrfarbenmalerei. Typisch ist die Zusammensetzung von geometrischen Formen wie Rechtecken, Dreiecken oder Quadraten, die sich gegenseitig ergänzen, überlagern oder in sich verflochten sind. Bei der Gesamtkomposition werden aus den Formen Bilder, die wiederum zu Bildern werden oder in andere Bilder übergehen. Außerdem brachte er in seine Werken auch seinen musikalischen Hintergrund mit ein und platzierte die Formen in einem wechselnden Rhythmus.

In die digitale Welt überführt

Farbenprächtige, beeindruckende Bilder zu schaffen, reichte dem Maler allerdings nicht aus: „Mein Vater hat die ganze Bibel gelesen und versucht zu verstehen“, sagt Martin Wiedmann. „Er las so lange in verschiedenen Bibeln, bis er sicher war, den Inhalt verstanden zu haben und übersetzte dies dann in ein Bild.“ Nicht zuletzt verfasste Willy Wiedmann zu jedem Bild Interpretationen, die er auf gut 1200 Seiten in zwölf Büchern niederschrieb.

Ein Versuch in den 1990er-Jahren, die Bibel verlegen zu lassen, hatte allerdings gerade wegen des beeindruckenden Umfangs keinen Erfolg. Doch so leicht lässt sich ein Wiedmann nicht abschrecken: „Wir haben das gesamte Material hochauflösend gescannt und in die digitale Welt überführt“, sagt Martin Wiedmann. Als E-Book, App und DVD gibt es das farbenprächtige Lebenswerk seines Vaters zu kaufen, die Texte wurden dafür auch in die englische und spanische Sprache übersetzt. Sowohl bei der Präsentation auf dem 35. Evangelischen Kirchentag in Stuttgart als auch auf der Buchmesse in Frankfurt am Main im Herbst sei die Wiedmann-Bibel auf Begeisterung gestoßen: „Theologen bestätigen die gute Arbeit meines Vaters“, sagt Martin Wiedmann. In diesem Jahr soll die Bibel unter anderem beim Katholischen Kirchentag in Leipzig präsentiert werden.

Termin
Für alle Stuttgarter gibt es bereits am Sonntag, 28. Februar, Gelegenheit, mehr über Willy Wiedmann und seine Bibel zu erfahren. Um 11 Uhr beginnt ein Gottesdienst zum Thema in der Pauluskirche Zuffenhausen, Unterländer Straße 15. Die Pauluskirche ist eine von vier Kirchen, die Willy Wiedmann künstlerisch gestaltete. Die Arbeit dort gab ihm die Idee zu seinem Lebenswerk, der Wiedmann Bibel.