19 Grand-Slam-Titel, acht davon errungen in Wimbledon – Roger Federer setzt in seiner einzigartigen Tenniskarriere eine weitere Bestmarke. Marin Cilic war dabei ein angenehmer Gegner.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

London - Es dämmerte bereits an jenem Montagabend, dem 25. Juni 2001, als Pete Sampras das war, was er bei den Championships von Wimbledon zuvor seit fünf Jahren nicht mehr hatte sein müssen: ein Verlierer. Also rauschte nach einem hartumkämpften Fünfsatzmatch gegen einen gewissen Roger Federer, einen 19 Jahre jungen Grünschnabel mit Zöpfchen aus Basel, die Nachricht in Windeseile durch die noch immer belebten Gassen des All England Clubs: „Ja, Sampras hat verloren!“ Und die hämische britische Boulevardpresse, sie titelte über den gefallenen Champion aus den USA, der zwischen 1997 und 2000 hier stets gewonnen und sich insgesamt sieben Titel im Mekka des weißen Sports gesichert hatte: „Pistol-Pete, der ewige Held, er hat sich diesmal in den Fuß geschossen.“

 

Rekordchampion bei Wimbledon

Seit diesem Sonntag, 15.51 Uhr Ortszeit, muss Pete Sampras nun sogar die Ehre an Roger Federer abtreten, ein Wimbledon-Rekordchampion zu sein. Er teilt dieses harte Los mit dem Briten William Renshaw, der in den Achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts ebenfalls sieben Mal in Wimbledon gewann. Doch das war zu einer Zeit, als der Sieger des Vorjahres automatisch im Finale stand. Denn mit seinem verwandelten Matchball im einseitigen Finale beim 6:3, 6:1, 6:4 an diesem Sonntag gegen den am linken Fuß angeschlagenen Kroaten Marin Cilic holte sich Roger Federer seinen so lang ersehnten achten Titel in Wimbledon.

Es ist für den Maestro aus der Schweiz, der nicht nur für die deutsche Legende Boris Becker nicht weniger als der „größte Tennisspieler aller Zeiten“ ist, eine Verabredung mit der Geschichte. Spätestens mit Wimbledon-Titel Nummer acht hat der ewige Federer den Olymp des Weltsports bestiegen, wo ein Plätzchen nur für die Allergrößten wie Muhammad Ali, Michael Jordan, Serena Williams oder Michael Schumacher reserviert ist.

Als dieser herausragende Erfolg nach lediglich 101 Minuten Spielzeit feststand, da übermannten Roger Federer für kurze Zeit die Gefühle. Und so bekam der Meister wässrige Augen und vergrub sein Gesicht für einen Moment hinter einem Handtuch. „Wenn du an etwas glaubst, dann kannst du weit kommen im Leben“, sagte der Schweizer, nachdem er im Beisein von Prinz William und dessen Ehefrau Kate den Challenge-Cup, den Wimbledon-Siegerpokal, zum achten Mal in die Höhe gestemmt hatte. „Ich hatte hier harte Zeiten in 2014 und 2015, als ich beide Male gegen Novak (Djokovic, Anm. d. Red.) im Finale verloren habe“, sagte Federer, dessen Eltern Lynette und Robert, die Ehefrau Mirka sowie die vier Kindern auf dem 14.979 Fans fassenden Centre-Court zuschauten: „Dieser Sieg ist für die Familie. Ich habe immer davon geträumt, wieder hier zu stehen. Es bedeutet mir die Welt.“ Vor allem deshalb, weil sich Federer nach der Krise des Vorjahres mit dem Wimbledon-Aus gegen Milos Raonic von Knie und Rückenschmerzen gezeichnet selbst eine halbjährige Auszeit verordnet hatte.

Viele Rekorde geknackt

Viele Rekorde hat der 35-Jährige geknackt. Nun aber auch beim bedeutendsten Tennisturnier der Welt eine Stufe über dem Rest zu stehen, über Helden wie Sampras, Becker, John McEnroe, Björn Borg oder Rod Laver, das bedeutet selbst einem Titelhamster wie dem nun 19-fachen Grand-Slam-Sieger immens viel. „Ich spüre, ein großer Teil der Geschichte dieses Turniers zu sein“, sagt Federer.

In seinem elften Wimbledonfinale wurde der Weltranglisten-Fünfte schnell seiner Favoritenrolle gerecht. Mit einem Break zum 3:2 im ersten Satz zeigte der King of the Court dem 2014er US-Open-Sieger Marin Cilic gleich, wer auf dem Heiligen Rasen den Ton angibt. Nicht einen Satz hatte Rasenflüsterer Federer vor dem Endspiel abgegeben – und das blieb auch gegen Cilic so. Der ließ sich vom dominanten Spiel des Rekordchampions und auch von der Größe des Moments beeindrucken.

Mit 110 Assen und variablem Tennis ins Wimbledon-Finale gestürmt, gelangen dem 28-jährigen Cilic im Angesicht von König Roger gerade mal fünf Asse. „Ich hatte eine tolle Reise hier und habe das Tennis meines Lebens gespielt“, sagte der untröstliche Verlierer, den die Fußschmerzen sichtlich behinderten. Und so bleibt Cilics Landsmann und Ex-Trainer Goran Ivanisevic der einzige Wimbledonsieger aus Kroatien. Ivanisevic siegte 2001, in jenem Jahr also, als auch Roger Federer erstmals im All England Club von sich reden machte.