Als Verkehrsminister besucht Winfried Hermann Flüchtlingsunterkünfte eher selten. Doch der privaten Einladung des Freundeskreises Wernau folgte er. Er hielt nicht nur einen Vortrag, sondern hörte auch zu – etwa wenn es um vergessene Krisenregionen ging.

Wernau - Als der Verkehrsminister mit seinem Gefolge am Samstag gegen 10.30 Uhr an eine der Türen im Wernauer Containerdorf nahe des Badhotels klopft, öffnet zunächst niemand. Dabei hätten die Bewohner gewusst, dass Winfried Hermann an diesem Vormittag vorbeikommt, sagt eine Frau vom Freundeskreis Flüchtlinge und lacht. Als schließlich doch einige Türen nach und nach aufgehen, die aus Gambia stammenden Bewohner sich um die Besucher versammeln und einen Blick in ihre engen Behausungen gewähren, ist er kurz da, der Moment, den Winfried Hermann gefürchtet hat. „Ich mag diese Stallsituation gar nicht“, sagt er.

 

Als Verkehrsminister mache er solche Besuche ohnehin selten. Darüber scheint Hermann aus besagtem Grund auch nicht unglücklich zu sein. Es bedeute jedoch nicht, dass ihn die Schicksale der Flüchtlinge nicht berührten und umtreiben würden. Nach Wernau war er an diesem Tag auf private Einladung des Freundeskreises Flüchtlinge gekommen. Einen Vortrag im Bürgersaal im Quadrium sollte er halten. Sein Thema: Flüchtlingspolitik und Ethik.

Lange Wartezeiten bei Asylanträgen

Da auch in Wernau viele Flüchtlinge leben, wäre es seltsam gewesen, wenn er an diesem Tag die zwei Flüchtlingsunterkünfte nicht besucht hätte. So begann sein Tag im Badhotel. Dort wohnen derzeit 54 Asylbewerber, überwiegend aus Syrien und einige wenige aus Somalia und Eritrea. Interessiert hörte sich Hermann an, was die Wernauer alles tun. Da wären die 94 Fahrräder, die gespendet wurden und gegen ein Pfand von 20 Euro ausgegeben werden und die vielen Sprachkurse, an denen nicht jeder so regelmäßig teilnimmt, wie es vielleicht nötig wäre.

Ein Problem, das an diesem Tag mehrfach angesprochen wurde, ist ein paar Schritte weiter im Containerdorf deutlich geworden. 60 Männer aus Gambia schlagen hier die Zeit tot. Betroffene und Ehrenamtliche schilderten das Problem der langen Wartezeiten bei den Asylanträgen und die zermürbende Kommunikation mit den überlasteten Ämtern. Während Anträge von Syrern deutlich schneller bearbeitet würden, sieht es für Menschen aus Gambia oder Eritrea ganz anders aus. „Da sind auch wir machtlos“, sagt Christine Baur-Fewson vom Freundeskreis.

Helfer erinnern an vergessene Krisenregionen

An diesem Tag wird Hermann mehrfach mit den vergessenen Krisenregionen konfrontiert. Da wäre Eritrea, weltweit das Land mit der eingeschränktesten Pressefreiheit, in dem viele Menschenrechtsverletzungen dokumentiert sind. Oder Gambia. Zu oft würden die Menschen als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet, sagte Eckart Winter bei der Bürgerfragerunde im Anschluss an Hermanns Vortrag. „In Gambia herrscht kein offener Krieg, aber eine Militärdiktatur, in der Folter herrscht“, betonte Winter, der sich in Aichtal in der Flüchtlingshilfe engagiert. Er hofft, dass Länder wie Gambia mehr in den Fokus der Öffentlichkeit und damit auch der Politik rücken.

Das lange Warten der Menschen berühre ihn persönlich, sagte Hermann. „Ich kenne das Gefühl der Ungeduld, aber das ist weit schlimmer, denn es ist existenziell.“ Den Ehrenamtlichen und der Familie Jehle, die ihr Badhotel für die Unterbringung von Flüchtlingen hergegeben hat, dankte er. „Ohne solches Engagement wären wir gescheitert in der Politik“, betonte er. Und die habe, so ein Fazit, ohnehin viel zu spät auf die absehbare Entwicklung reagiert.