Der Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Rainer Wieland, der Grünen-Landtagsabgeordnete Willi Halder und der Winnender Bürgermeister Norbert Sailer haben bei einem Infoabend die Flüchtlingsproblematik aus europäischer, landespolitischer und lokaler Sicht beleuchtet.

Winnenden - Geschlossene Grenzen können Menschen nicht aufhalten. Das hat sich nicht nur jüngst wieder in Ungarn gezeigt, wo Flüchtlinge den zu Serbien errichteten Grenzzaun umgangen haben, indem sie auf Bahngleise ausgewichen sind. Das verdeutlicht auch der seit Jahrzehnten vergebliche Versuch der USA, sich mit Mauern vom Nachbarland Mexiko abzuschotten, von dem Gerhard Sammet, der Vorsitzende des Winnender Ortsverbands der Europa-Union, in seiner einführenden Rede zur Informationsveranstaltung „Asyl- und Flüchtlingspolitik aus europäischer, landespolitischer und lokaler Sicht“ am Freitagabend berichtete.

 

Das Land als Verwalter des Flüchtlingsproblems

Auch für Rainer Wieland, den Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, den die Europa-Union als Redner eingeladen hatte, stand dies nicht zur Debatte. „Die Menschen werden sich ihren Weg suchen“, sagte er, „die Frage ist daher, wie gehen wir damit um, damit die Stimmung nicht kippt.“ Der zweite Vortragsredner des Abends, der Grünen-Landtagsabgeordnete Willi Halder, sieht hierfür die Verantwortung auf europäischer Ebene. „Wir können das Problem nicht von Baden-Württemberg aus lösen, wir können es nur verwalten“, meinte er und veranschaulichte diese Verwaltungsaufgabe in nüchternen Zahlen: 1000 Flüchtlinge kämen täglich in den Landeserstaufnahmestellen an. 4000 Asylbewerber seien pro Woche an Kreise und Kommunen „weiterzuleiten“, was für den Rems-Murr-Kreis konkret bedeute, dass allein im Oktober 800 Flüchtlinge unterzubringen seien. Dabei sei die Anzahl der Asylantragssteller aus dem Westbalkan „extrem zurückgegangen“. So hätten Kosovaren im September lediglich einen Anteil von 0,7 Prozent ausgemacht und Albaner 3,9, während mehr als die Hälfte (55 Prozent) aus Syrien stammten.

Vor diesem Hintergrund werde klar, dass die zuvor von Wieland propagierte „saubere Trennung“ zwischen tatsächlichen Flüchtlingen und „jenen, die halt ein bessere Leben wollen“, die Asylproblematik allein nicht werde lösen können. Das weiß auch Wieland, der von einem Paket spricht, das auf europäischer Ebene geschnürt werden müsse und zu dem alle Mitgliedsstaaten ihren Teil beitragen müssten. „Denn der Schlüssel zur Lösung liegt nicht nur in Europa, er liegt auch in den Nationalstaaten.“ Diese müssten aus „ihren Befindlichkeitsecken“ heraus, spielt er auf eine verbindliche Quotenregelung zur Flüchtlingsverteilung an, gegen die sich vor allem einige osteuropäische Staaten bislang sperren. „Denn alle Flüchtlinge rein geht genauso wenig wie alle raus.“

Wieland erntet Kritik und Applaus

Zu dem Paket gehöre aber für Deutschland auch der Beschluss eines Einwanderungsgesetzes, eine verbesserte Entwicklungshilfepolitik sowie eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik mit den EU-Mitgliedern, um in Nordafrika stabile Verhältnisse zu schaffen, damit die Menschen keinen Grund mehr zu flüchten hätten. Zudem müsse man Schlepper bekämpfen. Hierfür bekam Wieland Applaus von einigen der rund 100 Veranstaltungsbesucher. Kritisch wurde dagegen das militärische Herangehen gesehen. „Haben die Briten und Amerikaner damit in Libyen Frieden geschaffen?“, fragte ein Besucher rhetorisch. Wieland blieb ihm eine wirkliche Antwort darauf schuldig.

Ein menschliches Gesicht bekam das Thema mit dem Vortrag von Norbert Sailer. Der Winnender Erste Bürgermeister berichtete von einem gut verknüpften Hilfsnetz an Ehrenamtlichen, die Kleider und Lebensmittel für Flüchtlinge sammeln oder Sprachkurse anbieten – Initiativen, die tatsächlich vermitteln, was Wieland nur beschwören konnte: Zuversicht.