Fünf Schauspielerinnen begeben sich für einen Fernsehfilm auf Winnetous Spuren in Kroatien. Auch wenn „Der Schatz im Silbersee“ inzwischen mehr als fünfzig Jahre alt ist, lebt der Mythos des Apachen-Häuptlings fort.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Kroatien - Es ist wie eine Erscheinung, wie ein aus dem Himmel herabgestiegener Geist. Schwer hängen die Wolken über den Gipfeln, plötzlich aber knallt die Sonne durch das Grau hindurch – und Maren Kroymann leuchtet so hell, als hätte sie einen Heiligenschein. Langsam hebt sie die Hand zum Gruß – und die Illusion ist perfekt. Als säße nicht sie, sondern ein anderer strahlenumkränzt auf dem Pferd: Winnetou, der letzte Häuptling der Apachen. Die tapfere, gerechte Rothaut. Winnetou, der Held unserer Kindertage.

 

Das Team ist begeistert. „Das sah super aus“, ruft jemand. „Schön mit der Sonne“, sagt der Regisseur Dirk Regel. Wieder eine Szene mehr im Kasten. Vor allem eine Szene, die das besitzt, was sich Dirk Regel wünscht: ein „Winnetou-Gefühl“. Deshalb wird der Film „Winnetous Weiber“, den die Berliner Ufa Fiction für Das Erste produziert, nicht irgendwo in deutschen Wäldern oder auf der Alb gedreht, sondern im Nationalpark Paklenica an der kroatischen Adria. Auf 1800 Meter muss das gesamte Team samt Equipment transportiert werden, Toiletten- und Maskenwagen, 75-Tonner mit Scheinwerfern, Kabeln und Generator. Auch der ausgeschlachtete Citroën, auf dem die Kamera gefahren wird, und natürlich das tägliche Mittagessen. Alles wegen des Winnetou-Gefühls.

„Wenn, dann machen wir es richtig.“ sagt die Produzentin Michaela Nix. Es sollten exakt jene Orte sein, „bei denen sofort die Glocken bei einem losgehen“: Silbersee und Tal des Todes, Nugget Tsil, Rio Pecos und die Schluchten, in denen Banditen Postkutschen überfielen und sich die Indianer auf die Feinde stürzten. In „Winnetous Weiber“ – so der Arbeitstitel – begeben sich fünf Frauen auf Winnetous Spuren nach Kroatien, das für Winnetou-Fans der wahre Wilde Westen ist.

Souvenirläden mit Lex-Barker-Tassen

Zwischen 1962 bis 1968 wurden rund um das kroatische Küstenstädtchen Starigrad elf Winnetou-Filme gedreht. Auch wenn „Der Schatz im Silbersee“ inzwischen mehr als fünfzig Jahre alt und der französische Beau Pierre Brice ein Grauschopf jenseits der achtzig ist, lebt der Mythos des Apachen-Häuptlings fort. Deshalb ist für Touristen in Starigrad auch nicht das Meer die Hauptattraktion, sondern Winnetou. In den Souvenirläden werden Lex-Barker-Tassen und Pierre-Brice-Fotos im Muschelrahmen verkauft. Jeeps bringen die Touristen in die Berge, wo sie beglückt die Paklenica-Schlucht fotografieren und die Gräber von Nscho-tschi und Intschui-tschuna. Die beiden Steinpyramiden gibt es noch. Wie Reliquien werden sie verehrt.

Immer wieder warnen Schilder vor Minen aus dem Jugoslawienkrieg. Eingefleischte Winnetou-Fans ziehen dennoch los, weil sie sämtliche Schauplätze der Film- und Fotomotive identifizieren wollen. Ganze Bücher sind dazu schon geschrieben worden. Eine der Fragen, die die Winnetou-Gemeinde derzeit umtreiben: Wo liegt die markante Höhlenwohnung im Fels, die man auf einem Starfoto von Marie Versini alias Nscho-tschi sehen kann?

Jetzt aber steht Nscho-tschi im Bluesun Hotel Alan in Starigrad am Kaffeeautomat im Frühstücksraum. Es ist natürlich nicht die echte Nscho-tschi. Die Frau mit den geflochtenen Zöpfen, der Lederweste und den Cowboystiefeln ist Nina Kronjäger. Sie spielt in dem Fernsehfilm eine alleinerziehende Mutter, für die Winnetou der große Held ihrer Kindertage war. Auch Josephin Busch – sie spielt die Tochter – holt sich am Büfett noch etwas Wegzehrung, während die Kolleginnen schon im Minibus warten. Eine Stunde dauert die Fahrt über Schotterpisten zum Set. Morgens geht es rauf und abends wieder runter nach Starigrad.

Die Schauspieler hausten schon damals spartanisch

Auch Pierre Brice und Lex Barker, Mario Adorf, Marie Versini und Dunja Raiter wohnten in Starigrad im Paklenica-Motel, dem Vorläufer des Hotels Alan. Die Zimmer waren spartanisch ausgestattet – mit sozialistischem Charme. Im Winnetou-Museum von Starigrad kann man die kargen Kammern besichtigen, in denen die Stars eher hausten als wohnten. Selbst die Lederhosen von Lex Barker sind ausgestellt, gezeichnete Skizzen für den Saloon, Fotos von den Dreharbeiten, Plakate, Scheinwerfer. „Ewige Begeisterung für Karl May! Danke!“ hat Erika aus Sonthofen ins Gästebuch geschrieben.

Dem Team soll das ewige Schaschlik mit Fritten gewaltig auf die Nerven gegangen sein, weshalb Pierre Brice für die Kollegen häufiger Pasta kochte. Fünfzig Jahre später ist es Maren Kroymann, die manchmal nach Drehschluss in ihrem Appartement für die Kolleginnen köchelt, damit sie während der fünf Wochen eine Pause von dem deftigen Abendbüfett des Drei-Sterne-Hotels einlegen können.

Immerhin siebzig Personen sind für „Winnetous Weiber“ in Kroatien im Einsatz – dabei gibt es nicht mal Statisten wie in den „Winnetou“-Filmen, die mit dicker Schminke zu Rothäuten gemacht wurden. Auch Ivo Kristof war damals mit dabei. Er ist einer der erfolgreichsten Stuntmans, hat Stewart Granger 1965 in „Der Ölprinz“ gedoubelt, mit Clint Eastwood und Martin Scorsese gedreht. Bei „Winnetous Weiber“ ist er selbst nicht im Einsatz, aber seine Pferde und seine Stuntmen-Crew. Einer von ihnen jagt gerade mit Langhaarperücke auf dem Kopf in wildem Galopp über die steinige Prärie. Das ärgert Josephin Busch, sie würde zu gern selbst reiten. „Ich will doch nicht so ein breites Kreuz haben“, sagt sie und meint mit „ich“ selbstverständlich ihre Rolle. „Aber von Trab in Schritt, das kann ich machen?“, fragt sie den Regisseur, Nein, darf sie nicht.

Reiten lernen für die Filmarbeiten

Die fünf Frauen, die auf der Tour mit Schlangen, Skorpionen und vor allem mit sich selbst konfrontiert werden, sitzen die meiste Zeit auf dem Pferd. Deshalb mussten fast alle Schauspielerinnen eigens für die Filmarbeiten reiten lernen. „Ich spiele eine, die nicht reiten kann“, erzählt Teresa Weißbach, „da brauche ich mich nicht zu verstellen.“

„Es wirkt, als wäre es spielerisch leicht“, sagt der Regisseur Dirk Regel. Aber die Dreharbeiten sind mühsam. Die Schauspielerinnen müssen zwar pro Szene meist nur ein, zwei Sätze sprechen, aber die Herausforderung für sie ist, nebenher die Pferde zu dirigieren. Immer wieder laufen die Tiere aus dem Kamerabild heraus. Sobald ein Pferd nervös wird, muss abgebrochen werden. Immer sind Ivo Kristof und seine Männer zur Stelle und flüstern den Tieren beruhigende Worte in die großen Ohren. „Wir wechseln ständig die Orte, das ist für Pferde unangenehm“, sagt Regel. Er hat schon häufiger mit Pferden gedreht, aber dass sie wie eigenständige Darsteller wirken, war auch für ihn neu.

Früher war die Fimproduktion teurer und aufwendiger

Die Regisseure der „Winnetou“-Filme arbeiteten da in ganz anderen Dimensionen – sie hatten mitunter fünfzig Pferde im Einsatz. Schließlich sollte es ganz großes Kino werden – deutscher Nachkriegsfilm im Hollywoodformat. Die Filmproduktionen waren teuer und sehr aufwendig, und mit den Tieren ging man nicht gerade zimperlich um. Sie wurden mit Drahtschlingen effektvoll zum Stürzen gebracht, außerdem gab es viele Verwundungen, sogar regelrechte Blutbäder und Unfälle: Lex Barker verletzte sich, als er seinen Bärentöter abfeuerte. Der Kameramann bekam eine Fackel ins Gesicht und Götz George wurde von einem Pferd gebissen. Damit so etwas nicht passiert, dürfen die Schauspielerinnen aus Sicherheitsgründen heute nicht mehr galoppieren – nicht einmal Floriane Daniel, die eine versierte Reiterin ist.

„Winnetou sah seine Lebensaufgabe darin, das Unheil zu verhindern“, sagt Marko Petric. Der kroatische Schauspieler, der am Theater in Split unter anderem Shakespeare spielt, ist in „Winnetous Weiber“ der Reisebegleiter. Da er kein Deutsch spricht, musste er die Sätze auswendig lernen. „Be cool, you are the Cowboy“, sagt der Regisseur, aber die Szene muss x-Mal wiederholt werden, bis alle Pferde und Schauspieler endlich so im Bild sind, wie sie es sein sollen. Das ist Millimeterarbeit.

Inzwischen sind schon wieder düstere Wolken aufgezogen. Die weißen Äste, die zwischen den Steinen dürr aufragen, wirken wie Skelette. Da ist es wieder, das Winnetou-Gefühl. Irgendwo hier wird der Häuptling der Apachen gestanden und die Hand zum Gruß erhoben haben, Winnetou, der edle Wilde, der für Frieden und Versöhnung zwischen den Völkern kämpfte. „Winnetou war der Dalai-Lama der Kinderliteratur“, sagt Maren Kroymann. Anders als ihre vier Kolleginnen ist sie mit den „Winnetou“-Filmen groß geworden. Wobei sie nicht für Pierre Brice, auch nicht für Lex Barker oder Marie Versini schwärmte. Sie fand Mario Adorf gut. „Weil er böse war.“