Der Konzern Pfisterer mit Hauptsitz in Winterbach will seinen Umsatz bis zum Jahr 2020 verdoppeln. Dafür sollen unter anderem 80 Arbeitsplätze aus Winterbach nach Tschechien ausgelagert werden. Betriebsrat und IG Metall protestieren dagegen.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Winterbach - Das Winterbacher Unternehmen Pfisterer macht ernst: Bis zum Jahr 2020 will der Ausrüster für Energienetze und Fahrleitungssysteme seinen Umsatz auf 500 Millionen Euro verdoppeln. Die Zahl der Mitarbeiter soll von derzeit 1400 auf 2000 steigen. Für die Beschäftigten am Standort Winterbach ist das Wachstums- und Innovationsprogramm „Pfisterer Next Level“ indes kein Segen: 80 Arbeitsplätze aus der hiesigen Produktion sollen von 2016 an in ein neues Werk nach Tschechien ausgelagert werden.

 

Zwischen dem Betriebsrat und dem Vorstand hat es am Dienstag Gespräche gegeben. Die liefen zäh: „Im Wesentlichen hat man uns nur für die restlichen 160 Mitarbeiter einen Kündigungsschutz für drei Jahre angeboten“, klagt der Winterbacher Betriebsratsvorsitzende Daniel Kollar. Er und seine Mitstreiter hätten weitergehende Garantien gefordert – sowie den Ausbau hiesiger Standorte und Zeit bis 2020, um unter anderem den Vertrieb umzustrukturieren. Laut dem Firmensprecher Peter Kaiser ist an den Plänen aber kaum zu rütteln: „Dass die Zusammenlegung stattfindet, ist entschieden. Nur darüber, wie wir es machen, laufen Verhandlungen.“

Auch die IG Metall kritisiert „Pfisterer Next Level“. „Wenn ein Unternehmen in Not ist, sind wir ja bereit, zum Beispiel Tarifabweichungen zu vereinbaren“, sagt die Gewerkschaftssekretärin Sandra Kocken. „Aber Pfisterer macht Gewinn und will nur noch mehr davon.“

Der Pfisterer-Sprecher Kaiser beteuert, es gehe nicht um reine Gewinnmaximierung. „Wenn das der Fall wäre, hätte man schon vor Jahren die Werke Winterbach und Altdorf in der Schweiz, die fast die gleichen Produkte herstellen, zusammengelegt“, sagt er. Der wirtschaftliche Druck auf Pfisterer sei durch günstigere Konkurrenz aus dem Ausland stetig gewachsen. „Wir sind ein Familienunternehmen und denken in Generationen. Daher müssen wir das das Unternehmen langfristig zukunftssicher machen“, so Kaiser. Vor 20 Jahren, als Pfisterer eine schwere Krise durchmachte, habe man kaum noch Handlungsspielraum gehabt. „So weit wollen wir es nicht mehr kommen lassen“, sagt Kaiser. Im Übrigen werde ja kein Standort geschlossen. In Winterbach würden weiterhin Prototypen und Vorserien entstehen, andere Bereiche sogar ausgebaut.

Protestaktion beim Konzern-Fußballturnier

Dass im Werk nicht alles optimal läuft, räumt der Betriebsratschef Kollar ein. „Wir könnten das Material wesentlich effizienter durch die Fertigung schleusen. Bei solchen Verbesserungen ist man aber bisher nie in die Umsetzungsphase gekommen“, sagt er – und bezweifelt, dass die Einsparungen an der richtigen Stelle vorgenommen würden. Der vom Pfisterer-Vorstand angeführte Druck durch Billiganbieter betreffe eher die ausländischen Töchterunternehmen, die Massenware herstellten, sagt Kollar – weniger die Produkte, die in Winterbach nach Kundenwunsch gefertigt und zusammengestellt würden.

Im Geschäftsjahr 2014 war der Erlös des Unternehmens um zwei Prozent auf 251 Millionen Euro zurückgegangen. Schon vor knapp drei Jahren hatte die Geschäftsleitung darüber nachgedacht, die Verwaltungsjobs auszugliedern, war davon jedoch wieder abgerückt. Vor rund einem Dreivierteljahr überlegte das Management dann, aus dem Tarif auszusteigen. Auch diese Pläne legte man ad acta. Nun soll das „Nächste Level“ den gewünschten größeren wirtschaftlichen Erfolg bringen. Für den Betriebsrat Daniel Kollar ist das aber „für die jetzige Situation viel zu radikal“.

Der Protest gegen die Pläne fällt hingegen kreativ aus: Auf dem traditionellen Konzern-Fußballturnier trat am vergangenen Wochenende eine Mannschaft aus Winterbacher Vertrauensleuten an, die ihre Trikots mit der Aufschrift „Pfisterers Next Level – Game Over für 80 Familien“ bedruckt hatte. Mitten im Spiel verließen die Abwehrspieler des Teams plötzlich den Platz – eine geplante Aktion. „Was bei Pfisterer hinten wegfällt, ist die Produktion, also die Verteidigung“, erklärt Daniel Kollar. Das Ergebnis: Die Protestmannschaft landete auf dem 14. und damit letzten Platz. Der Fußball-Boykott wird wohl nicht die letzte Aktion der Pfisterer-Mitarbeiter bleiben: Am 7. Juli findet die nächste Aufsichtsratsitzung statt.