Seit dem 24. Februar 2022 greift Russland die Ukraine an. Zahlreiche Menschen hat die Invasion das Leben gekostet, der finanzielle Schaden ist astronomisch. Kriege an sich, aber auch ihr Verhindern sind ein ruinöses Unterfangen, wie mehrere jetzt erschienene Analysen zeigen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Mit dem Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas, der andauernden russischen Invasion in der Ukraine sowie Spannungen in Asien und Konflikten in Afrika zeichnet sich nach Einschätzung von Experten ein „noch gefährlicheres Jahrzehnt“ für die Menschheit ab.

 

Welt ist aus den Fugen geraten

Die Welt sei in ein „höchst unbeständiges Sicherheitsumfeld“ eingetreten, das anhalten werde, heißt es in dem jetzt veröffentlichten Jahresbericht zum militärischen Gleichgewicht (The Military Balance 2024) britischen Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS). In der Folge könnten die weltweiten Militärausgaben in diesem Jahr auf einen Rekordwert steigen.

Aufgrund des Kriegs in der Ukraine sowie wachsenden Spannungen mit China sind die weltweiten Militärausgaben den Experten zufolge im vergangenen Jahr um neun Prozent auf einen Rekordwert von 2,2 Billionen Dollar (zwei Billionen Euro) gestiegen.

Was Verteidigung im Frieden kostet

  • Nato: Insgesamt betrugen die Militärausgaben der Nato im Jahr 2022 rund 1,175 Billionen Dollar (1,09 Billionen Euro). Davon entfielen gut 822 Milliarden Dollar (762 Milliarden Euro) auf die USA und 353 Milliarden Dollar (327 Milliarden Euro) auf die übrigen 29 NATO-Staaten entfallen.
  • USA: Der Verteidigungsetat der USA beträgt in diesem Jahr insgesamt 886 Milliarden Dollar (knapp 825 Milliarden Euro). Deutschland gibt 2024 rund 71 Milliarden Euro für Verteidigung aus.
US-Kampfjet auf der Air Base Soesterberg im den Niederlanden (Archivbild) Foto: Imago/Pond5 Images
  • Russland/China: Russland und China investieren den Experten zufolge mittlerweile mehr als 30 Prozent ihrer Staatsausgaben in die Verteidigung, während der Westen die Produktion von Raketen und Munition nur langsam erhöht.

Was der Krieg in der Ukraine kostet

Orichiw: Blick auf Wohngebäude die durch einen KAB-Schlag (russische Präzisionsmunition) beschädigt, oder zerstört wurden. Foto: Uncredited/https://photonew.ukrinform.com/Ukrinform/dpa
  • Wiederaufbau: Die Kosten für Wiederaufbau und die Erholung der von Russland angegriffenen Ukraine werden mit Stand vom 31. Dezember 2023 auf mindestens 486 Milliarden Dollar (rund 453 Milliarden Euro) in den kommenden fünf Jahre beziffert.
  • Geflüchtete: Schätzungsweise 5,9 Millionen Ukrainer sind demnach als Geflüchtete innerhalb Europas registriert (Stand: Dezember 2023). 3,7 Millionen Menschen zählen als Binnenflüchtlinge innerhalb der Ukraine (Stand: Oktober 2023).

Ökonomische Kosten von Kriegen: Verlierer und Gewinner

Die Karte zeigt die Abweichungen des BIP vom Trend fünf Jahre ach Kriegsausbruch in Prozent. Je intensiver die Farbe, desto höher ist der relative volkswirtschaftliche Verlust. Foto: IfW/Price of War Calculator (PCALC)

Was kriegerische Konflikte generell kosten, haben Forscher des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel und der Universität Tübingen jetzt ermittelt. Dafür haben sie die Daten von mehr als 150 Kriege seit 1870 ausgewertet.

  • Betroffenes Land: Am meisten zu leiden hat der Analyse zufolge das Land, in dem ein Waffengang ausgetragen wird. So würden enorme Sachwerte (der sogenannte volkswirtschaftliche Kapitalstock) zerstört, die Wirtschaftsleistung breche um durchschnittlich 30 Prozent ein, die Inflation steige um rund 15 Prozentpunkte über fünf Jahre.
Ein palästinensischer Junge fährt nach dem Rückzug der israelischen Armee aus dem nördlichen Gazastreifen mit dem Fahrrad neben beschädigten Gebäuden zu seinem Haus. Foto: Foto: Omar Ishaq/dpa
  • Nachbarländer: Auch die Nachbar- sowie Drittländer zahlen laut „Kiel Policy Brief“ „The Price of War“ aufgrund höherer Inflation und niedrigeren Wachstums einen hohen Preis. Demnach fällt das Bruttoinlandprodukt (BIP: die gesamtwirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft) nach fünf Jahren durchschnittlich um zehn Prozent, während die Inflation um fünf Prozentpunkte steigt.
  • Entferntere Länder: Für weiter entfernte Länder könnten die Effekte allerdings positiv sein: „Es gibt auch in der Weltwirtschaft Gewinner und Verlierer von Kriegen“. heißt es in der Analyse.
  • Zwischenstaatliche Kriege: „Die Berechnungen beruhen auf den Kosten ‚typischer‘ zwischenstaatlicher Kriege in der Vergangenheit. Je nach Dauer und Intensität des Krieges sind weniger oder mehr schwerwiegende Szenarien denkbar“, erklärt Jonathan Federle vom IfW Kiel. „Die von uns berechneten Übertragungseffekte auf andere Länder berücksichtigen vor allem die durch geografische Nähe bedingten Handelsverflechtungen und die Größe der jeweiligen Volkswirtschaft, in der ein Krieg ausbricht.”

Hier können Sie die komplette Studie „The Price of War“ lesen.

Zwei Beispiele: Was ein Krieg in Taiwan und im Iran kosten würde

  • Taiwan: Im Fall einer global besonders stark integrierten Volkswirtschaft wie die Taiwans rechnen die Experten innerhalb von fünf Jahren mit weltweiten BIP-Verlusten von rund 2,2 Billionen Dollar(2,05 Billion Euro).
Der chinesische Flugzeugträger „Shandong“ liegt in einem Marinehafen in Sanya in der südchinesischen Provinz Hainan Foto: Li Gang/Xinhua/AP/dpa
  • Iran: Im Falle eines Krieges, in dem der Iran zum Schauplatz wird, könnten sich die Kosten in Form von für die Weltwirtschaft verlorenem BIP über einen Zeitraum von fünf Jahren auf bis zu 1,7 Billionen US-Dollar belaufen.
Iranische Waffenschau in Teheran (Archivbild). Foto: Imago/Zuma Wire

„Price of War Calculator“: Wie Kriegskosten berechnet werden

Das Online-Tool „Price of War Calculator“ (PCALC) ist frei zugänglich. Dem IfW zufolge ermöglicht es, „die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Krieges auf den Kriegsschauplatz sowie die wirtschaftlichen Übertragungseffekte auf andere Länder zu überschlagen“.

Hier kommen Sie zum „Price of War Calculator“ (PCALC).

Ökonomischer Wert des Friedens

Nach Aussage von IfW-Präsident Moritz Schularick zeigen die Berechnungen, wie hoch auch ökonomisch der Wert des Friedens und wie katastrophal ein Krieg auf eigenem Boden in jeder Hinsicht seien. „Militärische Stärke und glaubwürdige Abschreckung, die Angriffe von außen unwahrscheinlich machen, sind insofern auch aus ökonomischer Perspektive sinnvoll.“