Premierminister Li Keqiang kündigt zum Auftakt des Volkskongresses in Peking ein Wirtschaftswachstum von nur noch sieben Prozent an. Es wäre der niedrigste Wert seit fast einem Vierteljahrhundert.

Peking - Seit Wochen kursiert die Zahl unter Ökonomen in China, nun ist sie offiziell: Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang hat zum Auftakt des Volkskongresses das Wachstumsziel gesenkt. Um nur noch „etwa sieben Prozent“ werde Chinas Wirtschaft in diesem Jahr wachsen, verkündete der Premier in seinem Rechenschaftsbericht vor den knapp 3000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes. 

 

Der Weltwirtschaft fehle der Schwung, es gebe mehr Unsicherheiten, rechtfertigte Li das niedrigste Wachstumsziel der chinesischen Führung seit elf Jahren. „In diesem Jahr stehen wir möglicherweise vor noch größeren Schwierigkeiten als im Vorjahr“, sagte er. Dabei ist die chinesische Volkswirtschaft im vergangenen Jahr mit 7,4 Prozent bereits so langsam gewachsen wie seit fast einem Vierteljahrhundert nicht.

Keine kurzfristigen Konjunkturhilfen

Um die Wirtschaft anzukurbeln, kündigte Li an, dass die Regierung für das laufende Jahr die Investitionen in die Infrastruktur um weitere 20 Milliarden auf dann 477 Milliarden Yuan erhöhen werde (umgerechnet 68 Milliarden Euro). Vor allem den weiteren Ausbau von Autobahnen und Strecken für Hochgeschwindigkeitszüge will Peking fördern. Mit 16 000 Kilometern verfügt China bereits über das längste Streckennetz der Welt.  Kurzfristigen Konjunkturhilfen erteilte Li hingegen eine Absage. Das jährliche Haushaltsdefizit soll nur geringfügig von 2,1 auf 2,3 Prozent der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr steigen.

Der Außenhandel schwächelt

Im vergangenen Jahr schwächelte vor allem Chinas Außenhandel. Er wuchs nur noch um 3,4 Prozent und entsprach damit nicht einmal zur Hälfte den Erwartungen der Regierung. Trotzdem setzte der Regierungschef auch für dieses Jahr ein Ziel für den Anstieg der Ein- und Ausfuhren um jeweils „etwa sechs Prozent“.  Angesichts der schwächeren Wachstumserwartungen sehen Kommentatoren bereits wirtschaftlich düstere Zeiten auf China zukommen.

Tatsächlich stellt sich die Frage, wie es um ein Land bestellt ist, wenn seine Wirtschaft nur noch halb so stark wächst wie vor ein paar Jahren. Galten acht Prozent nicht vor Kurzem noch als Minimum, um den Arbeitsmarkt stabil zu halten? Danny Quah, Ökonomieprofessor an der London School of Economics, weist darauf hin, dass die chinesische Wirtschaft mit einer Wachstumsrate von 7,4 Prozent im vergangenen Jahr sogar einen höheren Zuwachs erzielt hat als vor neun Jahren. Damals lag der Anstieg bei zwölf Prozent.

In absoluten Zahlen bleibt das Wachstum gewaltig

Quah betrachtet das tatsächlich erzielte Bruttoinlandsprodukt (BIP) und die absolute Veränderung. 2005 lag das BIP bei 2,3 Billionen US-Dollar; das Plus von zwölf Prozent entsprach 274 Milliarden Dollar. Damals jubelte die ganze Welt über das sensationelle Wachstum. Bei einem Plus von sieben Prozent werde die Volksrepublik in diesem Jahr eine um 790 Milliarden Dollar höhere Wirtschaftsleistung erbringen als im Vorjahr. Das heißt: in absoluten Zahlen wird Chinas Wirtschaft 2015 fast dreimal so stark anschwellen wie 2005. Würde Chinas Wirtschaft bei ihrer heutigen Größe mit zwölf Prozent wachsen, käme es auf den Rohstoffmärkten weltweit zu gravierenden Engpässen.

Mehr Jobs scheinen gesichert

Viele Chinesen interessiert vor allem eine Frage: Wird es der Regierung gelingen, weiterhin ausreichend Arbeitsplätze zu schaffen? Knapp die Hälfte der Bevölkerung sind Bauern. Um auch ihnen zu Wohlstand zu verhelfen, will die Regierung den Bauern zu produktiveren Jobs in den Städten verhelfen. Dafür muss sie jedes Jahr zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Dieses Ziel immerhin scheint mit dem Wachstumsziel des Premierministers nicht gefährdet: Bei sieben Prozent Wachstum kommen rechnerisch auch 2015 zehn Millionen Jobs hinzu.