Die Entscheidung der Fifa, die Fußball-WM 2026 von 32 auf 48 Mannschaften aufzustocken, lohnt sich. Aber das nicht nur aus finanziellen Gründen, die der Weltverband vor allem im Blick hat. Ein Kommentar von Peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Zürich - Die Frage lässt sich mit einem entschiedenen „Hu! Hu! Hu!“ beantworten. Schließlich hat man auch noch sieben Monate nach der Fußball-Europameisterschaft den Gesang der isländischen Anhänger im Ohr und die Bilder ihrer leidenschaftlich spielenden Mannschaft im Kopf. Was fällt einem sonst noch spontan zum Turnier in Frankreich ein? Genau. Die Nordiren, die bei jeder Gelegenheit einen Auswechselspieler besangen. „Will Grigg’s on Fire“ kann man durchaus auch als Protestsong auf den ausufernden Starrummel um Spieler wie Cristiano Ronaldo oder Paul Pogba verstehen.

 

Hu! Ganz frei aus dem Isländischen übersetzt heißt das: gut. Gut, dass der Weltfußballverband Fifa beschlossen hat, die Teilnehmerzahl bei einem WM-Turnier von 2026 an um 16 Teams auf 48 zu erhöhen. Damit steigen gleichzeitig nämlich auch die Chancen auf das Unerwartete, für das zuletzt die Isländer gesorgt haben.

Eine WM-Vergrößerung kann dem Profifußball auch ein Stück weit olympischen Geist einhauchen. Leben doch die Spiele im Besonderen von der Faszination des Unbekannten, von Begegnungen mit dem Neuen und Geschichten über Exoten. Wenn Deutschland in der WM-Vorrunde zum ersten Mal auf China treffen würde, hätte das doch einen ganz anderen Reiz als eine Begegnung gegen die sich regelmäßig qualifizierenden asiatischen Teams aus Japan und Südkorea.

Der Fußball lebt von Überraschungen, vom Kleinen, der den Großen herausfordert. Gerade deshalb erfreuen sich Pokalwettbewerbe so großer Beliebtheit. Trotzdem hat sich der deutsche Fußball geschlossen wie selten gegen die WM-Erweiterung ausgesprochen und dabei die Verwässerung des Wettbewerbs und die höhere Belastung der Spieler als Gegenargumente ins Feld geführt.

Lästige Spiele sind für andere Nationen Fußball-Feiertage

Doch ist es nicht ein logisches Gebot, die Teilnehmerzahl zu erhöhen? In den vergangenen 40 Jahren hat sich die Zahl der Fifa-Mitgliedsverbände von 100 auf über 200 gesteigert. Diese Entwicklung findet in der Verdopplung der WM-Teilnehmer von 24 Nationen 1982 auf 48 im Jahr 2026 ihre Entsprechung. Bis es so weit ist, kann man in der deutschen Nationalmannschaft auch noch ein bisschen am Respekt gegenüber kleinen Fußballnationen feilen. Damit sich eine arrogant wirkende Äußerung wie die von Thomas Müller auf der großen WM-Bühne nicht wiederholt. Der hatte sich nach dem 8:0-Sieg in der Qualifikation gegen San Marino zuletzt dahingehend geäußert, dass solche Spiele völlig unnötig seien. Für ihn vielleicht. Für andere sind sie Fußball-Feiertage. Auch der deutsche Verweis auf die Mehrbelastung infolge der höheren Teilnehmerzahl geht ins Leere. Sollte sich die DFB-Auswahl 2026 für das Finale qualifizieren, wäre das für sie wie auch zuvor das siebte Turnierspiel. In der neuen Konstruktion kommt mit dem Sechzehntelfinale zwar ein Spiel dazu, zuvor fällt in einer Vorrunde mit 16 Gruppen à drei Mannschaften aber auch eines weg.

Dass das Fifa-Council dem neuen Modus ohne Gegenstimme durchgewinkt hat – der DFB war nach dem Rücktritt von Wolfgang Niersbach nicht vertreten –, ist allerdings weniger dem Gerechtigkeitsempfinden des Weltverbands geschuldet, sondern vielmehr seinem ausgeprägten finanziellen Interesse. Und das wird durch eine immer größer werdende WM viel besser befriedigt. Das neue Format soll 605 Millionen Euro mehr einspielen. Das geht aus einem vertraulichen Fifa-Bericht hervor.

Auch hinter der Ursprungsidee von Gianni Infantino, die WM 48 Ländern zugänglich zu machen, steckt kein hehres Ziel. Vielmehr setzte es der Schweizer als taktisches Versprechen vor seiner Wahl zum Fifa-Präsidenten ein. So sicherte er sich die Gefolgschaft der vielen kleinen Fußballnationen, deren Stimmen genauso viel Gewicht haben wie die der großen. Was das Fifa-Motto wieder scheinheilig klingen lässt: For the Game. For the World.