In den vergangenen 35 Jahren hat Volker Kurz die Wohnbaugesellschaft zum wichtigsten Investor auf dem Göppinger Wohnungsmarkt gemacht. Ein Gespräch mit dem Mann, der die Stadt mehr verändert haben dürfte, als die meisten Oberbürgermeister.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)
Göppingen – - So mächtig wie momentan war die Göppinger Wohnbau (WGG) wohl noch nie. Kaum ein städtebauliches Projekt läuft ohne die städtische Tochtergesellschaft und ihren Chef Volker Kurz. Selbst den Beschluss für das neue Rathaus am Bahnhof hat Oberbürgermeister Guido Till der Fürsprache des WGG-Chefs zu verdanken. Doch vergisst Kurz bei all seinem Aktivismus den sozialen Wohnungsbau?
Herr Kurz, hat Ihnen der OB eigentlich schon ein Eis spendiert?
Wieso?
Ohne Ihr Versprechen, die WGG könne die frei werdenden Verwaltungsgebäude problemlos in schicke Wohnhäuser umwandeln, hätte der Gemeinderat kaum grünes Licht für den neuen, 25 Millionen Euro teuren Verwaltungsbau am Bahnhof gegeben.
Ein Eis habe ich noch nicht bekommen, aber ich gehe davon aus, dass ich irgendwann noch eins kriege. Für das Projekt habe ich mich ganz bewusst stark gemacht. Denn wenn wir die frei werdenden städtischen Gebäude in der Pfarrstraße oder der Kirchstraße nehmen, dann können wir zusammen mit den Grundstücken, die wir in letzter Zeit erworben haben, die Innenstadt ganz neu prägen. Das ist eine einmalige Chance, um das Wohnen in der Stadt zu stärken. Und das stärkt auch den Handel.
Das ist auch nötig. Würden nur alle so in ihr Eigentum investieren wie die Wohnbau, klagt der OB, sähe Göppingen anders aus.
Es gibt schon auch Private, die investieren. Aber es gibt eben viel Bürokratie und Schwerfälligkeit.
Inwiefern?
Es gibt so viele Vorschriften, die den Eigentümern das Leben schwer machen. Das fängt bei der Energie an. In Häusern mit nur vier oder fünf Wohnungen können Sie kein hoch entwickeltes Energiekonzept fahren. Wenn Sie die kleinen Grundstücksbildungen sehen, haben Sie die Schwierigkeit, Parkplätze zu schaffen.Ohne Parkplatz ist eine Wohnung aber nur noch halb so viel wert. Dann gibt es nachbarliche Zwänge und Baustrukturen, die aus einem ganz anderen Zeitalter stammen.
Aber diesen Zwängen unterliegen Sie doch auch?
Man muss sehen, dass wir als städtische Wohnbau die Möglichkeit und auch die Aufgabe haben, mit unseren Liegenschaften in ein rollierendes Finanzierungssystem zu treten. Was wir neu bauen, wird mitfinanziert durch die Überschüsse der Älteren. Wenn die Älteren dann modernisiert werden, können die Neubauten Deckungsbeiträge bringen. Da tut sich ein Unternehmen mit einem Bestand von 2000 Wohnungen und einer regelmäßigen Einnahmekraft viel leichter als ein Privater.
2014 haben Sie mit diesem rollierenden System zwei Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet. Und dabei ist es gerade die Wohnbau, die sich der schwierigen Fälle annimmt.
Ja, wenn es schwierig wird, werden wir gerufen. Aber wenn man die schwierigen Projekte nicht bearbeitet, wird sich niemand für unseren Markt interessieren. Genau das ist der Grund, warum wir auch einmal ein Projekt an- oder überfinanzieren können. Im übrigen spielen bei Privaten oft nicht nur unternehmerische Dinge eine Rolle, sondern auch familiäre Umstände. Die historischen Geschäftshäuser mit den Wohnungen oben drin sind ja alle von Familien gebaut worden. Die haben sich irgendwann aus der Innenstadt herausgelöst, die Innenstadt ist in Vergessenheit geraten. Dann hat man nicht mehr investiert und die heutigen Erben wohnen weit weg.
Man hat den Eindruck, Göppingen ist da anderen Städten deutlich hinterher.
Optisch sind wir hinterher, aber auf eine gewisse Art und Weise ist Göppingen auch weit voraus, weil bei uns der öffentliche Raum schon neu geordnet ist. Das ist ein Pfund und das müssen wir jetzt nutzen. Es ist mein Traum, dass es zur Selbstverständlichkeit wird, in der Innenstadt zu wohnen, zu leben, sich zu treffen und zu verweilen. Wenn ich im Winter abends heimgehe, dann sehe ich an den vielen dunklen Fenstern, wie wenig Menschen hier wohnen.
Es gibt Stimmen, die sagen, der Herr Kurz hat Göppingen stärker verändert als OB Till und OB Reinhard Frank zusammen.
Das ist natürlich falsch. Allerdings lässt mir Herr Till bewusst einen großen Spielraum und den nutze ich auch aus, um der Stadt etwas zu bringen. Und wenn es unseren OB Frank nicht gegeben hätte, dann hätten wir nicht die Neue Mitte. Er hat den Kopf dafür hingehalten und wir profitieren heute davon. Auch mit dem Aufsichtsrat ist es ein sehr gutes Miteinander. Es macht einfach Spaß, etwas anzuschieben.
Das ist erstaunlich, schließlich sitzen im Aufsichtsrat lauter Stadträte und die haben selten Spaß, wenn sie zusammen sitzen.
Das hat natürlich auch mit den Themen zu tun. Ich kann ja auch ein bisschen auf der Sonnenseite reingucken lassen.