Sie ist 2010 mit Pomp eröffnet worden,die Senioren-WG in Degerloch. Doch der große Ansturm blieb aus. Die Insolvenz des Erbauers Jürgen Hollenbach hat sicher ihren Teil dazu beigetragen. Doch jetzt soll sich alles ändern.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch - Der Mittwoch ist der Höhepunkt der Woche. Da riecht es nachmittags nach Kaffee im Gemeinschaftsraum, der schwarze Tisch ist hübsch gedeckt, Sprudel wird in Weingläsern ausgeschenkt, und in den Tassen stecken gezwirbelte Servietten. Diesmal gibt es Matschkuchen, das ist zu feucht geratener Zwetschgenkuchen. Er hat Frau Luipold, Frau Saß und den anderen so lecker geschmeckt, dass er bald bis auf ein einsames Dreieck verputzt ist. Nebenher wird geplappert. Über Rezepte, über früher, über Neues.

 

Von den 13 Wohnungen stehen derzeit noch sieben leer

Willkommen in der Senioren-WG an der Degerlocher Epplestraße. Am Tisch sind noch Plätze frei. Doch zukünftig könnte es enger zugehen an der Kaffeetafel. Bald sollen nämlich neue Mitbewohner einziehen. Von den 13 Appartements stehen derzeit sieben leer. Drei davon sind allerdings schon so gut wie vermietet, vier sind noch zu haben. Sie haben ein bis drei Zimmer.

Im März 2010 ist die Senioren-WG mit Pomp eröffnet worden. Alle waren voll des Lobes. Der große Ansturm auf die Wohnungen blieb jedoch aus. Die Vermutung vieler, dass dies an den Mietpreisen lag, drängte sich auf. Kostete der Quadratmeter anfangs doch 16 Euro. Das machte für eine 45-Quadratmeter-Wohnung 720 Euro. Zuzüglich der Nebenkosten und einer 220-Euro-Pauschale für die Betreuung kam ein stolzes Sümmchen zusammen. Der Vollständigkeit halber sollte gesagt werden, dass die Senioren für diesen Preis eine Wohnung gehobenen Standards im Herzen von Degerloch bezogen.

Dies ist alles in der Vergangenheitsform formuliert, weil sich in der Senioren-WG an der Epplestraße zum 1. Oktober einiges ändert. Unter anderem der Mietpreis. Private Investoren aus Degerloch haben die 13 Wohnungen im ersten Stock über dem Rewe-Supermarkt gekauft und vermieten den Quadratmeter künftig für elf Euro. Wer diese privaten Investoren sind, werde bald bekannt gegeben, sagt ihr Sprecher, der derzeit noch genauso unerkannt bleiben will wie die Geldgeber. Das hat auch mit der Vergangenheit zu tun. Und über die will der Sprecher nicht mehr reden. „Wir schauen jetzt nur noch nach vorne“, sagt er.

Es geht offenbar bergauf mit der Rentner-WG

Zu dieser Vergangenheit gehört, dass der Stuttgarter Investor Jürgen Hollenbach das frühere Tengelmann-Areal in Degerlochs Mitte unter seinem Namen neu aufgebaut hat. 2012 ist er pleite gegangen, die Wohnungen gehörten zur Insolvenzmasse. Ein paar wenige der Senioren sind daraufhin ausgezogen, Nachfolger zu finden, war schier unmöglich; es dürfte nicht sonderlich attraktiv gewesen sein, dass zwischenzeitlich ein Insolvenzverwalter die Mietverträge gegengezeichnet hat.

Doch jetzt geht es offenbar bergauf in der Rentner-WG an der Epplestraße. Der Sprecher der Investoren vereinbart dieser Tage einen Besichtigungstermin nach dem anderen, wie er sagt. Das stimmt ihn hoffnungsfroh. Wäre doch auch schade drum, wenn diese hübschen Wohnungen inmitten von Degerloch noch länger leer stehen würden, findet er. Deshalb schließt er gerne für Mietinteressenten tagtäglich Türen auf, lässt Rollladen automatisch hochfahren, zeigt barrierefreie Bäder, schwärmt vom Parkettboden und dem Aufzug, der einen auf Wunsch mit dem Einkaufswagen direkt vom Supermarkt zur Wohnung fährt.

Nicht nur der Eigentümer wechselt zum 1. Oktober, sondern auch die Betreuung. Die Samariterstiftung aus Nürtingen hört auf, und die Paritätischen Sozialdienste, kurz Pasodi, übernehmen. Pasodi betreibt das Hoffelder Lothar-Christmann-Haus und das Mehrgenerationenhaus Vaihingen. Und auch in der Senioren-WG Degerloch waren die Pasodi-Pfleger bislang ambulant tätig. Seit Herbst 2013 war der Wechsel im Gespräch, berichtet der Geschäftsführer Jürgen Dittrich.

Die tägliche Vitalkontrolle sei Gold wert

Pasodi erhebt eine Monatspauschale von 140 Euro. Dafür kommt jeden Vormittag jemand zur Vitalkontrolle. Das sei Gold wert, sagt Dittrich. „Damit konnten wir nachweislich schon viele Leben retten.“ Zudem zahlen die Bewohner mit der Pauschale, dass sie am Gemeinschaftsprogramm teilnehmen können – wenn sie wollen. Alles jenseits der Pauschale ist freiwillig und wird extra gebucht. Sei es Hilfe in der Küche, sei es Pflegerisches.

„Wir leben in Freiheit“, sagt der Mann, den alle Herr Doktor nennen. Er wohnt von Anfang an in der WG und kommt gern mittwochs zum Kaffeekränzchen. Genauso wie Herr Gunkel, der vor einiger Zeit nach Vaihingen gezogen ist. Der Kontakt zu den Ex-Mitbewohnern ist geblieben. „Er mag uns, und wir mögen ihn“, sagt Frau Luipold mit ihrem charmanten, bayrischen Akzent. Herr Gunkel lächelt verlegen. Frau Luipold, Frau Saß und Herr Doktor freuen sich auf neue Gesichter, nur eines sei wichtig, sagt Frau Luipold, „nett sollten sie sein“.