Manteldesk: Mirko Weber (miw)

An dieser Stelle des Gesprächs kommt man kaum darum herum, das Wort „Hochkultur“ in den Mund zu nehmen, wobei Gushurst den Begriff nicht gerne benutzt, weil er seiner Meinung nach voraussetzte, dass es, wie im zwanzigsten Jahrhundert noch, also zur Musiktruhenhochzeit, „noch einen verbindlichen Kanon“ gebe. „Den gibt es aber nicht mehr“, sagt Gushurst, „weil der Kulturbegriff ein anderer geworden ist. Sie haben da Menschen, die einmal zu einem Konzert mit Sting gehen, um dann wieder ein Orchesterprogramm zu buchen.“ Diese Menschen erreiche man schon noch mit SWR 2, versuche andererseits aber, möglichen Nachwuchs zunächst einmal über Online hintergründig zu interessieren. Über Social Media in Interaktion mit dem Publikum zu treten, ist nun allerdings eine Herausforderung für das klassische Radio und eigentlich Niemandsland. Gushurst will es betreten, Varianten ausprobieren – und sich vor allen Dingen nicht selbst unter Druck setzen.

 

Womit wir eigentlich wieder am Anfang wären, denn die Truhe und das Radio als souveränes Möbel, unantastbar von außen (und deswegen leicht selbstzufrieden mitunter), hat eben längst ausgespielt, was seine einst einmalige Dominanz betrifft. „Zeitsouveräne Nutzer“, sagt Gushurst, seien die Hörer heute. Sie ließen sich ungern diktieren, wann sie was wo zu hören hätten. Besonders die Wissenschaftssendungen werden mittlerweile am liebsten als Podcast mitgenommen: „Da steckt viel Potenzial drin.“ Gemeinsame Redaktionssitzungen von Online, Radio und Fernsehen sind in Zukunft Pflicht. Ob sich auch der Moderationsstil ändern muss? „Natürlich“, sagt Gushurst, „werden wir über die Form der Ansprache nachdenken.“ Womöglich müsse man deutlicher machen, wo an einem Tag die Schwerpunkte im Programm liegen. Eines aber setzt der neue Programmchef dann doch noch einmal deutlich hinzu: „Nur weil ich vom Pop komme, wird es jetzt nicht bunter und flacher werden.“ Wolfgang Gushurst stammt einerseits von drinnen, weil er den Sender schon so lange kennt. Andererseits, betont er, habe er gottseidank jetzt noch den „Blick von draußen“. Den vor allem möchte er nutzen.