Region: Verena Mayer (ena)

Von einer der Weißtannen, etwa 20 Meter forsteinwärts leicht rechts gelegen, rieseln ganz sachte Nadeln. Die Zweige rascheln, als ob sich ein Eichhörnchen darin zu schaffen macht. „Hier gibt es viele schöne Zapfen“, ruft Luca Bleher, der die Geräusche verursacht, seinem Kollegen zu, der in einer Weißtanne ein Stück entfernt steht. Zu sehen ist der Pflücker schon lange nicht mehr.

 

Ob man ganz da oben einen Blick hat für die Weite, wenn man einen großen Sack im Schlepptau hat, der immer schwerer wird? Ob man sich freut an dem Specht, der durch die Nachbarschaft fliegt, wenn man mit einem extra langen Stab nach unerreichbaren Zapfen angelt? Ob man den Duft von Holz und Moos noch wahrnimmt, wenn man in zig Meter Höhe von einem Stamm zum anderen übersetzt? Auf Luca Blehers Shirt sind zwei Zeilen gedruckt, die ausführliche Antworten überflüssig machen: „Bäume sind Gedichte, die die Erde in den Himmel schreibt.“ Alles also, was dort oben zwischen Zapfen und Pflücker passiert, sind Strophen, die die Gedichte nur noch genialer machen.

„Aaaaachtung!“, tönt die Stimme des dritten Kollegen durch die Waldesruhe. Ein kurzes Sirren, ein furchterregender Knall – der erste Sack voller Weißtannenzapfen liegt am Boden. Eine halbe Stunde nach dem Aufzug – das lässt sich gut an.

Klengen verdanken ihren Namen dem Geräusch, das Zapfen beim Trocknen machen. Wenn sie in Nagold eintreffen, sind sie ja noch nicht reif – logo, sonst wäre der Samen bereits ausgeflogen. Auf einem riesigen Holzboden in der obersten der fünf Etagen dürfen die Zapfen ein paar Wochen nachreifen, bevor sie in einen Ofen geschoben werden, der Warmdarre heißt. Darin öffnen sie schließlich ihre Schuppen und geben ihren Samen frei. Gewiss, die Klengen könnten auch Darre oder Trockner heißen, aber Klenge klingt halt schöner.

Eine sorgfältige Familienplanung

Traditionell klengten in den Klengen Kiefern- und Fichtenzapfen. Die Bäume kamen sehr gut mit dem sehr mageren Boden der entwaldeten Republik zurecht. Die klimastabile Kiefer macht sich noch immer ganz gut, aber die Fichte ist so langsam am Ende ihrer Kräfte. Immer wärmer, immer trockener – irgendwann ist Schluss. Ebingers Hoffnung – und die seiner Kollegen – liegt momentan auf der grünen Douglasie. Wenn es halbwegs gut läuft, kann der klimazonengestählte Nadelbaum aus dem pazifischen Westen Nordamerikas die Ausfälle der verstörten Traditionsbäume kompensieren. Aber wer weiß: Die Weymouthskiefer aus Nordamerika galt auch lange als bestens geeigneter, weil schnell wachsender und schlanker Baum für deutsche Lande. Dann, nach 40 guten Jahren, tauchte ein Pilz namens Weymouthskiefernblasenrost auf – und das war’s dann mit der spitzen Kiefer im süddeutschen Raum. Und nie hätte sich Ebinger träumen lassen, dass die einheimische klimaresistente Esche als Holzlieferant ausfallen könnte. Aber nun: Eschentriebsterben! Solange keiner weiß, ob der Auslöser, der Bazillus Falsches Weißes Stängelbecherchen, in den Griff zu bekommen ist, wird kein Förster Eschen pflanzen.

Es dauerte gut hundert Jahre, dann hatte sich der neue deutsche Wald etabliert, und die Bedeutung – und die Zahl – der Klengen schwand. Heute gibt es noch zehn staatliche Klengen und rund fünf private – aber nach wie vor Wichtiges zu tun. „Es stehen große Aufgaben im Wald an“, sagt Thomas Ebinger, der dabei nicht so aussieht, als wären es erfreuliche Aufgaben. „Die Frage ist“, sagt er, „was wächst hier noch, wenn es immer wärmer wird?“

Der Duft von Holz und Moos

Von einer der Weißtannen, etwa 20 Meter forsteinwärts leicht rechts gelegen, rieseln ganz sachte Nadeln. Die Zweige rascheln, als ob sich ein Eichhörnchen darin zu schaffen macht. „Hier gibt es viele schöne Zapfen“, ruft Luca Bleher, der die Geräusche verursacht, seinem Kollegen zu, der in einer Weißtanne ein Stück entfernt steht. Zu sehen ist der Pflücker schon lange nicht mehr.

Ob man ganz da oben einen Blick hat für die Weite, wenn man einen großen Sack im Schlepptau hat, der immer schwerer wird? Ob man sich freut an dem Specht, der durch die Nachbarschaft fliegt, wenn man mit einem extra langen Stab nach unerreichbaren Zapfen angelt? Ob man den Duft von Holz und Moos noch wahrnimmt, wenn man in zig Meter Höhe von einem Stamm zum anderen übersetzt? Auf Luca Blehers Shirt sind zwei Zeilen gedruckt, die ausführliche Antworten überflüssig machen: „Bäume sind Gedichte, die die Erde in den Himmel schreibt.“ Alles also, was dort oben zwischen Zapfen und Pflücker passiert, sind Strophen, die die Gedichte nur noch genialer machen.

„Aaaaachtung!“, tönt die Stimme des dritten Kollegen durch die Waldesruhe. Ein kurzes Sirren, ein furchterregender Knall – der erste Sack voller Weißtannenzapfen liegt am Boden. Eine halbe Stunde nach dem Aufzug – das lässt sich gut an.

Klengen verdanken ihren Namen dem Geräusch, das Zapfen beim Trocknen machen. Wenn sie in Nagold eintreffen, sind sie ja noch nicht reif – logo, sonst wäre der Samen bereits ausgeflogen. Auf einem riesigen Holzboden in der obersten der fünf Etagen dürfen die Zapfen ein paar Wochen nachreifen, bevor sie in einen Ofen geschoben werden, der Warmdarre heißt. Darin öffnen sie schließlich ihre Schuppen und geben ihren Samen frei. Gewiss, die Klengen könnten auch Darre oder Trockner heißen, aber Klenge klingt halt schöner.

Eine sorgfältige Familienplanung

Traditionell klengten in den Klengen Kiefern- und Fichtenzapfen. Die Bäume kamen sehr gut mit dem sehr mageren Boden der entwaldeten Republik zurecht. Die klimastabile Kiefer macht sich noch immer ganz gut, aber die Fichte ist so langsam am Ende ihrer Kräfte. Immer wärmer, immer trockener – irgendwann ist Schluss. Ebingers Hoffnung – und die seiner Kollegen – liegt momentan auf der grünen Douglasie. Wenn es halbwegs gut läuft, kann der klimazonengestählte Nadelbaum aus dem pazifischen Westen Nordamerikas die Ausfälle der verstörten Traditionsbäume kompensieren. Aber wer weiß: Die Weymouthskiefer aus Nordamerika galt auch lange als bestens geeigneter, weil schnell wachsender und schlanker Baum für deutsche Lande. Dann, nach 40 guten Jahren, tauchte ein Pilz namens Weymouthskiefernblasenrost auf – und das war’s dann mit der spitzen Kiefer im süddeutschen Raum. Und nie hätte sich Ebinger träumen lassen, dass die einheimische klimaresistente Esche als Holzlieferant ausfallen könnte. Aber nun: Eschentriebsterben! Solange keiner weiß, ob der Auslöser, der Bazillus Falsches Weißes Stängelbecherchen, in den Griff zu bekommen ist, wird kein Förster Eschen pflanzen.

In der klengeeigenen Baumschule versuchen sich Thomas Ebinger und seine acht Kollegen sicherheitshalber schon in der Anzucht von türkischen Baumhaseln und nordafrikanischen Atlaszedern. Auch eine Geburtsstation des Waldes, muss man erkennen, kommt um eine sorgfältige Familienplanung nicht herum.

Und ein guter Zapfenpflücker sieht seine Arbeit im Baum nicht als Arbeit, die für ein Kilo Weißtannensamen drei Euro bringt, oder drei Euro fünfzig für ein Kilo Douglasiensamen . Ein guter Zapfenpflücker kämpft sich nicht durch die Äste nach oben. Er ist leicht, fühlt, dass man mit einem Baum auch tanzen kann. So formuliert es Bernd Strasser, 48, der dritte Zapfenpflücker, der sich an diesem Tag durch den Gomaringer Forst hangelt. Bernd Strasser ist eine Art Star der Szene: Neunmal ist er Weltmeister im Baumklettern gewesen, er gibt Kurse auf der ganzen Welt, und Wettkönig bei „Wetten, dass . .?“ ist er auch mal geworden, weil er sich in Windeseile die 100 Meter hohe Glasfassade der Deutschen Bahn am Potsdamer Platz hochzog.

Was zeichnet einen guten Zapfenpflücker aus?

Ein guter Zapfenpflücker zu sein, man ahnt es, ist eine Berufung. Der offizielle Beruf der drei Berufenen im Gomaringer Forst ist der des Baumpflegers. Sie schneiden, sanieren und sichern Bäume. Alles so schonend wie möglich. Und nur in der allergrößten Not wird ein Baum auch gefällt. „Wir können ohne Bäume nicht leben“, sagt Bernd Strasser. „Sie ohne uns schon.“

Genau die Richtigen also für die Staatsklenge, die nur die zuverlässigsten Pflücker beauftragt. Wahrscheinlich gibt es keinen Baumschullehrer, der sich nicht an den Saatgutskandal von 1983 erinnert: die vermeintlich legitimen Samen für den Nachwuchs stammten aus Rumänien – was sich erst herausstellte, als die Saat aufgegangen und zu kleinen Bäumen herangewachsen war. 30 Millionen junge Eichen, Buchen, Fichten und Kiefern, Bäume im Wert von damals mehr als 20 Millionen Mark, mussten vernichtet werden, weil sie aus minderwertigem Saatgut entstanden waren.

Will ein Baum im Wald reüssieren, braucht er einen guten Stammbaum. Seine Vorfahren, die der genetischen Vielfalt wegen möglichst zahlreich vorhanden sein sollten, müssen sich als gestandene und gesunde Holzlieferanten bewährt haben. Und sie müssen sich gut an ihre Heimat angepasst haben. Eine Weißtanne aus Süddeutschland etwa käme im Nordseeküstenraum sicher nicht gut zurecht. Weniger als zehn Prozent des elf Millionen Hektar umfassenden deutschen Waldes sind offiziell für die Zucht anerkannt.

Ein fast perfekter Tag

„Durch Manipulation lässt sich viel Geld verdienen“, sagt Thomas Ebinger, bei dem ein Kilo bewährten Saatguts um die 1000 Euro kostet. Dafür weiß er von jedem Samenkorn, woher es stammt: In den bewährten Baumbestand dürfen nur autorisierte Pflücker. Ihre Ernte liefern sie unter den wachsamen Augen des Revierförsters ab. Und eine Zapfenprobe wird in einem Institut in Bayern verwahrt, so dass das verkaufte Saatgut bereits im Urzustand auf seine Herkunft getestet werden kann.

Am Abend um acht betreten die drei Zapfenpflücker wieder den Gomaringer Boden. Lief alles gut da oben im Baum. 500 Kilo bringt ihre Ernte auf die Waage. Jetzt noch eine Feuerstelle suchen, dann Couscous mit Gemüse kochen und still zuhören, was der Wald erzählt. Sieht aus, als wäre es ein fast perfekter Tag gewesen.

Auch für Thomas Ebinger. 500 Kilo Weißtannenzapfen bedeuten 50 Kilo Samen oder eine viertel Million neue Weißtannen. Wenn die Zapfen die Klenge durchlaufen haben, landet ihr Innerstes in einem großen, sorgfältig etikettierten Kolben und wird in einem Kühlraum sicher verwahrt. Bis zu vier Jahre ist der Nachwuchs der Weißtanne, die es von Haus aus kühl und feucht mag, dort haltbar. Im Wald hoffentlich viel länger. Aber, wer weiß das schon?