Der „Landarzt“ geht in Rente, das ,,Forsthaus Falkenau“ schließt seine Pforten: Um ein jüngeres Publikum zu erreichen, trennt sich das ZDF von alten Zöpfen – und legt sich einen neuen, etwas zeitgemäßeren Schnitt zu.

Stuttgart - Als Thomas Bellut im Frühjahr seinen Posten als ZDF-Intendant antrat, gab er seiner Amtszeit eine klare Vorgabe: Das Zweite soll jünger werden. „Die Zielgruppe des ZDF ist die ganze Gesellschaft“, sagte Bellut, deshalb müsse man „verstärkt jüngere Zuschauer erreichen“. Nun haben die Mainzer die ersten „kleinen Schritte“, mit denen das Programmschema „optimiert“ werden soll, bekanntgegeben. Die Nachricht hat den Freunden von Klassikern wie „Der Landarzt“ (seit 1986 im Programm) und „Forsthaus Falkenau“ (seit 1988) nicht gefallen: Beide Serien werden eingestellt. Und auch „Stolberg“, ursprünglich als Freitagskrimi konzipiert, zuletzt dienstags ausgestrahlt, wird nicht verlängert.

 

Auf den ersten Blick wirkt diese Maßnahme nicht nur wie ein Affront gegenüber dem Stammpublikum, sondern auch unnötig, schließlich sind gerade die beiden Serien seit Jahrzehnten zuverlässige Quotenlieferanten. Der ZDF-Sprecher Alexander Stock versichert, man habe sich keinesfalls leichtfertig von alten Zöpfen getrennt: „Serien- und Reihenformate werden hin und wieder durch neue ersetzt, das war schon immer so. Auf diese Weise modernisieren und erneuern wir unser Angebot.“ Die Gründe für das Absetzen eines Formats seien vielfältig: „Mangelnder Zuspruch beim Publikum, manche Sujets und Themen überleben sich einfach, manchmal ist das Format so sehr vom Protagonisten geprägt, dass es mit dessen Ausscheiden zu Ende ist.“ Wenn eine Serie auslaufe, schaffe dies Raum für Neuentwicklungen, „die für die Modernisierung des Gesamtangebots wichtig sind“. Stock widerspricht auch dem Eindruck, die Absetzung der beiden beliebten Serien sei Beleg für eine Verjüngung um jeden Preis: „Dieser Aspekt hat eine Rolle gespielt, war aber nicht ausschlaggebend.“

Der Spagat: die Alten nicht verlieren, die Jungen gewinnen

Das Durchschnittsalter des ZDF-Publikums liegt bei 61 Jahren. Bellut hat sich vorgenommen, diesen Schnitt in den kommenden zwei Jahren auf 60 und damit auf das Niveau des Ersten zu senken. Der ZDF-Intendant hat aber auch betont, die moderate Verjüngung solle nicht auf Kosten das Stammpublikums erfolgen: „Wir wollen unsere Zuschauer behalten und unsere Programme gleichzeitig für Jüngere attraktiv machen.“ Was damit gemeint ist, zeigen die potenziellen Nachfolger der Klassiker, also Vorabendserien wie die mit Erfolg gestarteten „Garmisch-Cops“ (aus dem Stand über 4,3 Millionen Zuschauer) oder von Ende November an „Schafkopf – A bissel was geht immer“, eine Familienserie mit Krimielementen. „Neue, spannend erzählte, zeitgemäße und anregende Formate“, sagt Norbert Himmler, Belluts Nachfolger als Programmdirektor, und versichert, nur so könne das ZDF seinen Status als „führender Anbieter deutscher Serien“ behalten, nämlich „indem das Genre gepflegt und gleichzeitig langsam, aber stetig weiterentwickelt wird“. Auch ältere Zuschauer, ergänzt Stock, „sind offen und dankbar für Veränderungen“.

Vermutlich hätten diese Zuschauer in der Tat nichts gegen Veränderungen – wenn dafür nicht ihre Lieblinge weichen müssten. Trotz jugendlich anmutender Hauptdarsteller wie Wayne Carpendale als Landarzt und Hardy Krüger jr. als Förster und trotz keineswegs altbackener Inszenierungen haftet den beiden Serienklassikern der Ruf der Betulichkeit an. Mit Ausnahme des „Tatorts“, den die ARD aus gutem Grund immer wieder neu erfindet, gilt das allerdings für alle Programmmarken, die in die Jahre gekommen sind. Zwar ist die erste „Soko“ des ZDF, „Soko 5113“, mit 34 Jahren eine der dienstältesten Krimiserien überhaupt, aber die verschiedenen Ableger aus Stuttgart, Wien oder Köln sind wesentlich jünger. Mit ihnen hat das ZDF eben auch beim Publikum unter fünfzig Erfolg; der Marktanteil bei Zuschauern zwischen 14 und 49 Jahren, der Kernzielgruppe der kommerziellen Sender, lag 2011 bei gut 7 Prozent und damit über dem Senderschnitt. „Forsthaus Falkenau“ und „Landarzt“ schnitten allerdings mit 6, 5 Prozent auch nicht viel schlechter ab.

Während der norddeutsche Landarzt und der süddeutsche Förster eher unfreiwillig in Rente gehen, wird die Hauptstadtkommissarin Rosa Roth ihren Dienst freiwillig quittieren. Dass beide Nachrichten zur gleichen Zeit die Runde machten, ist freilich Zufall: Die Hauptdarstellerin Iris Berben mag nicht mehr. „An der Spitze des Erfolges sollte man aussteigen“, erklärt sie das Ende der 18 Jahre alten Samstagskrimireihe. „Wir haben Rosa lange am Leben erhalten. Ich wollte einen klaren Strich ziehen. Das hat auch etwas mit dem Respekt vor der Rolle zu tun.“ Die von ihrem Sohn Oliver produzierten Krimis zeichneten sich durch einen hohen Anspruch aus, der auch in der filmischen Umsetzung deutlich wurde; die gefälligere Reihe „Stubbe – Von Fall zu Fall“ hatte zuletzt die besseren Einschaltzahlen. Derzeit wird in Berlin Rosa Roths letzter Fall gedreht, „Der Schuss“: Die Kommissarin trifft auf einen alten Widersacher. Es wird kein leichter, aber gewiss ein großer Abgang.