Seit fünf Jahren bietet der Sender ZDF Neo einen Mix aus Klassikern und hochmodernem TV. Damit kommt er bei der schwierigen Zielgruppe ganz gut an.

Berlin - Kein anderer Sender im deutschen Fernsehen ist derart experimentierfreudig: Seit fünf Jahren versteht sich der am 1. November 2009 gestartete ZDF-Ableger Neo als Alternative für Zuschauer zwischen 25 und 49 Jahren. Bei genauer Betrachtung machen die Sendungen, die dem Sender regelmäßig Preise und vor allem ein innovatives Image beschert haben, aber nur einen kleinen Teil des Programms aus. Im Wesentlichen besteht das Angebot aus einer Vielzahl oller Kamellen: US-Serien aus den siebziger oder achtziger Jahren („Magnum“, „Drei Engel für Charlie“), alten Hollywoodfilmen, dazu Produktionen aus dem ZDF-Archiv („Soko Leipzig“, „Die Rettungsflieger“) oder Wiederholungen jüngeren Datums.

 

Über weite Strecken wirkt Neo wie ein Fernsehmuseum mit besonderem Schwerpunkt für ZDF-Recycling. Die Senderchefin Simone Emmelius sieht darin keinen Widerspruch zum Image als Innovationslokomotive des deutschen Fernsehens. Sie betrachtet Neo als Programm „für die Befindlichkeit der Altersgruppe 25 bis 49“. Zu diesem Zweck lasse man die Zielgruppe zu Wort kommen, indem man „ihren Mikrokosmos und ihre Konflikte abbildet“ und „ihre Themen in ernster wie auch heiterer Form aufgreift“.

Die angesprochene Zielgruppe hat das Angebot durchaus wohlwollend zur Kenntnis genommen. Der Quotenschnitt des Senders liegt 2014 bisher bei 0,9 Prozent. Das mag zunächst nicht sonderlich imposant klingen, doch die Altersgruppe zwischen 25 und 49 zählt zur diffizilsten überhaupt, weil das Fernsehen in diesem Lebensabschnitt eine eher untergeordnete Freizeitbeschäftigung ist; die Zuschauer von ARD und ZDF sind im Schnitt um die sechzig. Beim Gesamtpublikum erreichte Neo im September zum ersten Mal in seiner jungen Geschichte einen Monatsmarktanteil von 1,5 Prozent. Dass es nicht mehr sind, ist nicht zuletzt eine Frage des Geldes. Emmelius kann pro Jahr für Einkäufe und Auftragsproduktionen 30 Millionen Euro ausgeben.

Grimme-Preise gab es auch schon

Die Zahl der realisierten Konzepte ist trotzdem beeindruckend. In diesem Jahr wurden „Neo Magazin“ und „Sonneborn rettet die Welt“ mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, 2013 erhielt „Auf der Flucht“ den Deutschen Fernsehpreis. Emmelius, die vor zwei Jahren Nachfolgerin des jetzigen ZDF-Programmdirektors Norbert Himmler wurde, ist überzeugt, dass einige Neo-Formate das hiesige Fernsehen nicht bloß bereichert, sondern auch verändert hätten. So habe „Kessler ist . . .“ mit Michael Kessler „das Format Talk neu buchstabiert“ und „Neo Magazin“ mit Jan Böhmermann das Late-Night-Genre „um eine völlig neue crossmediale Variante bereichert“. Der Moderator Philip Simon („Nate Light mit Philip Simon“) sei ein ausgezeichnetes Beispiel, wie man die Entwicklung eines Talents vorantreibe.

Das Magazin „Bambule“ mit Sarah Kuttner hält Emmelius für „stilbildend und exemplarisch dafür, wie man die Befindlichkeiten der Zielgruppe aufgreift und auf moderne Weise mit Schnitt und Schrift umgeht“. Mit Presenter-Reportagen wie „Herr Eppert sucht . . .“ und „Wild Germany“ habe man „eine journalistische Handschrift entwickelt und den Grundstein für ein neues Genre, die Social Factuals, gelegt“. Von solchen Produktionen profitiere auch das Hauptprogramm, „weil das Knowhow, das wir uns bei der Entwicklung eines Formats erarbeitet haben, Teil der Unternehmenskompetenz wird“.

Ihr Vorgänger Himmler wollte, dass Neo auch zu einer Erhöhung der Experimentierfreudigkeit im fiktionalen Bereich beim ZDF beiträgt. Das wird wohl noch etwas dauern, denn der junge Sender musste in diesem Bereich erst einmal eigene Gehversuche machen. Die Kosten, sagt Emmelius, seien „eine echte Herausforderung“. Immerhin stand das diesjährige „TVLab“, eine Versuchsstrecke für neue TV-Formate, ganz im Zeichen der Fiction. Die Dokusoap-Parodie „Diese Kaminskis“ aus dem „TVLab“ 2013, im Frühjahr als Pilotversion schon wohlwollend beim Grimme-Preis diskutiert, geht am 5. November in Serie.

Die Senderchefin spricht vom klaren Programmprofil

Obwohl die ambitionierten Eigenproduktionen nicht recht zu TV-Klassikern wie „Raumschiff Enterprise“ passen wollen, widerspricht die promovierte Film- und Literaturwissenschaftlerin der Behauptung, sie leite einen Sender mit vielen Gesichtern. Neo stehe für ein „ambitioniertes, modernes Programmangebot“ und könnte ohne klares Profil gar nicht so erfolgreich sein. Zur Bestätigung verweist sie auf das Echo aus dem Netz, die Abfragen in den Mediatheken sowie die „ausgezeichnete Entwicklung der Marktanteile“.

Es liegt auf der Hand, dass es Schnittmengen mit dem geplanten Jugendkanal von ARD und ZDF (Zielgruppe 14 bis 29 Jahre) geben wird, aber diese Diskussion will Emmelius erst führen, wenn es so weit ist. Kaufserien wie „Orphan Black“ oder „Girls“ könnten sicherlich auch im Jugendkanal laufen, erst recht aber eine freche Auftragsproduktion wie das „Neo Magazin“. Produziert wird es von der Kölner Bildundtonfabrik, deren Geschäftsführer Philipp Käßbohrer die Kollegen bei Neo in höchsten Tönen lobt: „Die Zusammenarbeit ist sehr eng und kooperativ.“ Der erste Schritt zu einer engeren Zusammenarbeit von Neo und insofern auch von Bildundtonfabrik mit dem ZDF ist unterdessen gemacht: 2015 gibt es beim ZDF eine Zweitauswertung von „Neo Magazin“.