Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)
Hat man in den 80er Jahren in der Republik noch auf Stuttgart herabgeschaut? Man sagten, Stuttgart sei eine behäbige, provinzielle, langweilige, schwäbische Stadt – die typischen Klischees eben.
Ich habe das nicht so erlebt. Aber wissen Sie, in der Volleyball-Bundesliga habe ich ja eher kleinere Städte besucht, wie Münster, Schwerte, Vechta – oder Vilsbiburg. Für die Einwohner dort war Stuttgart dann schon eine große Stadt.
Wie muss man sich Ihr Leben in den 1980er Jahren vorstellen? Sie waren Volleyball-Profi, waren viel mit dem Verein und der Nationalmannschaft unterwegs, studierten nebenbei Grafikdesign in Stuttgart. Hatten Sie überhaupt noch Zeit für anderes?
So kannte man Renate Riek-Bauer – das Foto stammt etwa von 1988. Foto: Repro Lg/Rudel
Meine Sporttasche war tatsächlich immer gepackt. Wenn ich von einem Trainingslager oder von Wettkämpfen zurückkam und die Waschmaschine durch war, habe ich die Tasche sofort wieder gepackt. Auch in meinem Auto war immer alles, was ich brauchte. Mein erstes Auto – ein NSU Prinz – habe ich 1987 erworben. Da mein orangefarbener Prinz schon in die Jahre gekommen war, hatte er gewisse Marotten. . . Den Wagen habe ich später Michael Gaedt von der Kleinen Tierschau überlassen.
Zeit, um in Stuttgart auszugehen, hatten Sie also kaum?
Natürlich weniger als meine Freunde – aber ich war schon unterwegs. Ich liebe Kino, und ich bin sehr gerne in die Programmkinos in Stuttgart gegangen, also ins Kommunale Kino, in die Lupe oder ins Atelier. Dort wurden immer sehr interessante Filme gezeigt. Top-Filme aus dieser Zeit waren für mich: Down by law von Jim Jarmusch aus dem Jahr 1986, Killing fields über die Massentötungen in Kambodscha, ein Film, den ich fast nicht ertragen habe – ich habe mir aber auch gerne sentimentale Filme wie das Ehedrama Kramer gegen Kramer mit Dustin Hoffman und Meryl Streep angeschaut. Sehr erfrischend war auch die Fernsehserie Kir Royal, und, ganz wichtig: die starken Persiflagen von Monty Python. Aber unser Leitfilm der 1980er Jahre waren die Blues Brothers mit Dan Aykroyd und John Belushi. Das hat den Nerv unserer Generation getroffen.
John Travoltas Hochzeit als Tänzer war in den 1980er Jahren schon vorbei – gingen die Menschen dennoch in die Disko?
Klar, wir gingen zum Beispiel ins Musicland in der Reinsburgstraße, ins Maxim, ins Litfaß oder ins AT. Die Stuttgarter kennen das AT, das war legendär.
Welche Musik haben Sie gehört?
Ich hatte einen sehr vielfältigen Geschmack, ich mochte Punk, David Bowie, U 2 und B 52. Ich hörte aber auch Fleedwood Mac und Supertramp. Aber auch die Neue Deutsche Welle mit Ideal, Spider Murphy Band oder Spliff gefiel mir gut. Mein absoluter Favorit der 1980er Jahre sind aber die Talking Heads mit David Byrne. Gemeinsam mit Brian Eno entstand damals eine sehr spannungsvolle und rhythmische Musik.
War das Perkins Park auch schon in?
Klar, aber dort lief eher Mainstream. Die erste Meisterschaft mit dem CJD Feuerbach 1989 haben wir dort ausgiebig in einem kleineren angemieteten Teil der Diskothek gefeiert. Sehr beliebt war damals der MTV-Fasching oben am Kräherwald. Da hat sich ganz Stuttgart getroffen. Zwei, drei Tage lang war das Vereinsgelände im Ausnahmezustand. Meine originellste Verkleidung: Ich bin als Volleyballspielerin hin; mich hat keiner erkannt. Legendär aber war das Sommerfest der Akademie der Bildenden Künste am Killesberg. Das von den Studenten inszenierte Fest mit künstlerischen Installationen und toller Musik war ein Publikumsmagnet. Das Gelände musste deshalb regelmäßig abgesperrt werden.