Das nach einem Tornado verwüstete Zeltlager bei Aalen lenkt den Blick auf die Sicherheit von Zeltfreizeiten. Stürme haben diesen August bereits fünf Jugendzeltlager im Land ganz oder teilweise zerstört. Klar ist: Die Veranstalter sind gefordert.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Aalen - Das Waschhaus des Campingplatzes Hammerschmiede ist am Montag die Zuflucht erschreckter Kinder und Betreuer gewesen. Minutenlang seien Zeltstangen wie Geschosse durch die Luft geflogen, erzählte nach dem Wetterunglück in der Nähe von Aalen der Campingplatzbesitzer Joachim Hug. Als der Tornado am Mittag abzog, waren von 100 Kindern und Betreuern, die sich hier zur Zeltfreizeit getroffen hatten, 27 teilweise schwer verletzt, davon 16 Kinder.

 

Es handelt sich um das vorläufig letzte von bereits fünf ähnlichen Unglücken, die Baden-Württemberg diesen August getroffen haben. In keinem anderen Bundesland haben in diesem Zeitraum Stürme ähnliche Folgen hinterlassen. Am 4. August, einem Sonntag, gab es bei einem Sturm in Sigmaringen 38 Verletzte. Der Großteil der rund 2000 katholischen St. Georgs- Pfadfinder und deren Besucher hatte sich in eine Kaserne flüchten müssen.

Aufgeregte Debatten im Internet

Nun wird erregt unter Eltern debattiert, ob Kinder noch sorglos in die Zeltfreizeit geschickt werden können. Im Internetforum „Rabeneltern“ zum Beispiel wird jedes bundesweite Vorkommnis aufmerksam registriert, auch ein Blitzeinschlag in diesem Sommer auf einem Campingplatz im brandenburgischen Lübbenau, der 20 Kinder im Alter von drei bis 15 Jahren gefährdete. Sie würde ihr Kind nicht mehr in so ein Lager lassen, schreibt eine Userin – und bekommt unter anderem die lakonische Antwort: „Sorry, aber zu meiner Jugendzeit war schon Zelten bei Gewitter gefährlich.“

Die Gewitter der Neuzeit sind allerdings von anderer Qualität wie noch vor Jahrzehnten, das weiß man auch beim Landesfeuerwehrverband. Dessen Präsident Frank Knödler sagt, die Schäden durch Sturm, Regen und Hagel hätten in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Mit Blick auf die Veranstalter sagt Knödler: „Wenn man ein Zeltlager macht, muss man die Naturgewalten im Auge haben.“ Großzelte mit festen Bodenplatten seien teuerer, wirkten aber stabilisierend bei Sturm. Die Veranstalter müssten sich „ihre Ausrüstung genauer anschauen“. Nicht zuletzt sei es wichtig „zu gucken, wo man das Zeltlager strategisch aufstellt“. Die Fachpublikation „Outdoor-Magazin“ empfiehlt in einer Checkliste „leicht hügeliges, baum- oder buschdurchsetztes Gelände“, festen und trockenen Boden für die Heringe sowie das sorgfältige Abspannen und Verzurren von Außenzeltplanen und Sturmleinen.

Keine Kontrolle durch Behörden

Mehr als eine Selbstverpflichtung, sich mit Wetterwarnungen zu beschäftigen, die Ausrüstungsgegenstände sicher zu verstauen, veraltetes Material auszusortieren und Rückzugspläne für den Gefahrenfall zu erarbeiten gibt es für Organisatoren von Zeltfreizeit-Veranstaltungen bisher nicht. „Für ein Zeltlager muss man keine rechtliche Genehmigung einholen“, sagt ein Sprecher des Regierungspräsidiums Stuttgart. Nur gewerbliche Campingplatzbetreiber sind Auflagen unterworfen.

Nach Ansicht der Polizei Aalen hatten sich die Betreuer der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde Böbingen/Rems, die für das Zeltlager von Abtsgmünd verantwortlich waren, vorbildlich vorbereitet. Der Tornado vom Montag, sagt ein Polizeisprecher, hätte sonst noch schlimmere Folgen haben können. „Die hatten vollständige Personenlisten, auf die wir im Einsatz aufbauen konnten. Das ist jedem Veranstalter nur zu raten.“ Zudem seien alle Kinder „unglaublich diszipliniert“ gewesen. „Das hat allen eingesetzten Kräften sehr geholfen“, lobt die Polizei.

Listen erstellen, Telefonnummern sammeln

Über den Ernstfall eines Sturms reden, ohne Kindern den Spaß an ihrer Freizeit zu nehmen, das rät die Aalener Polizei allen Veranstaltern. Folgende Fragen sollten vorab beantwortet werden: Wo ist das nächste Krankenhaus? Wo der nächste Notarzt? In Abtsgmünd war am Montag teilweise die Netzverbindung zur Notrufzentrale unterbrochen. „Unter Umständen muss ich jemanden ins Auto packen und selber fahren“, sagt der Polizeisprecher. Er glaubt nicht, dass der Einsatz vom Montag der letzte dieser Art gewesen ist.