Der Herrenberger CDU-Stadtverband mischt sichin die Debatte über die Flüchtlingskrise ein – mit einer eigenen Erklärung und einer Diskussionsrunde. Swen Menzel findet, dass bei dem Thema noch viele Fragen geklärt werden müssen.

Herrenberg - Die CDU stellt sich in Herrenberg Fragen zur Flüchtlingskrise. Der Stadtverband hat am Freitag, 6. November, Abgeordnete von allen Ebenen auf einem Podium versammelt. „Wir schaffen das?“ lautet der Titel der Veranstaltung. Kritik an Angela Merkel soll damit aber nicht geübt werden, stellt Swen Menzel klar. Der Vorsitzende des Stadtverbands will Antworten liefern – auch angesichts der anstehenden Landtagswahl.
Herr Menzel, betreibt die Herrenberger CDU Schadensbegrenzung?
Schadensbegrenzung würde ich es nicht nennen. Wir verstehen uns als Kümmerer. Viele Leute haben uns angesprochen. Es gibt viele Fragen. Und unser Ansatz ist es, zu informieren.
Was für Fragen?
Können wir das bezahlen? Können wir es leisten? Was mache ich, wenn der Schulsport ausfällt? Wird es irgendwann keine Kindergartenplätze mehr geben? Darf es sein, dass wir von vielen Menschen, die jetzt im Land sind, die Identität gar nicht kennen? Es sind im Grund die Fragen, um die es auch in der großen Politik geht.
Löst die mögliche Einrichtung einer Landeserstaufnahmestelle (Lea) in Herrenberg noch mehr Unsicherheit aus?
Das ist mit Sicherheit so. Die mögliche Lea wirft Fragen auf – und man bekommt keine Antworten. Dass sich die Verhandlungen im Detail schwierig gestalten, ist in Ordnung. Aber die möglichen Rahmenbedingungen für eine Lea in Herrenberg könnten dennoch thematisiert werden. Dass zum Beispiel die Zahl der dort untergebrachten Menschen auf 1000 gedeckelt wird, wie alle Gemeinderatsfraktionen in ihrer Erklärung eingefordert haben. Ohne parteipolitische Kritik: aber von der grün-roten Landesregierung kommt da zu wenig.
Man könnte andererseits pauschal parteipolitisch sagen: Schuld an der ganzen Sache ist Angela Merkel.
Gut, das wäre auch ein bisschen einfach. Und es ist nicht richtig. Ich würde Angela Merkel nicht absprechen, dass sie alles versucht, um das Problem zu lösen. Es ist sehr weitreichend, nicht nur Herrenberg, die Landesregierung oder Frau Merkel haben das Problem. Die weltpolitischen Verwerfungen und Kriegszustände sind die Ursache dafür. Allein wegen unserer Werte und der christlichen Prägung ist klar, dass auch die Europäische Union helfen muss. Man kann wirklich nicht sagen, dass jemand Bestimmtes das Problem verursacht hat.
Frau Merkel hat aber eine große Aufnahmebereitschaft für die Flüchtlinge signalisiert. Ist es für die Parteibasis der CDU merkwürdig, plötzlich diese Vorreiterrolle zu haben?
Das sehe ich nicht so. Das C gehört nicht nur zum Spaß zu unserem Parteinamen. Bei allen demokratischen Parteien in Deutschland herrscht Konsens, dass man Menschen in Not helfen muss. Die Frage ist nur, in welcher Form. Ob ich zusätzlich noch alle ins Land lasse, die kein Asylrecht haben. Ob ich die, die ich ausweisen müsste, nicht konsequent ausweise. Bei diesen Fragen gibt es einen starken Unterschied zwischen der CDU, der SPD und den Grünen. Aus meiner Sicht unterscheidet sich die CDU auch in der Frage, ob alle Flüchtlinge integrierbar sind. Dass die Menschen schutzbedürftig sind, spricht ihnen keiner ab. Dass sich durch die Flüchtlinge unser Land verändern muss oder unser Fachkräftemangel gelöst wird, sehe ich nicht so. Diese Behauptung halte ich für naiv.
Als Überschrift über Ihre Veranstaltung haben Sie den Satz von Angela Merkel gewählt – aber mit einem Fragezeichen versehen. Hegen Sie Zweifel daran, dass wir die Flüchtlingskrise schaffen?
Ich fand die Aussage von ihr sehr prägnant. Es ist schon beabsichtigt, sie zu hinterfragen – und Argumente auszutauschen. Dass man Fragen stellt, verschiedene Meinungen hat und um Antworten ringt, gehört zur Politik dazu. Das bedeutet nicht, dass man zerstritten ist. Es sagt ja keiner, dass es eine Patentlösung gibt.
Rechnen Sie bei Ihrer Veranstaltung mit Lautsprechern aus der rechten Ecke?
Es gibt wohl herumreisende Republikaner- oder NPD-Mitglieder, die bei solchen Veranstaltungen auftauchen. Wir warten ab, was passiert. Wir sind ein freies Land. So lange die Meinungen nicht grundrechtsverletzend sind, hören wir sie uns an. Die Flüchtlingskrise ist ein sensibles Thema. Allerdings wurde ich auch schon gefragt, ob die Politik die Menschen für blöd hält. Wenn man so tut, als ob es nirgends Probleme wegen der Flüchtlinge gibt, spielt dies nur rechten Parteien, auch der AfD, in die Hände.
Wird die CDU ihre Flüchtlingspolitik bei der Landtagswahl im März zu spüren bekommen – und wieder eine rechte Partei in den Landtag einziehen?
Die Gefahr sehe ich. Die AfD transportiert die Stimmungen sehr einseitig. Ich habe von der Partei aber noch keinen sachlichen, umsetzbaren Lösungsvorschlag gesehen. Ich hoffe, dass man die Wähler sachlich ansprechen kann. Wir müssen Antworten geben. Die CDU muss sagen, für was sie steht.
Hat Ihr CDU-Stadtverband deshalb eine Erklärung zur Asyl- und Flüchtlingspolitik verfasst?
Wir wollen uns in die Debatte einbringen und die Bürger ansprechen. Die Menschen in Herrenberg treibt nicht nur die Angst um, dass ihnen beim Einkaufen der Geldbeutel geklaut werden könnte. Der Bürger in Herrenberg denkt ja auch weiter und fragt sich generell, wie wir mit den Flüchtlingsströmen umgehen sollen. Ich finde es basisdemokratisch und positiv, wenn sich ein Stadtverband zu einem Thema äußert.