Die Zeit zwischen den Jahren gilt als besonders magisch, allerlei Geister sollen in den Nächten unterwegs sein: Was hat es mit den Raunächten auf sich? Ein Überblick.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Die Zeit um Heiligabend und zwischen den Jahren ist nicht nur eine friedliche und besinnliche, sie gilt auch als besonders mystisch. Den Raunächten oder Rauhnächten – die Schreibweise hängt von der Region ab – wird seit Jahrhunderten von Gläubigen und spirituellen Menschen eine besondere Rolle beigemessen.

 

Was macht die Raunächte besonders?

Um die Tage ranken sich viele Mythen und Volksglauben. Beispielsweise sollen in den Nächten Dämonen und Geister unterwegs sein, auch soll es vorkommen, dass Tiere anfangen zu sprechen. Sicher ist: die Raunächte sind ein uralter, vorchristlicher Brauch und haben viel mit Aberglaube zu tun. Angeblich soll das wilde Heer des Göttervaters Odin durch die Luft rauschen und dabei jeden mitreißen, der ihm begegnet. Also ziehen in manchen Gebieten noch heute allerhand als Hexen und Dämonen Verkleidete umher, um das Heer zu vertreiben. Außerdem sollte man in dieser Zeit keine Türen zuschlagen, sonst muss man im nächsten Jahr mit viel Blitz und Donner rechnen.

Um die „Dämonen“ zu vertreiben, wurden einst zum Beispiel Ställe ausgeräuchert: „Wo Weihrauch ist, können sich die Geister nicht aufhalten“, sagt der Theologe und Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti. Die Tradition zu räuchern, hat sich bis heute gehalten.

Warum gibt es die Raunächte überhaupt?

Wahrscheinlich gehen die Raunächte auf den Unterschied zwischen Mond- und Sonnenkalender zurück. Ein Mondjahr ist mit 354 Tagen kürzer als das Sonnenjahr, es bleiben elf Tage beziehungsweise zwölf Nächte ‚übrig’ – die Raunächte. Daher stammt auch der Begriff „zwischen den Jahren“.

Ein Grund für die spezielle Bedeutung dürfte auch sein, dass diese Nächte besonders lang sind und in Zeiten, in denen es noch kein elektrisches Licht gab, als besonders bedrückend empfunden wurden.

Neben dem Räuchern beziehungsweise dem Weihrauch als Wortherkunft – ursprünglich war auch der Begriff „Rauchnacht“ üblich – gibt es noch eine weitere etymologische Erklärung: Die Bezeichnung könnte auf das mittelhochdeutsche Wort rûch („haarig“) zurückgehen und sich damit beispielsweise auf die felltragenden Dämonen beziehen. Möglich ist auch eine Verknüpfung mit rund um Nutztiere.

Wann beginnen die Raunächte – und wie lange dauern sie?

Das ist abhängig von der Region. In der Regel umfassen die Raunächte zwölf Nächte ab Weihnachten (25. Dezember) bis zum 6. Januar; es handelt sich also um die letzten sechs Nächte des alten Jahres und die ersten sechs des neuen Jahres.

In manchen Gegenden wird die Thomasnacht vom 20. auf den 21. Dezember, die längste Nacht des Jahres, zu den Raunächten gezählt. Als besonders wichtig gelten zudem die Nacht vom 24. auf den 25. Dezember, die Silvesternacht am 31. Dezember und die Nacht vor dem Dreikönigstag (6. Dezember).

Welche Bräuche gibt es rund um die Raunächte?

Das Brauchtum unterscheidet sich je nach Region. In manchen Gegenden gilt es als verpönt, zwischen den Jahren Türen zuzuschlagen. Wer es doch tut, muss im nächsten Jahr mit viel Blitz und Donner rechnen, so der Aberglaube.

Im Alpenraum sind sogenannte Perchtenläufe üblich. Sie gehen auf den Glauben zurück, dass in den Raunächten Dämonen Umzüge veranstalten können und sich Menschen, die mit dem Teufel am Werk sind, in Werwölfe verwandeln. Angeblich sind die Raunächte auch besonders geeignet um Orakel zu befragen und Träume zu deuten.

Welche Bedeutung haben die Raunächte in der aktuellen Zeit?

Immer mehr Menschen entdeckten die Raunächte für sich, hat die Religionshistorikerin Claudia Jetter beobachtet. Sie ist Expertin für den Lebenshilfemarkt bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin. „Es gibt da Angebote aus ganz verschiedenen Richtungen“, erläutert sie. „Klassisch esoterisch ist etwa das Kartenlegen, um in das neue Jahr zu schauen. Neuheidnische Gruppen arbeiten viel mit Räucherwerk.“

Allein unter der alten Schreibweise #rauhnächte mit „h“ gebe es bei Instagram knapp 100 000 Posts, sagt sie. Die Astrologie greife das Thema ebenso auf wie spirituelle Coaches. „Viele Menschen sind nicht mehr bereit, sich regelmäßig in religiösen oder spirituellen Gemeinschaften zu engagieren“, erläutert Jetter. „Es gibt aber eine hohe Bereitschaft, sich eine Zeit lang zu bestimmten Events spirituellen Praktiken zuzuwenden. Da passt ein solches Datum gut herein.“

Die Psychologin Tanja Köhler aus Denkingen bei Tuttlingen hat ein Buch zu den Raunächten geschrieben und gehört zu denjenigen,die Online-Kurse anbieten – „ganz ohne Esoterik“, wie sie versichert. „Der Zulauf ist gigantisch – kontinuierlich über die letzten Jahre – mit riesigen Sprüngen im letzten, aber auch in diesem Jahr“, sagt sie. Die Teilnehmenden suchten Orientierung und Neujustierung in einer Welt, „die immer schneller, höher, weiter und komplexer wird“. Dabei helfe es ihnen, sich an zwölf Tagen hintereinander mit sich selbst, den eigenen Werten und ihrem Leben zu beschäftigen, um gestärkt ins neue Jahr zu gehen,erläutert die Psychologin.