Der organisierte Pazifismus stand unter Bolschewismusverdacht.
Dieses Argument war schon 1918/19 von Rechts relativ erfolgreich genutzt worden, und Adenauer hat dies nach 1949 wiederbelebt und alle Gegner seiner Wiederbewaffnung als fünfte Kolonne Moskaus gebrandmarkt. Es hat damals mehr als 100 000 gerichtliche Verfolgungen von Gegnern der Wiederbewaffnung gegeben, obwohl die bei Weitem nicht alle Kommunisten waren.
Es gab keine Unterwanderung?
Es gab in der Friedensbewegung immer auch Kommunisten. Darunter waren Idealisten, aber auch solche, die zwischen guten östlichen und bösen westlichen Raketen unterschieden haben . Das hat der Organisation massiv geschadet. 1989 kam noch heraus, dass einzelne Landesverbände der DFG sogar Geld von der DKP angenommen hatten. Das führte fast zur Spaltung.
In den Jahren davor war der Pazifismus zur Massenbewegung geworden.
Der Kampf gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in den 80er Jahren ist eine Zäsur. Menschen aus allen Berufsgruppen engagierten sich. Die Sicherheitspolitik, die ja eigentlich eine Unsicherheitspolitik war, wurde breit diskutiert. Es gab viel Kompetenz in der Bevölkerung. Auch damals war nach allen Umfragen eine Mehrheit aufseiten der Nachrüstungsgegner. Spätestens seit dieser Zeit kann man davon sprechen, dass aus der militarisierten deutschen Gesellschaft eine friedliebende geworden ist. Erst jetzt ist die Gefahr groß geworden, dass es wieder in eine andere Richtung laufen könnte.
Sie erkennen in der deutschen Innenpolitik einen neuen Hang zum Militarismus?
Ich denke, dass die alte Vokabel Militarismus nicht mehr zieht. Die Populisten fordern ja keine massive konventionelle Aufrüstung und wollen nicht den Militarismus des 19. Jahrhunderts wieder beleben, aber sie knüpfen an die Tradition völkischer Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts an. Wenn in einer Partei wie der AfD der Gedanke geäußert werden kann, dass man auf Flüchtlinge notfalls schießt, dann zeigt das ein Gewaltverständnis, das mit Demokratie nicht zu vereinbaren ist. Denn Demokratie heißt ja gewaltfreie Konfliktaustragung.
Dann ist nach 1990 nichts besser geworden?
Doch. Durch das Ende der großen Konfrontation zwischen Ost und West hat sich die Gefahr eines Atomkriegs stark verringert. Die Wehrpflicht wurde abgeschafft. Der DFG ist damit sogar ein wichtiges Betätigungsfeld, die Begleitung von Kriegsdienstverweigerern, abhanden gekommen. Im Zentrum pazifistischer Kritik steht ja nicht mehr das eigentliche Militär. Heute geht es vor allem um die Waffenexporte und die Auslandseinsätze. Überall dort, wo man nach 1990 militärisch eingegriffen hat, war das Resultat eher katastrophal.