Dem blamablen Pokalauftritt des VfB Stuttgart gegen den FC Bayern München folgt ein beeindruckender 5:0-Sieg über Hertha BSC. Warum?  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Der VfB-Trainer Bruno Labbadia sagt: "Die Spieler wurden von mir zuletzt hart angepackt, gerade Martin Harnik hat einen Tritt gebraucht." Der VfB-Spieler Martin Harnik sagt: "Der Trainer hat in den letzten Tagen viel Ruhe ausgestrahlt, was sicher nicht leicht war." Ja, was denn nun: Tritt oder Ruhe? So widersprüchlich wie die Stuttgarter Aussagen nach dem 5:0 des VfB gegen Hertha BSC sind auch die Leistungen auf dem Platz. Der 0:2-Bankrotterklärung gegen die Bayern folgt gerade einmal drei Tage später ein glanzvoller Bundesligaauftritt. Diese Leistungssteigerung ist einfach viel zu groß, um sie allein damit zu erklären, dass die Bayern stark, Hertha schwach und nach der Rote Karte für Andreas Ottl früh dezimiert gewesen ist. Das steckt mehr dahinter. Aber was?

 

Stuttgart - Die Stuttgarter Spieler scheinen immer erst dann an ihre Leistungsgrenze zu gehen, wenn es richtig ungemütlich zu werden droht. Ein weiterer Auftritt im Pokalstil hätte sich der Manager Fredi Bobic wohl nicht bieten lassen. Es hätte vermutlich Konsequenzen gegeben. Und von der Spielersuspendierung aufwärts wäre auch alles denkbar gewesen. Dieses In-letzter-Minute-noch-einmal-die-Kurve-Kriegen wird zum Langzeitphänomen beim VfB. So wurde schon in der vergangenen Saison dieerste von diversen Krisen mit einem 7:0-Sieg gegen Mönchengladbach beseitigt und später nur mit einem Kraftakt gerade noch so der Abstieg vermieden.

Martin Harnik war der auffälligste Akteur

Und immer, wenn alle gedacht hatten, dass dem VfB nun bessere Zeiten ins Haus stehen, kam der nächste Dämpfer. Bei anderen Mannschaften könnte man nach einem 5:0 getrost von einem Befreiungsschlag sprechen, beim VfB nicht.

Das Spiel gegen Hertha taugt auch noch lange nicht dazu, daraus eine Stuttgarter Trendwende abzulesen. Es sind lediglich kleine Hinweise, die am Samstag geliefert wurden. So scheint das von Bruno Labbadia wieder eingeführte Spielsystem mit drei offensiven Mittelfeldspielern und nur einem Stürmer erfolgversprechender zu sein als die Variante mit zwei Angreifern. Zum Leidwesen von Cacau, der in dieser Aufstellung das alleinige Spielrecht an den Neuzugang Vedad Ibisevic verloren hat. Und eben Ibisevic deutete gegen Hertha an, dass er tatsächlich eine Verstärkung für den VfB werden kann. Das 1:0 erzielte der ehemalige Hoffenheimer selbst - allerdings unter dem Verdacht des gefährlichen Spiels. Das 2:0 legte er Harnik dann aber ohne jegliche Beanstandung auf.

Apropos Harnik. Wenn es denn einmal so etwas wie einen Tendenz beim VfB gibt, dann ist der österreichische Nationalspieler ihr Indikator. Im Spiel gegen die Hertha erzielte er gleich drei Tore und war damit natürlich der auffälligste Akteur. Zuvor hatte er "die Delle", wie Bruno Labbadia eine Formkrise nennt, die Harnik zwischenzeitlich wieder zum Einwechselspieler gemacht hatte. In die Saison war Harnik stark gestartet, brachte aber in der Folgezeit keine Konstanz in seine Leistungen - entsprechend der gesamten Mannschaft. So lautet die VfB-These: Harnik gut, alles gut. Die könnte allerdings schon kommenden Sonntag in Hannover widerlegt werden.

Harnik: "Wir dürfen Hertha-Spiel nicht zu hoch hängen"

So unstet, wie sich der VfB in dieser Saison auch präsentiert, mit nunmehr 26 Punkten dürfte die Mannschaft mit dem Abstieg eigentlich nichts mehr zu tun haben. Zu deutlich trat am Samstag der Leistungsunterschied gegenüber der Hertha zu Tage. Eigentlich. Sicher ist sich da selbst Bruno Labbadia nicht. "Das kann ich Ihnen nicht sagen", so beantwortet der Trainer die Frage, ob er es für möglich hält, dass seine Mannschaft in dieser Saison noch einmal ganz unten reinrutscht.

Und so ist aus dem VfB, dem Verein für Bewegungsspiele, der VfR, ein Verein für Rätselspiele, geworden. Wobei das "R" durchaus auch für den neuen Realitätssinn stehen kann. "Wir dürfen das Hertha-Spiel nicht zu hoch hängen", sagt Martin Harnik: "Was dieser Sieg wert ist, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen."

VfB gegen Hertha

VfB Stuttgart: Ulreich - Boulahrouz (83. Kuzmanovic), Tasci, Niedermeier, Sakai - Kvist, Gentner (66. Schieber) - Harnik (73. Cacau), Hajnal, Okazaki - Ibisevic.

Hertha BSC: Kraft - Morales (46. Janker), Hubnik, Mijatovic, Kobiaschwili - Ottl, Niemeyer - Ebert, Raffael, Bastians - Lasogga (69. Djuricin).

Schiedsrichter: Aytekin (Oberasbach).

Zuschauer: 45.000.

Tore: 1:0 Ibisevic (24.), 2:0 Harnik (28.), 3:0 Okazaki (32.), 4:0 Harnik (41.), 5:0 Harnik (58.).

Rote Karte: Ottl (30./grobes Foulspiel).