Bei Audi dreht sich erneut das Personalkarussell. Entwicklungschef Stefan Knirsch muss gehen. Er wurde ein Opfer des Abgasskandals von VW.

München - Lange hatte es so ausgesehen, als wäre die vor Jahresfrist losgetretene VW-Abgasaffäre vor allem eine des Wolfsburger Mutterkonzerns und nicht eine seiner Premiumtochter Audi. Nun stecken die Ingolstädter aber endgültig mitten drin im Schlamassel. Mit Stefan Knirsch nimmt jetzt ausgerechnet der Audi-Entwicklungschef seinen Hut, weil er internen Konzernermittlern Wissen über die Manipulation von Dieselmotoren vorenthalten haben soll. Derzeit werden die Formalitäten seiner Ablösung verhandelt. Damit wird die Schlüsselposition schlechthin vakant, die technisch eine Aufarbeitung der Affäre gewährleisten sollte. Offiziell schweigt Audi noch zum Abgang, auch weil der Konzern von der Entwicklung kalt erwischt wurde und noch kein Nachfolger präsentieren kann. Knirsch habe derzeit Urlaub genommen, um nicht beurlaubt zu werden, heißt es im Umfeld des Managers. Sein Ausscheiden sei noch nicht formal vollzogen aber beschlossene Sache. Ein Urheber der Abgasmanipulation an Drei-Liter-Dieselmotoren, die Audi auch für Porsche und VW entwickelt hat, kann der Geschasste nach Lage der Dinge allerdings nicht sein. In der Zeit, als das geschehen ist, war der 50-jährige nicht bei Audi. Zwar hatte Knirsch seine berufliche Laufbahn 1990 bei Audi in Neckarsulm begonnen, 1996 wechselte er jedoch zu Porsche und wurde dann Chef des Zulieferers Pierburg. Die Leitung der Motorenentwicklung von Audi in Ingolstadt hat der Manager erst im Mai 2013 übernommen, als die Betrügereien längst am Laufen waren. Davon Kenntnis erhalten, hat er aber früher als bisher zugegeben und nicht nur aus der Presse wie bislang behauptet, will die US-Anwaltskanzlei Jones Day herausgefunden haben, die bei VW mit der juristischen Aufarbeitung der Abgasaffäre beschäftigt ist. E-Mails sollen das beweisen und damit ist der Hoffnungsträger auf dem Sitz des Entwicklungsvorstands nicht mehr zu halten.

 

Ernsthaftes Problem

Audi hat damit ein ernsthaftes Problem. Denn die Ingolstädter haben sich mit den US-Behörden im Gegensatz zu VW und deren Zwei-Liter-Dieselmotoren immer noch nicht über Rückrufpläne für die in Ingolstadt entwickelten größeren Drei-Liter-Aggregate geeinigt, die ebenfalls mit einer Betrugssoftware ausgestattet waren. Das birgt auch finanziell noch eine große Unbekannte. Je nachdem wie eine künftige Einigungslinie aussieht, könnte sie auch bei Audi namhafte Rückstellungen auslösen. Bislang hat die Affäre Audi mit 228 Millionen Euro im Vergleich zu den Milliarden-Rückstellungen der Konzernmutter eine relativ überschaubare Summe gekostet. Die Umrüstung der Drei-Liter-Motoren für den Premiumbauer einigermaßen schonend zu bewältigen, ist vordringlichste Aufgabe des Entwicklungsvorstands.

Den muss Audi nun erneut suchen. Denn Knirschs Abgang ist nicht der erste in dieser Position in jüngster Vergangenheit. Mit Michael Dick, Wolfgang Dürheimer, Ulrich Hackenberg und nun Knirsch sind bei Audi zuletzt kurz nacheinander vier Entwicklungschefs in ebenso vielen Jahren von Bord gegangen. Die ersten beiden sind am früheren Schattenherrscher Ferdinand Piech und Widerständen der Belegschaft gescheitert, die letzten beiden sind Opfer der Abgasaffäre geworden. Einen solchen Verschleiß an Führungspersonal haben sonst eigentlich nur vom Abstieg bedrohte Fußballvereine, die in der Krise einen Trainer nach dem anderen entlassen.

Kein frisches Blut von außen

Das Personalkarussell wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die Taktik von VW, die Krise mit bestehendem Führungspersonal aus den eigenen Reihen lösen und nicht auf frisches Blut von außen zurückgreifen zu wollen. So hatte beispielsweise der Münchner Siemens-Konzern bei seiner Bestechungsaffäre mit Peter Löscher einen konzernfremden Konzernchef angeheuert und war damit vor allem gegenüber US-Behörden gut gefahren. VW verweigert sich personell bislang solchen Zugeständnissen konsequent. Auch so dürfte die Suche nach einem neuen Entwicklungschef keine einfache sein, denn die Pferde müssen nun praktisch mitten im Galopp auf extrem holprigem Gelände gewechselt werden. In dieser Situation gibt es keine Einarbeitungszeit, was sehr für eine interne Lösung spricht. Andererseits kann eine interne Lösung auch Risiken bergen, wie das Beispiel Knirschs vor Augen führt. Die Stimmung im Personal hat dem Vernehmen nach jedenfalls nun einen Tiefpunkt erreicht.