Mitglieder des Landtags von Baden-Württemberg haben selbstgewählte Bibelzitate interpretiert und in einer Abgeordnentenbibel gesammelt. Die Beteiligung innerhalb der Fraktionen ist dabei ganz unterschiedlich.

Stuttgart - Abgeordnete sind nur ihrem Gewissen unterworfen. Doch was prägt das Gewissen? Die Gewissensfrage und die Frage nach dem gemeinsamen Wertegerüst stellten sich 90 Volksvertreter einschließlich des Innenministers Thomas Strobl, der kein Landtagsabgeordneter ist. Sie haben sich Gedanken gemacht über Gott und die Welt und mit ihren Erkenntnissen eine Abgeordnetenbibel bestückt, die die Landtagspräsidentin Aras am Mittwoch vorgestellt hat.

 

Beliebte Klassiker

Sie haben Bibelstellen, oder, als Tribut an das Reformationsjubiläum, Lutherzitate ausgewählt und ihre Interpretationen zu Papier gebracht. Gerne genommen wurden Klassiker, wie das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, der Lutherspruch, „wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen“ oder auch der Psalm „Der Herr ist mein Hirte.“

Manche wählten Bibelstellen, die eng mit ihrer politischen Aufgabe zu tun haben. Andere lassen ihrer philosophischen Ader Raum. Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der Katholik, der gerne ins Grundsätzliche geht, hat ein Lutherzitat gewählt: „Nur, wer sich entscheidet, existiert“.

Persönliche und politische Motive

Der Landtagsvizepräsident Wilfried Klenk (CDU) erklärt, der Vers aus dem Markusevangelium „mit welchem Maß ihr messt, wird man euch wieder messen“, gefalle ihm besonders gut. Mehr ins Persönliche geht dagegen der AfD-Abgeordnete Heinrich Fiechtner. Er fühlt sich von den Worten Hiobs geprägt,„ist meine Haut noch so zerschlagen .... so werde ich doch Gott sehen“. Hans-Ulrich Rülke, der FDP-Fraktionschef seinerseits besinnt sich auf „das Wort als das wichtigste Instrument in der Politik“ und hat Jakobus gewählt „...Es sei aber euer Ja ein Ja und euer Nein ein Nein...“

Nils Schmid (SPD), der eingesteht, dass er als Kind gerne Pfarrer geworden wäre, beschäftigt sich mit der Frage, was Christen Gott und was der weltlichen Herrschaft schulden. Er legt das Zitat aus „Ehrt jedermann,...fürchtet Gott, ehrt den König“.

Der Mensch hinter dem Funktionsträger

„Wer die Abgeordnetenbibel liest, kommt den Menschen hinter den politischen Funktionsträgern näher“, findet die Landtagspräsidentin Muhterem Aras. Die Interpretationen zeigten, „was sie bewegt, was ihnen besonders wichtig ist, wie das Wertefundament beschaffen ist, auf dem sie handeln.“ Außerdem rege die Bibel dazu an, „ stets neu nach den Werten und Normen zu fragen, die uns prägen“.

Für Andreas Stoch, den Fraktionschef der SPD ist das Projekt, das es in Baden-Württemberg 2012 zum ersten Mal gab, hilfreich für die Parlamentarier. „Abgeordnete stehen oft vor schwierigen Gewissensentscheidungen. Sie müssen sich ihres Wertegerüsts versichern“. Hans-Ulrich Rülke (FDP) betrachtet die Abgeordnetenbibel als einen „schönen Beitrag, im politischen Alltag zur Besinnung zu kommen und an den kulturellen Konsens zu erinnern“.

Wolfgang Reinhart (CDU) betont die Bedeutung eines tragfähigen Fundaments und erinnert daran, dass das christliche Menschenbild der Leitgedanke gerade seiner Fraktion sei. Andreas Schwarz (Grüne) findet es interessant, wie sich seine Kollegen in unterschiedlicher Weise dem Thema nähern. Die Motive mitzumachen, waren Schwarz zufolge höchst individuell, doch hätten alle Teilnehmer die Möglichkeit genutzt, „sich fernab vom Alltagsgeschäft mit religiösen Gedanken reflexiv beschäftigen“.

Nachdenkliche Opposition

Als besonders nachdenklich erweisen sich die Abgeordneten von SPD und FDP. Von 19 SPD-Abgeordneten äußern sich 17, von zwölf Liberalen sind neun dabei. Bei der CDU haben sich mehr als drei Viertel der Abgeordneten mit der Auslegung beschäftigt (33 von 42 ). Bei den Grünen waren es 26 von 47. Von den 23 Abgeordneten der AfD fühlten sich nur vier berufen.

Noch ist die Abgeordnetenbibel ein baden-württembergisches Unikat. Doch der Herausgeber Hanno Gerwin aus Karlsruhe hat vor, die Idee auch in Bayern und in Rheinland-Pfalz zu verbreiten.