- Sein Vater sei für ihn kein Held gewesen, sagt Alfred von Hofacker. Andernfalls hätte er Probleme mit diesem Erbe. Der Vater, das war der in Ludwigsburg geborene Cäsar von Hofacker, der zum Kreis der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 gehörte.

Hemmingen - Sein Vater sei für ihn kein Held gewesen, sagt Alfred von Hofacker. Andernfalls hätte er Probleme mit diesem Erbe. Der Vater, das war der in Ludwigsburg geborene Cäsar von Hofacker, der zum Kreis der Widerstandskämpfer des 20. Juli gehörte und im Dezember 1944 von den Nazis hingerichtet wurde. Einige Vorfahren der Familie sind im Schloss Hemmingen geboren oder aufgewachsen, darum hatte der ortsgeschichtliche Verein den Nachfahren am Freitag zum Vortrag eingeladen. Das Interesse war groß, der Bürgertreff bis auf den letzten Platz gefüllt.

 

„Menschen sind widersprüchlich“

„Ich muss erst einmal tief Luft holen“, sagte Alfred von Hofacker zu Beginn seines Referats. Denn zuvor hatten seine Gastgeber den 81-Jährigen, der heute bei München lebt, durch den Ort geführt. Unter anderem zum Schloss und zur Kirche, in der einige Familienmitglieder getraut oder getauft worden sind. „Jetzt in Hemmingen zu sein, ist deshalb für mich ein großes Ereignis“, sagte er.

Von Beruf ist Alfred von Hofacker Jurist, aber die Familiengeschichte hat ihn zur Beschäftigung mit der Historie gedrängt. Auch wenn er mehrfach betonte, kein Historiker zu sein: der Sohn des Widerstandkämpfers hat sehr viel recherchiert. Was er vorzutragen habe, seien dennoch „nur persönliche Betrachtungen“.

Diesen Betrachtungen stellte er den Titel voraus: „Cäsar von Hofacker, ein Wegbereiter für und ein Widerstandskämpfer gegen Hitler – ein Widerspruch?“ Und schon eingangs beantwortete der Referent die selbst gestellte Frage mit einem klaren Nein. Genau dieses Gespaltensein, das den Lebenslauf seines Vaters kennzeichne, mache ihn nur menschlicher. Auch wenn er größte Mühe habe, die Sätze zu akzeptieren, die sein Vater als Hitlergetreuer noch bis 1937 notiert habe – darunter auch krasse antisemitische Äußerungen – betont er doch: „Man darf das nicht mit dem Wissen von heute lesen. Aber ich werfe ihm trotzdem vor, dass er Hitler auf den Leim gegangen ist.“ Ein Stück Selbstbehauptung, um überhaupt mit dem schwierigen Erbe umgehen zu können.

Vom Hitlerattentat 1944 habe er als neun Jahre alter Schüler im Radio gehört. Nicht ahnend, dass das irgendetwas mit seiner Familie zu tun haben könnte. Der Tag veränderte sein Leben, ohne dass er wusste, warum. Im Nachhinein habe er sich nur daran erinnern können, dass seine Mutter plötzlich aufgestanden sei und im Garten ein Feuer entzündet habe. Für den Jungen eine völlig unerklärliche Handlung, schließlich sei der 20. Juli ein heißer Hochsommertag gewesen. „Später hat mir meine Mutter erzählt, dass sie Brief vernichtet hat“, sagte er.

Später heißt in diesem Falle fast genau ein Jahr später. So lange nämlich war die Familie getrennt. Während der neunjährige Alfred und seine beiden jüngeren Geschwister von der Gestapo in ein Kinderheim gebracht wurden, in dem sie gemeinsam mit den Kindern der übrigen Widerständler interniert waren, wurde die Mutter und die 15 und 16 Jahre alten Geschwister in das KZ Buchenwald, später nach Dachau deportiert. Überlebt haben alle nur dank einiger glücklicher Zufälle – und dank dem Einschreiten von Wehrmachtssoldaten, die kurz vor Kriegsende den Befehlen der SS zuwider handelten.

Späte Rehabilitation

Lange Zeit habe er nichts von seinem Vater wissen wollen. Dieser sei schon lange vor den Ereignissen des 20. Juli immerzu in Paris gewesen, wo er das Referat Eisen und Stahl der deutschen Militärverwaltung leitete. Außerdem habe es lange gedauert, bis die Widerstandskämpfer in der alten Bundesrepublik rehabilitiert worden seien. Im Grunde habe er erst nach dem Tod seiner Mutter 1974 begonnen, sich ernsthaft mit der Biografie des Vaters auseinanderzusetzen, sagt Alfred von Hofacker.

Er sei froh, dass der 20. Juli nicht Nationalfeiertag geworden sei, sagt er. Die Männer des Widerstands seien keine Helden gewesen: Sie hätten sich lange selbst betrogen, bis sie versuchten, die Fehler, die sie gemacht hatten, zu korrigieren.