Von dem überwältigenden Wahlerfolg profitiert vor allem Präsident Wladimir Putin. Er dürfte das Abschneiden seiner Hausmacht als klares Mandat für die eigene Kandidatur bei den Präsidentenwahlen 2018 interpretieren.

Moskau - Mindestens 343 der insgesamt 450 Mandate für Einiges Russland (ER): Das ist das Ergebnis der Dumawahlen in Russland am Sonntag und das mit Abstand beste, das die Kreml-Partei bei Parlamentswahlen je einfuhr. Damit hat sie die 2011 verlorene Zweidrittelmehrheit wiedererlangt, die für Verfassungsänderungen nötig ist. Sie kann Änderungen notfalls gegen die Opposition durchdrücken, die nur noch Alibifunktion hat.

 

Die Kommunisten griffen ganze 42 Sitze ab, die ultranationalen Liberaldemokraten von Wladimir Schirinowski 39, die Mitte-links-Partei Gerechtes Russland zieht mit 23 Abgeordneten in die neue Duma ein. Die liberale Opposition – der harte Kern der Protestbewegung – scheiterte erneut an der Fünf-Prozent-Sperrklausel.

Dabei sammelten die vier Oppositionsgruppierungen zusammen über sechs Prozent ein. Das würde reichen für eine Fraktion mit allen Annehmlichkeiten: Gestaltungskompetenz, Personal, Räumlichkeiten. Vor allem aber Medienpräsenz: Überregionale TV-Sender die terrestrisch im ganzen Land empfangen werden können, sind verpflichtet, permanent über alle in der Duma vertretenen Parteien zu berichten.

Opposition hoffnungslos zerstritten

Doch weil sie hoffnungslos zerstritten sind, verfehlten die Liberalen sogar die Dreiprozenthürde für die staatliche Parteienfinanzierung. Die sozialliberale Jabloko-Partei, die zum Urgestein der politischen Landschaft im postkommunistischen Russland gehört und bis 2003 mit zeitweise mehr als 50 Abgeordneten im Parlament vertreten war, fuhr mit 1,75 Prozent das bisher schlechteste Ergebnis aller Zeiten ein.

Mit ihren Rivalitäten spielten Jabloko und Co. sehenden Auges der Kreml-Partei in die Hände. Stimmen für gescheiterte Parteien werden auf die verteilt, die es geschafft haben. Davon profitiert vor allem der Sieger, ebenso wie von der geringen Wahlbeteiligung – 47,9 Prozent. Nur Entrückte versuchen in Krisenzeiten, wo Armut sogar die Mitte der Gesellschaft erreicht, mit abstrakten Forderungen nach mehr Demokratie und Menschenrechten zu punkten. Auch haben die Liberalen es diesmal deutlich schwerer, das eigene Versagen mit Manipulationen zu erklären.

Besser als 2011

Zwar konnte auch Ella Pamfilowa – Putins eigens dazu auf den Chefsessel der Zentralen Wahlkommission gehievte Menschenrechtsbeauftragte – eine „hundertprozentig keimfreie“ Abstimmung nicht liefern. Größere Unregelmäßigkeiten gab es ihren Worten nach jedoch nicht. Internationale Beobachter sahen das ähnlich und sprachen von deutlichen Fortschritten. Fälschungsvorwürfe hatten 2011 zu den machtvollsten Protesten seit der Perestroika geführt und Kreml und Regierung zu politischer Teilliberalisierung gedrängt.

Erstmals seit 2007 wurde die Hälfte der Sitze erneut über Direktmandate vergeben. Das sollte kleinen Parteien den Weg in die Duma erleichtern. Auch diese Chance haben die Liberalen vergeigt. Trotz oder womöglich wegen Unterstützung durch die Stiftung Offenes Russland des kremlkritischen Oligarchen Michail Chodorkowski, mit dem die Mehrheit der Russen nichts am Hut hat.

Putin setzt auf neue Freunde

Einiges Russland dagegen gewann „trotz der Probleme des Landes“. Die Ergebnisse zeigen, dass die Menschen Stabilität wollten. Putin dürfte das Abschneiden seiner Hausmacht als klares Mandat für die eigene Kandidatur bei den Präsidentenwahlen 2018 interpretieren. Er werde jedoch mit neuem Personal ins Rennen gehen, meinen Beobachter. Mit jungen, nicht durch Korruptionsskandale befleckten Personen, etwa dem kürzlich ernannten Chef der Kremladministration, Anton Wajno. Dass die Tage der Petersburger Freunde, mit denen Putin 2000 die Schaltstellen der Macht besetzte, gezählt sind, machten schon die Umbesetzungen im Sommer klar. Putin sei der Freunde aus KGB-Tagen überdrüssig und setze auf Beamte und Technokaten, die Abstand zum Herrscher wahren und vor allem keine eigenen politischen Ambitionen haben. Das minimiert die Gefahr von Palastintrigen. Mit neuer Mannschaft lässt sich auch ein neues Programm besser verkaufen: Wirtschaftsreformen, mehr Kompetenzen für die Regionen und vor allem für das Parlament – bei den neuen Mehrheitsverhältnissen geht er damit kein Risiko ein. Ein außenpolitischer Paradigmenwechsel ist dagegen unwahrscheinlich: Viele Politologen erklären den Wahlerfolg mit Russlands Wiederaufstieg zur Weltmacht.