Zum Teil standen Kinder und Jugendliche seit drei bis fünf Jahren auf der Warteliste des Zentrums für Autismus-Kompetenz Stuttgart. Neue Patienten werden aktuell nicht mehr aufgenommen. Die Nachfrage sei sprunghaft gestiegen, heißt es bei dem Träger.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Die Paulinenpflege Winnenden nimmt in diesem Jahr keine neuen Patienten auf die Warteliste für einen Therapieplatz im Zentrum für Autismus-Kompetenz Stuttgart auf. Bereits rund um den Jahreswechsel sei die Warteliste geschlossen worden, sagt Dany Kral, der für den Bereich Autismus zuständige Geschäftsführer bei dem Träger. „Über die Jahre ist die Warteliste stetig angewachsen“, erklärt er den Schritt. Teils hätten Kinder und Jugendliche schon drei bis fünf Jahre auf der Warteliste gestanden. Bei solchen Wartezeiten sei es nicht sinnvoll, noch eine Liste zu führen. „Der Bedarf ist weit größer als das Angebot“, sagt Kral. Das gelte auch für die anderen fünf Standorte, die sie betrieben.

 

Das Zentrum für Autismus-Kompetenz war ursprünglich aus der Selbsthilfe entstanden. Seit 2017 ist die Paulinenpflege Winnenden der Träger. Eine Autismus-Therapie habe keine kurze Laufzeit von vier bis acht Wochen, wie bei anderen Diagnosen, sondern laufe eher über zwei bis drei Jahre. Therapieplätze sind also immer länger blockiert. Zuletzt sei zudem die Nachfrage sprunghaft gestiegen. Niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater spürten das genauso.

Die Mangelsituation verschärfe sich zunehmend

Diejenigen, die noch auf der alten Warteliste standen, würden abgearbeitet, sie hätten ihren Warteplatz nicht verloren, verspricht Kral. Der Träger hat auch erwogen, das Angebot auszuweiten, das sei aber am derzeitigen Standort in der Ulmer Straße in Wangen schwierig. Hinzu komme das Problem, das viele Branchen derzeit beschäftigt: Es mangele an Fachkräften. Experten seien bei dem speziellen Therapieangebot schwer zu bekommen. Für die betroffenen Familien sei das natürlich sehr belastend. Manche würden vor Ort vorstellig. „Das sind teilweise verzweifelte Situationen“, erzählt der Geschäftsführer. Es gebe zu wenig Anbieter in dem Bereich. Auch bei den Kinder- und Jugendpsychiatern seien die Wartezeiten lang. Bis es zur Diagnose komme, könne ein Jahr und mehr ins Land gehen. Die Mangelsituation verschärfe sich zunehmend, sagt er.

Kral glaubt trotz der gestiegenen Nachfrage nach Therapieplätzen für autistische Kinder aber nicht, dass es heute mehr Autisten gibt als früher. Die Diagnostik habe sich nur verbessert. Die Spektrum-Störung werde häufiger erkannt. Ziel der Therapie sei, den Menschen zu ermöglichen, besser in der Welt zurecht zu kommen und gut mit ihrem Autismus zu leben.

Die Autismus-Spektrum-Störung

Diagnose
Bei Autismus handelt es sich um eine neurologische Entwicklungsstörung, die sich laut dem Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus auf die Entwicklung der sozialen Interaktion, der Kommunikation und des Verhaltensrepertoires auswirkt. Unterschieden wird zwischen Frühkindlichen Autismus, dem Asperger-Syndrom und dem Atypischen Autismus. Als Oberbegriff wird von der Autismus-Spektrum-Störung gesprochen. Die meisten Menschen mit Asperger-Syndrom sind zum Beispiel normal intelligent, in Teilgebieten können sie auch hoch intelligent sein. Auffälligkeiten bestünden laut dem Verband in der psychomotorischen Entwicklung und sozialen Interaktion. Umweltreize würden häufig verstärkt wahrgenommen.

Träger
Die Paulinenpflege Winnenden ist ein Träger, der sich ursprünglich auf Angebote für hör- und sprachbehinderte Jugendliche spezialisiert hat. Auch jungen Menschen mit Autismus macht der Träger inzwischen viele Angebote, darunter auch in der schulischen Bildung. So wurde unter anderem das Berufliche Gymnasium für autistische Schüler geöffnet und es gibt berufsvorbereitende Maßnahmen und Ausbildungsmöglichkeiten für diese Zielgruppe.