Die nach ihrer Lebenslauf-Lüge umstrittene SPD-Politikerin Petra Hinz bricht ihr Schweigen - und klagt an. Vor allem Nordrhein-Westfalens Justizminister Kutschaty und Regierungschefin Kraft. Vor der Landtagswahl wolle man sie schnellstmöglich „verschwinden lassen“.

Düsseldorf - Man hätte wohl am ehesten mit einer zutiefst geknickten Frau gerechnet. Mit einer, die sich nach wochenlangem Schweigen nun kleinlaut um Rechtfertigung bemüht, die Reue zeigt oder um Verständnis bittet. Doch die SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Hinz wählt vor allem den Weg der Konfrontation und Kritik. Sie richtet sich besonders gegen ihre Partei-„Freunde“ in Nordrhein-Westfalen, Justizminister Thomas Kutschaty und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Drei Wochen nach Auffliegen ihrer Lebenslauf-Lüge und nach massivem Druck, sie solle endlich ihr Mandat aufgeben, geht die 54-Jährige nun überraschend und recht forsch in die Offensive.

 

Ausführlich gibt Hinz der „Westdeutschen Zeitung“ Auskunft. In einer Klinik, in der ihr eine Therapie helfen soll, „zurück zu Würde und Selbstwert“ zu gelangen, wie die WZ schreibt. Dabei kommt die Politikerin im Interview - erschienen auch in „Solinger Tageblatt“, „Remscheider Generalanzeiger“, „Aachener Nachrichten“ und „Aachener Zeitung“ - durchaus selbstbewusst rüber. Sie klagt an, teilt aus. Angesichts des Skandals, den sie als Hochstaplerin ausgelöst hat, „nicht sonderlich klug“, meint der Kommunikationswissenschaftler Christoph Bieber. „Nach allem, was wir aus der politischen Skandalforschung wissen, wäre eine ausführliche öffentliche Entschuldigung die bessere Variante gewesen.“ Ärger über „Hinhaltetaktik“

Hinz kündigt an, sie werde das Mandat nach ihrer Behandlung abgeben, sobald sie die Klinik verlassen könne. Wann das sein werde? „Das bestimmen (...) die Ärzte“. Und: „Ich werde das Mandat, was mir sehr viel bedeutet, nicht einfach bei einem Notar niederlegen, sondern ich werde behutsam und respektvoll damit umgehen.“ Das ist als Erklärung für die bisherige Verzögerung gedacht und bedeutet wohl zugleich, dass ein Mandatsverzicht nicht kurz bevorsteht. „Hinhaltetaktik“, ärgert sich der der Essener SPD-Chef und Justizminister Kutschaty.

Um die Diäten, die sie weiter erhält, sei es ihr in elf Jahren Bundestag nie gegangen, beteuert Hinz, die entgegen ihrer Angaben weder Abitur hat noch Jura studierte. „Ich bin mir meiner Schuld absolut bewusst und ziehe die Konsequenzen, aber ich habe auch einen letzten Rest Würde verdient.“ Ihre Lüge tue ihr „unendlich leid.“ Und dann kommen die Angriffe

Und dann kommen die Angriffe - ohne blumig-diplomatische Verpackung - gegen die Genossen. Kutschaty habe Absprachen gebrochen. Für ihren Rückzug hätten sie beide gemeinsam am 19. Juli abends eine „Zeitschiene“ vereinbart, der Minister habe sich daran aber nicht gehalten. „Kutschaty hat mich endgültig zum Abschuss freigeben.“ Dabei sei sie doch „immer loyal“ gewesen. Der SPD-Minister dementiert eine solche Verabredung im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur vehement. „In dem Telefonat in der Nacht des 19. Juli hat sich Frau Hinz geweigert, ihr Mandat abzugeben. Wir haben nichts vereinbart.“ Auch die Ministerpräsidentin bekommt ihr Fett weg

Auch die Ministerpräsidentin bekommt ihr Fett weg bei SPD-Frau Hinz. Hannelore Kraft habe sich bei ihr gemeldet, aber keine Hilfe angeboten. „Ich störe natürlich. Im nächsten Jahr sind Landtagswahlen. Es geht darum, mich so schnell wie möglich von der Bildfläche verschwinden zu lassen.“ Sie verstehe zwar die Sorgen, aber: „Dass es anders geht, haben Sigmar Gabriel und Ulla Schmidt gezeigt. Sie haben sich ernsthaft bemüht, den Menschen Petra Hinz zu sehen“, sagt die Noch-Abgeordnete über den Bundeswirtschaftsminister und die Ex-Gesundheitsministerin.

Ihre Ämter in Partei und Essener Ortsverein hatte Hinz Anfang des Monats niedergelegt. Dass sie jahrelang täuschte und dann abtauchte, entsetzt auch in Berlin. Kutschaty befürchtet, ihr Verhalten füge dem Bild des Berufspolitikers Schaden zu. Die Reaktionen auf die Äußerungen Hinz’ in der Bevölkerung seien vernichtend. „Allein die E-Mails, die bei mir heute eingegangen sind, zeigen, dass die Bürger kein Verständnis haben. Viele sagen: Erst hat sie gelogen, dann klebt sie an ihrem Mandat und zuletzt gibt sie auch noch verheerende Interviews.“