„Wenn wir Deutschland sehen wollen, gehen wir nach Straßburg“, sagte vor Jahren ein französischer Freund aus Paris zu mir. Nun weiß ich, was er damit meint. In Straßburg finden sich aufgrund der besonderen Geschichte des Elsass französische und deutsche Einflüsse, ob bei der Architektur, bei der Mentalität oder beim Essen. Palais du Rhin (der ehemalige Kaiserpalast in deutscher Monumentalbauweise) und Palais Rohan (ein französischer Barockbau aus dem 18. Jahrhundert), „Laissez-faire” und Sinn für Ordnung, gebratene Jakobsmuscheln und Baeckeoffe – das ist Straßburg.

 

Während meines Aufenthalts habe ich eine Militärparade am Vortag des französischen Nationalfeiertags erlebt und abends zusammen mit Franzosen und Deutschen den Weltmeistertitel gefeiert. Ich habe die Stadt bei einer Bootsfahrt auf der Ill aus neuer Perspektive gesehen und mir ihre Geschichte auf deutsch, französisch und elsässisch erklären lassen. Im grenzüberschreitenden Garten der zwei Ufer von Straßburg und Kehl habe ich festgestellt, wie ungezwungen die Bewohner der Nachbarstädte miteinander umgehen. Im Europaviertel hatte ich das Gefühl, dem europäischen Gedanken ganz nah zu sein.

Nicht nur wegen der zahlreichen europäischen Institutionen ist es deshalb gerechtfertigt, dass sich Straßburg mit dem Zusatz „l’Européene“, die Europäische, schmückt. Mehrsprachigkeit ist dort keine Seltenheit. Das liegt auch daran, dass der elsässische Dialekt immer noch gepflegt wird. Französisch, arabisch, elsässisch – auf einem Wochenmarkt im Viertel Meinau-Canardière habe ich die Koexistenz verschiedener Sprachen erlebt.

Lobende Worte über den Journalistenaustausch

Zwar ist die Zahl derer, die elsässisch sprechen und verstehen, rückläufig. Dennoch bleibt einer der bekanntesten Verfechter der elsässischen Kultur optimistisch. Roger Siffer, Sänger, Humorist und Gründer des Théâtre de la Choucrouterie in Straßburg, sagte zu mir: „Man darf einfach nicht aufhören, elsässisch zu sprechen.“ So simpel ist das. Dass sich dieser Vorsatz lohnt, habe ich bei einer mehrsprachigen Aufführung von Siffers Theatertruppe auf dem Kléberplatz festgestellt. Hunderte Menschen allen Alters haben sich das Spektakel aus Gesang, Sketchen und Tanz unter dem Motto „De ville en ville – von Stadt ze Stadt” angesehen. Die Skepsis gegenüber dem Elsässischen wegen seiner Nähe zum Deutschen scheint vollständig abgebaut. Das war nicht immer so. Ein Lehrer erzählte mir, dass es noch in den sechziger Jahren unter Strafe verboten war, auf dem Schulhof Dialekt zu sprechen.

Habe ich viel Neues über die Deutschen erfahren, oder über die Schwaben? Diesmal nicht. Die vielen Schwarz-Rot-Gold-Fahnen haben mir den Eindruck vermittelt, dass der Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien das Wir-Gefühl der Stuttgarter gestärkt hat. Alle, die ich auf der Straße angesprochen habe während meiner Austauschswoche, waren aber überaus offen und aufgeschlossen zu mir.

Mein liebstes Ausflugsziel war in diesen Tagen der Marktplatz mit seinem Sommerfestival der Kulturen. Hier konnte ich feststellen, dass die Schwaben gerne feiern, dabei aber auch zugleich ihre Weltoffenheit ausdrücken. Genau wie wir Elsässer! Deswegen hatte am Donnerstagabend Rachid Taha, der in Frankreich lebende Algerier, keine Mühe, mit seinen Rock’n’Raï-Rhythmen sein Publikum zum Hüftenwackeln zu bringen.

Xavier Thiery (50) ist Wirtschaftsredakteur der DNA-Redaktion in Straßburg.

Französisch, deutsch, europäisch – Straßburg

„Wenn wir Deutschland sehen wollen, gehen wir nach Straßburg“, sagte vor Jahren ein französischer Freund aus Paris zu mir. Nun weiß ich, was er damit meint. In Straßburg finden sich aufgrund der besonderen Geschichte des Elsass französische und deutsche Einflüsse, ob bei der Architektur, bei der Mentalität oder beim Essen. Palais du Rhin (der ehemalige Kaiserpalast in deutscher Monumentalbauweise) und Palais Rohan (ein französischer Barockbau aus dem 18. Jahrhundert), „Laissez-faire” und Sinn für Ordnung, gebratene Jakobsmuscheln und Baeckeoffe – das ist Straßburg.

Während meines Aufenthalts habe ich eine Militärparade am Vortag des französischen Nationalfeiertags erlebt und abends zusammen mit Franzosen und Deutschen den Weltmeistertitel gefeiert. Ich habe die Stadt bei einer Bootsfahrt auf der Ill aus neuer Perspektive gesehen und mir ihre Geschichte auf deutsch, französisch und elsässisch erklären lassen. Im grenzüberschreitenden Garten der zwei Ufer von Straßburg und Kehl habe ich festgestellt, wie ungezwungen die Bewohner der Nachbarstädte miteinander umgehen. Im Europaviertel hatte ich das Gefühl, dem europäischen Gedanken ganz nah zu sein.

Nicht nur wegen der zahlreichen europäischen Institutionen ist es deshalb gerechtfertigt, dass sich Straßburg mit dem Zusatz „l’Européene“, die Europäische, schmückt. Mehrsprachigkeit ist dort keine Seltenheit. Das liegt auch daran, dass der elsässische Dialekt immer noch gepflegt wird. Französisch, arabisch, elsässisch – auf einem Wochenmarkt im Viertel Meinau-Canardière habe ich die Koexistenz verschiedener Sprachen erlebt.

Lobende Worte über den Journalistenaustausch

Zwar ist die Zahl derer, die elsässisch sprechen und verstehen, rückläufig. Dennoch bleibt einer der bekanntesten Verfechter der elsässischen Kultur optimistisch. Roger Siffer, Sänger, Humorist und Gründer des Théâtre de la Choucrouterie in Straßburg, sagte zu mir: „Man darf einfach nicht aufhören, elsässisch zu sprechen.“ So simpel ist das. Dass sich dieser Vorsatz lohnt, habe ich bei einer mehrsprachigen Aufführung von Siffers Theatertruppe auf dem Kléberplatz festgestellt. Hunderte Menschen allen Alters haben sich das Spektakel aus Gesang, Sketchen und Tanz unter dem Motto „De ville en ville – von Stadt ze Stadt” angesehen. Die Skepsis gegenüber dem Elsässischen wegen seiner Nähe zum Deutschen scheint vollständig abgebaut. Das war nicht immer so. Ein Lehrer erzählte mir, dass es noch in den sechziger Jahren unter Strafe verboten war, auf dem Schulhof Dialekt zu sprechen.

Ulrike Ebner hat das pittoreske Straßburg gut gefallen. Foto: StZ

Von „Ressentiments” gegenüber Deutschen war während meines Aufenthalts nichts zu spüren. Im Gegenteil, ich wurde überall herzlich aufgenommen und habe gemerkt, dass Deutschland politisch und gesellschaftlich hohe Anerkennung genießt. Als ein französischer Kollege in einem Facebook-Post das Austauschprojekt unserer beiden Zeitungen erklärte, haben mich die vielen positiven Rückmeldungen zu meiner täglichen Kolumne in den DNA überrascht. Auch bei Gesprächen mit Passanten fielen mehrfach lobende Worte zur Idee dieses Journalistenaustauschs. Besonders gefreut hat mich der Besuch einer Leserin in der Redaktion. Sie wollte mich kennenlernen und hat mir eine elsässische Gebäckspezialität geschenkt: „Schwowabredla”.

Ulrike Ebner (31) ist Redakteurin im Online-Ressort der Stuttgarter Zeitung.

Das Austauschprojekt von StZ und DNA

Jubiläum Im Jahr des Gedenkens an den Beginn des Ersten Weltkrieges haben sich die Stuttgarter Zeitung und die Straßburger Tageszeitung „Dernières Nouvelles d’Alsace“ zu einer besonderen Kooperation zusammengefunden. Eine Woche lang arbeitete die StZ-Redakteurin Ulrike Ebner als Gast in der DNA-Redaktion in Straßburg und hat dort Kolumnen und Geschichten auf Französisch veröffentlicht. Umgekehrt schrieb der DNA-Wirtschaftsredakteur Xavier Thiery in Stuttgart auf Deutsch für die StZ.

Themen In ihren DNA-Kolumnen hat Ebner unter anderem über das WM-Finale, die Feiern zum Nationalfeiertag und das französisch-elsässische Savoir-vivre geschrieben. Thiery besuchte in Stuttgart unter anderem eine Montagsdemonstration, die Stadtbibliothek und das Sommerfestival der Kulturen. Alle Texte finden Sie auf unserer Themenseite.