Die Stadt München mit ihrer stark schadstoffbelasteten Luft muss bis Jahresende ein „vollzugsfähiges Konzept“ für Diesel-Fahrverbote vorlegen. Ob diese auch kommen und wie lange das dauert, bleibt vorerst offen.

München - München ist eine Autostadt. Die Straßen sind breit bis sehr breit; der Mittlere Ring als befahrenste innerstädtische Autobahn verläuft zu großen Teilen in Tunnel oder Gräben und verschwindet immer weiter unter der Erde. Topographische Probleme bietet das Gelände nicht, keine Hügel, keine kurvigen, engen Bergstraßen. München liegt in einer Ebene. Und wenn sie sich durch massenhaftes Auftreten nicht selbst zum Hindernis werden, zum Stau, finden Autofahrer wenige Hindernisse auf ihrem Weg.

 

Das könnte sich ändern. Denn was man nicht sieht, liefert das Landesamt für Umweltschutz: Messergebnisse nämlich, die besagen, dass die weißblaue Landeshauptstadt nach Stuttgart die dreckigste Luft in Deutschland aufweist. Bei den Stickoxiden jedenfalls. Darauf aufbauend hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Stadt jetzt dazu verdonnert, bis spätestens Ende des Jahres ein „vollzugsfähiges Konzept“ zum Ausbremsen von Dieselfahrzeugen vorzulegen. Ohne Fahrverbote für diese, so die Richter in ihrem nicht weiter anfechtbarem Beschluss, lasse sich der vorgeschriebene Grenzwert nicht einhalten.

Die Münchner sind laut ADAC die ÖPNV-Meister

Einen rechtskräftigen Spruch, der die Stadt dazu zwang, den Gesetzen Geltung zu verschaffen, hatte die Deutsche Umwelthilfe bereits im Oktober 2012 beim Verwaltungsgericht erreicht – umgesetzt wurde er aber bisher nicht. Immerhin hält der Verwaltungsgerichtshof heute fest, wenigstens bei Feinstaub seien zum Einhalten der Grenzwerte „keine gesonderten Maßnahmen mehr geboten“.

Mit 1,5 Millionen Bürgern, einem Einzugsgebiet von weiteren mindestens zwei Millionen und einer boomenden Wirtschaft hat München den dazugehörigen Massenverkehr. Zusätzlich wächst die Stadt mit jährlich etwa 25 000 Zuzügen ungebremst weiter. Im Nutzen von Bahnen und Bussen gelten die Münchner – laut ADAC – als „deutsche ÖPNV-Meister“. Die Zahl der öffentlichen Fahrten – zuletzt 670 Millionen pro Jahr – ist zwischen 2013 und 2015 um drei Prozent gewachsen; die Zahl der Kraftfahrzeuge dagegen noch stärker: um 3,5 Prozent. Dass darunter die fabrikneuen Autos um 4,5 Prozent zugelegt haben, lässt hoffen, dass der Gesamtfuhrpark tendenziell etwas moderner und sauberer wird.

Heftige Proteste gegen Fahrverbote

Gleichwohl: Gegen Fahrverbote für Diesel – welche Abgasnorm, welche Baujahre, welche Zahl, das ist alles offen – gibt es heftige Proteste: Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft spricht von einem „falschen und schädlichen“ Weg; für viele Betriebe sei eine „kurzfristige Flottenmodernisierung nicht finanzierbar“. Der ADAC sieht einen „schweren Schlag für die Verbraucher“ und fordert die Stadt auf, „nicht mit überzogenen Zwangsmaßnahmen“ zu reagieren.

Vorerst kommen diese sowieso nicht. Denn der Verwaltungsgerichtshof verlangt nur einen Plan. Aktuell sieht er für Fahrverbote selbst noch keine Rechtsgrundlage, ist aber offenbar davon überzeugt, dass das Bundesverwaltungsgericht im Herbst den Weg dafür frei macht. Dann soll sich die Stadt bei Androhung einer bis 4000 Euro gestaffelten Strafe nicht mehr tatenlos aus der Verantwortung davonstehlen.

Die Richter verlangen Klarheit, wo die Stickoxidbelastung über dem Erlaubten liegt und wo die Gegenmaßnahmen greifen. Ob entlang einzelner Straßenzüge oder gebietsweise, das ist offen. Seit 2012 gäbe es dafür ein Modell: Was in München innerhalb des Mittleren Rings liegt, gilt als „Umweltzone“, die nur mit der grünen Feinstaubplakette befahren werden darf. Für alles weitere sei ein Handlungsbedarf „unstrittig“, teilt das Rathaus mit. Ausgerechnet die Umweltreferentin aber, Stephanie Jacobs, schwächt schon wieder ab: Es brauche „Ausnahmeregelungen und Übergangsfristen“, damit die Bürger die Verbote akzeptierten. Es könnte also noch dauern.