Die Bahn steht bei Stuttgart 21 unter Druck: Bis Ende Februar müssen die Bäume versetzt werden. Doch bei nur 80 von 176 Bäumen ist das problemlos möglich.

Stuttgart - Am Montagabend startet das von Oberbürgermeister Wolfgang Schuster ins Leben gerufene Bürgerforum Stuttgart 21. Dazu gehört unter anderem, dass Experten all die Fragen beantworten, die Bürger zum Bau des Milliardenprojekts haben. Das knifflige Thema zum Auftakt: Welche der 176 Bäume, die derzeit noch im Bereich des Baufelds im Mittleren Schlossgarten stehen, müssen gefällt werden?

 

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim zum Grundwassermanagement und der Drohung der Projektgegner, mit der gleichen Begründung auch gegen die geplanten Baumfällungen juristisch vorzugehen, erhält das Treffen im Rathaus plötzlich eine noch größere Brisanz. Bei dem Expertengespräch am Montag, bei dem die Öffentlichkeit live per Internet-Stream zugeschaltet ist, könnten die Bürger über Kanäle wie Facebook und Twitter mitreden, wie es mit den Bäumen im Schlossgarten weitergeht.

Die Bahn hat ihre Position erst vor Kurzem nochmals deutlich gemacht: Nach dem Planfeststellungsbeschluss dürfte sie zwar alle 176 Bäume fällen, müsste dafür aber an geeigneter Stelle 291 Bäume als Ersatz pflanzen. Doch der Konzern will sich grundsätzlich an die Vereinbarung der Stuttgart-21-Schlichtung halten, in der festgelegt wurde, dass alle gesunden Bäume möglichst erhalten, also versetzt werden sollen.

Nur 80 Bäume problemlos versetzbar

Ein von der Bahn in Auftrag gegebenes Gutachten des Nürnberger Sachverständigen Bodo Siegert hat allerdings ergeben, dass nur gut 80 der Bäume ohne größere Schwierigkeiten mit einer Rundspatenmaschine versetzt werden können. Es handelt sich dabei um zehn bis zwölf Meter hohe Gewächse mit einem Stammdurchmesser von bis zu einem halben Meter.

Dagegen wäre die Umpflanzung vor allem der sehr alten und großen Platanen und Rosskastanien neben dem Hauptbahnhof nur mit aufwendiger, millionenteurer Plattformtechnik machbar, und auch dann blieben große Risiken, dass die Bäume erhebliche Schäden davontragen würden. Überdies wäre es nur schwer möglich, für die mit Wurzelplatte teils bis zu 900 Tonnen schweren Großbäume überhaupt Ersatzstandorte zu finden. Dies müssten innerhalb des Schlossgartens versetzt werden, was diesen in der Folge tiefgreifend verändern würde.

Als ob die Frage nicht schon schwierig genug wäre, mit der sich am Montag auch die Forumsteilnehmer befassen werden, kommt nun noch die Unsicherheit dazu, ob eine weitere juristische Auseinandersetzung die Verpflanzung verzögern könnte. Denn der Zeitplan der Bahn für die Umsetzung ist ohnehin schon sehr eng. Am 15. Januar sollen die Arbeiten beginnen, bereits am 29. Februar müssen sie nach den gesetzlichen Vorgaben abgeschlossen sein, dann beginnt der Vegetationszyklus der Bäume wieder.

 Bäume zu fällen ist gegen den Schlichterspruch

Sollte dieser Zeitplan nicht einzuhalten sein, würde eine Verzögerung des Bauablaufs von einem halben Jahr drohen, bis zum Ende der Vegetationszeit Ende September. Mag die Bahn auch nach dem 6. Januar mit dem von dem aktuellen VGH-Urteil nicht berührten Abriss des Bahnhofsüdflügel beginnen können: wenn die Bäume in dem Bereich des Schlossgartens nicht versetzt oder gefällt sind, wird der Konzern nicht wie geplant im Juni mit dem Öffnen der Baugrube für den geplanten Tiefbahnhof beginnen können.

Voraussetzung dafür wird im Übrigen auch sein, dass das Grundwassermanagement rechtzeitig in Betrieb geht, dessen Weiterbau einstweilen durch das Gericht unterbrochen ist. Neben dem Gutachten der Bahn gibt es auch eines der Parkschützer. Der Fachmann Hartmut Neidlein kommt zu dem Schluss, dass ein Großteil der Bäume nicht zu verpflanzen sei. Einerseits sei der technische Aufwand gigantisch, andererseits würden durch das Ausgraben starke Schäden im Park entstehen.

Der Sprecher der Parkschützer, Matthias von Herrmann, sieht darin eine Bestätigung für das Anliegen seiner Organisation: "Ein Ja zum Schlichterspruch bedeutet, den Schlossgarten zu erhalten." Heiner Geißler hatte bei der Schlichtung gesagt, die Bäume seien zu erhalten, gefällt werden dürften nur kranke. Andernfalls seien sie zu verpflanzen. Da das so gut wie unmöglich sei, müsse man sie stehen lassen, lautet von Herrmanns Schlussfolgerung.