Wie schon vor acht Jahren steht auch an diesem ersten Donnerstag nach einer OB-Wahl im Gemeinderat die Wahl des Beigeordneten für Städtebau und Umwelt auf der Tagesordnung. Amtsinhaber Matthias Hahn (64, SPD) bewirbt sich wieder. Manche fragen sich, wieso.

Stuttgart - Wie schon vor acht Jahren steht auch an diesem ersten Donnerstag nach einer OB-Wahl im Gemeinderat die Wahl des Beigeordneten für Städtebau und Umwelt auf der Tagesordnung. Der Amtsinhaber Matthias Hahn (64, SPD) bewirbt sich zum dritten Mal um den Bürgermeisterposten. Einen Gegenkandidaten hat er nicht. Anders als bei seiner ersten Nominierung 1996 und der ersten Wiederwahl 2004 stellt sich nun mancher im Rathaus die Frage, warum sich der Jurist wenige Wochen vor dem Erreichen des Pensionsalters und physisch etwas angeschlagen noch einmal um eine achtjährige Amtszeit bemüht – und den Joker des neuen Landesgesetzes zieht, demzufolge Bürgermeister bis zur Vollendung ihres 68. Lebensjahres amtieren dürfen. Im Fall von Matthias Hahn sind das also noch exakt drei der auf acht Jahre angesetzten Amtszeit der Beigeordneten.

 

Hahn verspürt noch Lust an der Stadtplanung, viele Projekte sind unerledigt oder im Bau. Seine Mitarbeiter sagen, er halte sie auf Trab, damit er umfassend vorbereitet in den teils harten Ausein-andersetzungen im wichtigen Technik- und Umweltausschuss bestehen kann. Vor allem Stuttgart 21 – der gegenüber dem OB weisungsgebundene Hahn begleitet das Projekt seit Beginn an mit gebremster Empathie – beschäftigt den Bürgermeister. Derzeit sind vor allem die Grundwasserthemen von Belang.

Parteiräson ist wichtig

Ein wichtiger Punkt in der Zukunftsplanung des 64-Jährigen ist die Parteiräson. Allein dank des ungeschriebenen Gesetzes, wonach ein Beigeordneter mit seiner Wiederwahl rechnen darf, sofern er sich nicht als völlig unfähig entpuppt oder sich etwas zu schulden hat kommen lassen, darf die SPD den zweiten Bürgermeisterposten behalten. Sobald sich Hahn, der am 2. Januar 65 Jahre alt wird, aber aufs Altenteil zurückzieht, würden die Grünen Anspruch auf das Amt anmelden und ihr berechtigtes Interesse an einer Besetzung artikulieren. Da die Kommunalverfassung empfiehlt, dass sich auf der Bürgermeisterbank die im Gemeinderat herrschenden politischen Kräfteverhältnisse widerspiegeln sollten, erfüllt die momentane Verteilung diese Empfehlung nicht. Anfang 2016 würde sich nach Hahns Wahl die Besetzungsfrage zwar erneut stellen. Die SPD-Oberen hoffen aber, dass sie bis dahin wieder erstarkt sein werden und sich die Verhältnisse bei der Kommunalwahl 2014 zu ihren Gunsten verschieben, so dass dann auch rechnerisch wieder der Anspruch auf zwei Bürgermeisterposten bestünde.

Bei der Kommunalwahl 2009 hatten die Sozialdemokraten mit nur noch zehn von 60 Mandaten so schlecht abgeschnitten wie nie zuvor. Die Grünen als stärkste Fraktion haben 16 Sitze – sie stellen aber mit Werner Wölfle (Verwaltung) nur einen Bürgermeister. Die CDU hat 15 Sitze und drei Bürgermeister sowie den Ehrentitel des Ersten Bürgermeisters, die FDP stellt mit sechs Stadträten eine Beigeordnete.

Missverhältnis-Malaise

Vor diesem Hintergrund hat es die SPD für richtig erachtet, die Wiederwahl Hahns frühzeitig mit Partnern abzusichern, die ebenfalls die Missverhältnis-Malaise plagt. Die Mehrheitsbeschaffer lassen sich – trotz geheimer Wahl – leicht ausmachen: Michael Föll (CDU) ist vor einem Jahr mit 40 von 61 Stimmen erneut zum Finanz- und Ersten Bürgermeister gewählt worden. CDU, Freie Wähler und FDP verfügen gemeinsam über 28 Sitze, hinzu kommen ein Vertreter der „Republikaner“, OB Schuster und zehn SPD-Vertreter. Das ist jene Mehrheit, die Stuttgart 21 bisher über alle Hürden brachte. Auch die Gegenprobe stimmt: Grüne und SÖS/Linke haben 21 Sitze – so viele, wie Michael Föll Gegenstimmen erhielt.

Die Grünen werden nach dem grün-roten Erfolg bei der OB-Wahl nicht gegen Hahn stimmen. Es gilt, die SPD nicht unnötig zu ärgern. Dass das Verständnis aber so weit gehen könnte, dem SPD-Bürgermeister Dirk Thürnau nach Hahns Abgang 2016 ein Superreferat aus Technik, Stadtplanung und Umwelt zu basteln, wie es sich die Genossen ausgemalt haben, erscheint wenig realistisch. Die Zeiten des freiwilligen Verzichts auf Bürgermeisterposten seien vorbei, haben die Grünen signalisiert.