Im Remsecker Stadtteil Neckarrems soll in den kommenden Jahren ein großes Wohngebiet entstehen. Die Firma Krieger, die bislang auf dem Gelände arbeitet, müsste dafür weichen – doch das Unternehmen will gar nicht umziehen. Nun rüstet das Rathaus rechtlich auf.

Remseck - Kaum ist die Hülle für das riesige Bauschild gefallen, das im Remsecker Stadtteil Neckarrems vom neuen Rathaus und einer Stadthalle kündet, nimmt die Verwaltung schon den nächsten Schritt ihres Projekts Neue Mitte in Angriff: Am kommenden Dienstag berät der Gemeinderat, was auf dem sogenannten „Krieger-Areal“ in den kommenden Jahren geschehen soll. Dabei geht es allerdings nicht um Architektenentwürfe und Baupläne für das Gelände zwischen Schlossberg und Neckar – sondern um rechtliche Fragen. Denn die Interessen der Stadt und die der dort ansässigen Firma, dem Baustoffhersteller Krieger, könnten unterschiedlicher nicht sein.

 

„Wir wollen dort ein neues Stadtzentrum entwickeln, mit Wohnungen und Geschäften“, sagt der fürs Bauen zuständige Bürgermeister Karl Velte. „Mein Wunsch wäre, dass alles so bleibt, wie es ist“, erklärt der Krieger-Geschäftsführer und Standortleiter Torsten Wagler. Fakt ist: Rund zwei Drittel der etwa fünfeinhalb Hektar, auf denen die Stadt bauen will, gehören ihr. Der Rest ist in Privatbesitz, ein Großteil gehört dem Unternehmen. Einen Pachtvertrag hat die Verwaltung fristgerecht auf Ende des Jahres 2019 gekündigt – und schmiedet nun Pläne für das weitere Vorgehen.

Auch eine Enteignung ist nicht ausgeschlossen

Das Gebiet soll zu einer „städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme“ nach Paragraf 165 des Baugesetzbuches werden, innerhalb derer besondere Rechte gelten. Unter anderem jenes Recht, die „Grundstücke im Wege der Enteignung zu erwerben“, heißt es in einer Vorlage für die Stadträte. Es würden jedoch strenge Anforderungen für diesen Rechtsweg gelten, schreibt die Verwaltung weiter. Am Dienstag soll der Gemeinderat deshalb erste, umfangreiche Untersuchungen beschließen, ob das Gebiet überhaupt entsprechend deklariert werden kann. Völlig offen ist dabei, ob es eines Tages tatsächlich zum Äußersten, einer Enteignung, kommt – ausgeschlossen ist es aber nicht. „Wir sind an einer einvernehmlichen Lösung mit der Stadt interessiert“, sagt Wagler. Es handele sich um ein „ganz normales Vorgehen“, erklärt der Baubürgermeister.

Auch wenn beide Parteien hörbar bemüht sind, kein Öl ins Feuer zu gießen, ist klar: Eine Konsens-Lösung wurde bisher trotz Gesprächen auf höchster Ebene nicht gefunden. Die Stadt sieht in dem Gelände die einzige Möglichkeit, ein großes Wohngebiet zu entwickeln. „Nirgendwo sonst besitzen wir eine solche zusammenhängende Fläche“, sagt der Bürgermeister. Das Unternehmen hat dagegen Probleme, einen anderen, ähnlich geeigneten Standort zu finden. Betonwerke zählen per se nicht zu den Betrieben, nach denen sich Nachbarn die Finger lecken, zudem ist die Lage direkt am Neckar ideal für Krieger: Große Mengen an Kies werden direkt aus dem Schiff umgeschlagen.

Suche nach anderen Standorten ist schwierig

„Natürlich schauen wir uns nach Alternativen um. Doch ein passendes Gelände zu finden, ist schwierig“, erklärt der Geschäftsführer. Bei vergangenen Gesprächen, so ist zu hören, hat die Stadt der Firma Ausgleichflächen angeboten, eine davon befindet sich im Gewerbegebiet Rainwiesen, ebenfalls direkt am Neckar. Weitere Knackpunkte sind der mögliche Kaufpreis für die privaten Grundstücke und Ausgleichszahlungen für die Gebäude und schweren Geräte auf dem Gelände. Auf Geld will Torsten Wagler aber gar nicht abheben: „Die Belegschaft und die Kunden haben Erwartungen an uns.“ Vor allem für die rund 35 Mitarbeiter am Standort will der Chef Sicherheit. Es werde mit dem Betrieb auf jeden Fall weitergehen, egal wo, erklärt er. Doch für ihn stelle sich schon die Frage: „Wie geht man mit einem Unternehmen um, das seit 50 Jahren am Ort ist?“ Den Gesprächsfaden wollen beide Seiten nicht abreißen lassen. Der eingeschlagene Rechtsweg verbaue nicht die Möglichkeit, mit den Grundstückseigentümern „doch noch eine konsensuale Lösung“ zu finden, heißt es aus dem Rathaus.

Der Gemeinderat scheint derweil vom Kurs der Verwaltung überzeugt zu sein. Der Ausschuss für Umwelt und Technik beschloss einstimmig, die rund 250 000 Euro teuren Untersuchungen dem Stuttgarter Stadtplanungsbüro Baldauf zu übertragen. Ein ähnlich deutliches Votum wird am Dienstag vom gesamten Gremium erwartet, das das letzte Wort hat. Die Firma Krieger, so heißt es von manchem Stadtrat, wüsste seit Jahren über die Pläne der Stadt Bescheid – habe offenbar aber unterschätzt, wie weit diese inzwischen seien.