Werner Herzog sagte kürzlich, die Festivals befänden sich im Sinkflug. Es gebe über 4000 Festivals, aber nach wie vor nur vier wirklich gute Filme pro Jahr.
Die Zahl scheint mir etwas übertrieben. Weltweit gibt es vielleicht 1200 Festivals. Und manche Filme haben nur eine Chance, wenn sie auf einem Festival laufen. Werner Herzog ist mit Festivals eigentlich immer ganz gut gefahren – wobei von den erwähnten vier wirklich guten Filmen natürlich einer immer von ihm stammte.
Die vier Amazon-Produktionen im Vorjahr in Cannes haben allesamt nicht überzeugt. Ist die Blase von Netflix und Co. geplatzt?
Auch dieses Mal laufen an zwei Tagen Serien im öffentlichen Programm, auf dem Filmmarkt werden diese Formate ebenfalls präsent sein. Wer den ganz großen Hype um die Streaming-Anbieter skeptisch sieht, hat bei uns die Gelegenheit zu entdecken, dass die Welt nicht jeden Tag neu erfunden wird: Wir präsentieren im Berlinale Special mit „Acht Stunden sind kein Tag“ von Rainer Werner Fassbinder den Beweis, dass es starke Serien schon anno 1972 gab.
Mit über 300 000 Besuchern ist die Berlinale das größte Publikumsfestival. Wie sieht der typische Festivalbesucher aus?
Das wissen wir sogar ziemlich genau: Der Besucher-Prototyp der Berlinale ist weiblich, 37 Jahre alt und hat studiert. Eine umworbene Zielgruppe, die Filme gerne in der Originalsprache sieht.
Wie groß ist die Schnittmenge zwischen dem Programm der Berlinale und dem privaten Geschmack ihres Direktors? Dürfen Filme ins Bären-Rennen, die objektiv relevant sind, subjektiv jedoch eher zum Stöhnen?
Es laufen natürlich auch Filme im Programm, die nie persönliche Lieblinge von mir sein werden. Darüber gibt es dann immer lange Diskussionen mit dem Auswahlkomitee des Festivals. Geschmack ist bekanntlich eine Geschmackssache.
Haben Sie bei der Eröffnung Vorahnungen, wer auf dem Siegertreppchen stehen wird?
Nein, das lässt sich bei selbstbewussten Jury-Präsidenten wie dieses Jahr Paul Verhoeven absolut nicht vorhersagen.
Wie wird sich ein US-Präsident Donald Trump auf Hollywood auswirken?
Die politische Situation in den USA wird mit Sicherheit im Kino und in der Kunst reflektiert werden. Hollywood wird sich stärker positionieren und sich radikaler den Themen stellen. Auf die Resultate bin ich gespannt. Das werden wir bei der 68. Berlinale 2018 dann wahrscheinlich erleben, und ich bin nun mal ein Achtundsechziger.

Das Gespräch führte Dieter Oßwald.