Manche Kandidatenporträts sind ganz verschwunden, andere bemalt oder herunter gerissen. Die Wahlkämpfer klagen parteiübergreifend über Beschädigungen, die Polizei sieht wenig Handhabe dagegen.

Stuttgart - Roland Schmid hat schon einige Wahlkämpfe mitgemacht. Den CDU-Mann bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Aber was er im laufenden Landtagswahlkampf erlebt, hat auch für den alten Fahrensmann eine besondere Qualität. „Das Ausmaß der Plakatzerstörung ist unerträglich und nicht mehr hinnehmbar“, sagt Schmid, der im Wahlkreis Stuttgart IV (Neckarvororte, Bad Cannstatt) antritt und dort sein Konterfei selbst plakatiert hat. Viele Plakate seien ganz verschwunden, andere schlicht zerrissen – teilweise nur wenige Stunden, nachdem sie aufgehängt worden waren. Der Christdemokrat vermutet Sabotage von Gegnern der Demokratie hinter den Aktionen und ist hörbar verschnupft: „Was soll denn das? Man muss uns ja nicht wählen, aber wenigstens die Gelegenheit geben, uns zu präsentieren.“

 

CDU und Linke sind sich einig

Dass Plakate in diesem Wahlkampf offenbar schwerpunktmäßig abgerissen oder anderweitig verunstaltet werden, ist kein Phänomen, dass nur eine Partei betrifft. Wie CDU-Kreisverbandssprecher Thomas Hugendubel („Wir beobachten flächendeckend eine massive Zerstörungswelle“) klagt auch die Linke über eine „extreme Plakatzerstörung“, so ihr Pressesprecher Matthias von Herrmann. Betroffen seien insbesondere Plakate des Spitzenkandidaten Bernd Riexinger – einer von Schmids Konkurrenten im Wahlkreis IV. „In dieser Menge gab es so etwas bei anderen Wahlkämpfen noch nicht“, so von Herrmann. Er betont wie Schmid, die inhaltliche politische Auseinandersetzung dürfe nicht mit systematischer Gewalt gegen Sachen ausgefochten werden.

Ein Schwerpunkt der Plakatzerstörung ist offenbar auch der Filderwahlkreis. Auch dort sind Plakate nahezu aller politischen Parteien betroffen. Mag manche „Verzierung“ eines Großplakats vielleicht noch als originell durchgehen, so ist doch die Zerstörungswut unübersehbar.

Auch die Grünen konstatieren Schwerpunkte in Möhringen, Degerloch, am Frauenkopf und in den Neckarvororten; auch im Stuttgarter Zentrum (Wahlkreis I) seien viele Plakate ihrer Bewerberin Muhterem Aras „nicht nur abgerissen, sondern gänzlich verschwunden“, berichtet Wahlkampfmanager Robert Hintz. Für manches heruntergerissene Kandidatenporträt seien freilich auch die Windböen der vergangenen Tage verantwortlich. Ein „Besorgnis erregendes Niveau“ will man bei den Grünen nicht beobachtet haben. Ähnlich die Auskunft aus der SPD-Wahlkampfzentrale: Es seien „keine besonderen Auffälligkeiten zu beobachten“, das Ausmaß der Beschädigungen sei ähnlich wie bei vorangegangenen Wahlkämpfen auch.

AfD: Nicht akzeptable Ausmaße

Die AfD hingegen beklagt, dass die Zerstörung der Wahlplakate „nicht mehr akzeptable Ausmaße“ erreicht habe. Von 1500 aufgehängten Plakaten sei circa ein Drittel abgerissen worden, teilt Karl-Friedrich Hotz, Sprecher der Stuttgarter AfD, mit. Auffällig sei, dass die Wahlwerbung komplett entwendet worden sei: „In Botnang wurden etwa von 30 Plakaten 28 gestohlen.“ 18 der 26 Großplakate seien nach einer Woche umgeworfen und einige davon beschädigt oder mit Sprüchen übermalt und so unbrauchbar gemacht worden.

Die Polizei sieht unterdessen wenig Chancen, die Plakatzerstörer zu ermitteln. Man könne schon aufgrund der Personalknappheit nicht neben jedes Wahlplakat einen Beamten stellen, so Sprecher Olef Petersen: „Wenn wir allerdings jemanden auf frischer Tat ertappen, gibt es eine Anzeige wegen Sachbeschädigung.“ Die Besatzungen der Streifenwagen hielten die Augen offen. Auch Petersen glaubt, für viele heruntergerissene Plakate den Sturm als Ursache ausgemacht zu haben. „Manches ist aber auch organisiert , keine Frage.“

Die FDP hat insbesondere auf den Fildern bereits Plakate nachbestellen müssen, weil die Exemplare ihrer Bewerberin Gabriele Reich-Gutjahr abhandengekommen sind. „Aus den anderen Wahlkreisen haben wir aber keine Meldungen über massive Zerstörungen“, sagt der Kreisvorsitzende Armin Serwani. Dass manches Plakat auch einfach im jugendlichen Überschwang kaputt gemacht wird, zeigt das Beispiel eines Mailschreibers, der sich Jahre später bei Serwani für seine Taten entschuldigt hat. „Mittlerweile liest er die Programme der Parteien – vielleicht wählt er diesmal ja sogar die FDP“, hofft der Parteichef.