Deutsche Autos sind „furchtbar“, sagt ­US-Präsident Trump. Doch mitten im konservativenSouth Carolina steht das größte BMW-Werk der Welt – und das 25-Jahr-Jubiläum ist für den Gouverneur ein Grund zum Feiern.

Spartanburg - Für den Flughafen zweier Provinzstädte mit zusammen gerade einmal 100 000 Einwohnern scheint der Greenville-Spartanburg Airport ein paar Nummern zu groß geraten zu sein. Auf der 3300 Meter langen Landebahn im Nordwesten des US-Bundesstaates South Carolina kann problemlos ein voll beladener Jumbo-Jet aufsetzen. Das weitläufige Terminal mit deckenhohen Glasfronten wurde vor ein paar Jahren rundum modernisiert. Ein Bauzaun kündigt die Eröffnung eines neuen Restaurants des Austrokaliforniers Wolfgang Puck an. Statt der landesüblichen Spareribs wird es hier Trüffelchips mit Blaukäse-Sauce, Pad-Thai-Nudeln und Wiener Schnitzel geben. Noch ungewöhnlicher ist das Ausstellungsstück, das in der Ankunftshalle parkt: ein metallicblauer BMW X4 M40i mit einer Dreilitermaschine und einem dezenten Preisschild über 59 095 Dollar (rund 53 000 Euro). Anstelle des Nummernschilds prangt eine Plakette mit dem weiß-blauen Signet des Münchner Konzerns: „Proud To Call South Carolina Home“ (Ich bin stolz, South Carolina mein Zuhause zu nennen) steht darauf.

 

Der republikanische Gouverneur lobt den deutschen Autokonzern

Ein Bayer – stolz auf den tiefsten Süden der USA? Eine deutsche Luxuskarosse als Markenzeichen einer streng konservativen Region, in der Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen im November mehr als 60 Prozent der Stimmen holte? Wer nach einer Auflösung dieser Widersprüche sucht, muss auf der Interstate 85 ein paar Meilen nach Osten fahren. Auf einem 460 Hektar weiten Gelände breitet sich da inmitten grüner Felder ein gigantisches Ensemble strahlendweißer Fabrikgebäude aus – das größte BMW-Werk der Welt.

Vor 25 Jahren fiel die Standortentscheidung des Münchner Konzerns für Spartanburg. Am Montag wird gefeiert. Der BMW-Vorstandschef Harald Krüger kommt und selbstverständlich auch der Gouverneur von South Carolina, Henry McMaster. „Die Partnerschaft mit Deutschland macht einen großen Teil unserer ökonomischen Stärke aus“, lobt der Republikaner bei jeder Gelegenheit. Sicher wird er applaudieren, wenn zur Feier des Tages der weltweit erste Kompakt-SUV der neuen X3-Generation vom Band läuft – ausgerechnet in einem Stammland seines Parteifreundes Donald Trump. „Die Deutschen sind böse, sehr böse. Schauen Sie sich die Millionen von Autos an, die sie in den USA verkaufen. Furchtbar“, hatte der Präsident vor einem Monat in Brüssel gewettert.

„BMW hat uns gerettet“, sagt der Verkaufsmanager eines US-Zementherstellers

Die Deutschen – böse? Vielleicht sollte Trump einmal ein Wochenende nicht auf dem Golfplatz, sondern in Spartanburgs elegantem Nachbarort Greenville verbringen. Seit der Gründung der ersten Baumwollspinnereien Ende des 19. Jahrhunderts schlug in dieser Ecke des von Evangelikalen geprägten Bibelgürtels das Herz der amerikanischen Textilindustrie. Mit dem Exodus der Branche nach Asien setzte in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein dramatischer Niedergang ein. Zehntausende Jobs in der Region gingen verloren. Geschäfte machten Pleite. Das Zentrum von Greenville verödete. „Hier war tote Hose“, erinnert sich der deutsche Honorarkonsul Clemens Schmitz-Justen an seinen ersten Besuch in Greenville 1993.

Heute empfängt den Besucher eine angenehme, europäisch anmutende Innenstadt mit Parks und vielen Bäumen entlang einer Flanierstraße. Die Arbeitslosenquote liegt unter dem US-Wert von 4,3 Prozent. Viele junge Berufstätige sind aus dem Umland in schicke ehemalige Fabrikgebäude gezogen. Die Mieten steigen. Es gibt kleine Geschäfte und gute Restaurants, in denen man bisweilen mit „Gutten Tack“ begrüßt und mit „Dankie“ verabschiedet wird.

Erst die Ankunft von BMW vor 25 Jahren brachte den Umschwung

Schon frühzeitig hatten sich Maschinenbauer und der Reifenhersteller Michelin in der Region angesiedelt. Doch erst die Ankunft von BMW vor 25 Jahren brachte den Umschwung. „BMW hat uns gerettet“, sagt David Britt. Der Verkaufsmanager eines US-Zementteileherstellers weiß, wovon er spricht: Er sitzt seit 1991 im Bezirksparlament von Spartanburg. Der deutsche Autokonzern habe mit Investitionen von insgesamt 7,8 Milliarden Dollar die „Region zu einem industriellen Mekka gemacht“, schwärmt der Republikaner.

Knudt Flor ist kein Freund großer Gesten. Im offenen weißen Hemd mit Firmen-Emblem und eingesticktem Vornamen auf der Brust könnte man den Leiter des BMW-Werkes in Spartanburg für einen gewöhnlichen Angestellten halten. Beim Rundgang durch die hochtechnisierten Fertigungshallen, in denen die Karossen aller weltweit verkauften SUV-Fahrzeuge zusammengesetzt und lackiert werden, zählt der Manager die Eckdaten auf: 411 000 Fahrzeuge liefen hier 2016 vom Band. Bald soll die Jahresproduktion auf 450 000 steigen. Mehr als zwei Drittel davon werden ins Ausland verkauft. Damit ist BMW der größte Autoexporteur der USA. Fast 9000 Männer und Frauen arbeiten hier. Das Unternehmen hat zahlreiche Zulieferer nachgezogen. Insgesamt, so Flor, sichere der bayerische Konzern etwa 30 000 Jobs in der Region und 70 000 in den ganzen USA. „BMW wird längst als lokale Marke gesehen“, berichtet der Manager stolz.

„In der Sprache von Präsident Trump verdienen die eine Eins plus“

Das sieht Henry McMaster, der Gouverneur von South Carolina, genauso. Äußerlich könnte der Kontrast zwischen dem konservativen Südstaatler im dunkelblauen Nadelstreifenanzug und dem nüchternen Nordfriesen Flor kaum größer sein. Doch als beide Ende Mai die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries in Spartanburg begrüßen, klingt der Politiker wie Flors Firmensprecher. Anders als Donald Trump, den er im Wahlkampf leidenschaftlich unterstützte, kommt dem Gouverneur kein böses Wort über die Deutschen über die Lippen: „Die Anwesenheit der Ministerin unterstreicht, dass South Carolina in der globalen Wirtschaft mitmischt“, sagt er: „Das ist gut für die Menschen in South Carolina. Und das ist gut für die Menschen in Deutschland.“

Der Gouverneur begrüßt die SPD-Politikerin in französischer Aussprache als Brigitte „Surprise“ (zu Deutsch: Überraschung). Für großes Erstaunen unter den deutschen Journalisten sorgt er dann, als er die Beziehung zu BMW beschreibt: „In der Sprache von Präsident Trump verdienen die eine Eins plus.“

Im Weißen Haus herrscht ein Glaubenskrieg: noch ist unklar, wer gewinnt

So spürt man die ganze Widersprüchlichkeit der republikanischen Politik zwischen wirtschaftsliberaler Überzeugung und isolationistischer Rhetorik. Auch im Weißen Haus tobt ein Glaubenskrieg zwischen den Anhängern des Freihandels und nationalistischen Ideologen. Noch ist unklar, wer gewinnt. Das neue Werk, das BMW derzeit – zusätzlich zu Spartanburg – in Mexiko errichtet, ist Trump ein Dorn im Auge. Er hat dem deutschen Konzern mit einer Importsteuer von 35 Prozent gedroht. „Wir spekulieren nicht“, wehrt Flor darauf bezogene Fragen ab. Aber so viel sagt der Manager doch: „Sollte es so weit kommen, könnten wir leicht umschalten.“ Dann würde BMW in South Carolina wohl die 3er- oder die 5er-Reihe für den US-Markt fertigen und weniger Geländewagen bauen und exportieren. Das wäre unschön für die Handelsbilanz der USA, die ohnehin zu wenig Ausfuhren vorweisen kann.

Sehr beunruhigt klingt der Werksleiter nicht. Warum auch? Seit den 1990er Jahren haben die Amerikaner alles getan, um BMW nach South Carolina zu locken und dort zu halten: günstiges Bauland, Straßenausbau, massive Steuervorteile. US-Medien schätzten den Wert der Subventionen auf 130 bis 145 Millionen Dollar. Gewerkschaften spielen hier kaum eine Rolle. Die Landebahn des Flughafens wurde verlängert, und als BMW reklamierte, sie bräuchten größere Frachtschiffe, ließ ein Vorgänger von Gouverneur McMaster den Hafen von Charleston ausbaggern. 800 bis 1000 BMW-Geländewagen werden dort nun jede Nacht verschifft.

Der Milliardär Trump ist vor der Faszination der „bösen“ deutschen Autos nicht gefeit

„South Carolina ist stolz, ein Teil der BMW-Familie zu sein“, hatte der republikanische Senator Lindsey Graham, ein innerparteilicher Kritiker des Präsidenten, nach dessen Drohungen demonstrativ getwittert. Ob das Trump beeindruckt, ist fraglich. Allerdings ist der Milliardär gegen die Faszination der „bösen“ deutschen Autos keineswegs gefeit: Für 455 000 Dollar legte er sich 2003 einen Mercedes-Benz SLR McLaren zu, nach seiner Hochzeit mit Melania zwei Jahre später sprang er in einen Mercedes Maybach. Am effektivsten wäre es, Trump einmal zum BMW-Werk nach Spartanburg zu locken. Dort könnte er in einen schnittigen Sportwagen steigen: Vor allem der Hybrid-Flitzer BMW i8 mit Flügeltüren und 362 PS fasziniert die Besucher. Viele wollen Probe sitzen. Nicht alle kommen ohne fremde Hilfe wieder heraus.