Sushi-Lieferservice, Galerie, Agentur: die Geschichte des Zusammenschlusses Brightzeit in Stuttgart ist ungewöhnlich. Am Samstagabend lädt das Kreativ-Konglomerat zu einer Ausstellung.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgarrt - Es könnte keinen größeren Kontrast geben zwischen dem Café Nast neben dem Stuttgarter Rathaus und den beiden Gästen, die soeben die altehrwürdige Café-Institution betreten haben. Benni Erbsland und Stefan Büttner, den alle Welt nur Stoff ruft, sehen aus, als seien sie einem Hip-Hop-Hipster-Video entsprungen. Erbsland trägt Wollmütze zum Vollbart, Büttner hat einen Zipfel seiner Haarpracht in einen schwäbischen Minidutt transformiert.

 

Die beiden Vertreter der Generation Sojamilch haben sich bewusst für einen Treffpunkt der Altersklasse Cappuccino mit Sahne entschieden, weil sie den gepflegten Gegensatz bei jeder Gelegenheit zelebrieren. Erbsland und Büttner betreiben gemeinsam mit ihren beiden Mitstreitern Dorian Langer und Marc Büttner das Kreativ-Konglomerat Brightzeit im Stuttgarter Westen. Der Zusammenschluss bezeichnet sich selbst als Galerie ohne Sektempfang, Agentur ohne Designer und Laden ohne Öffnungszeiten.

Die CD-Release-Party des Stuttgarter Hip-Hoppers Dexter, im echten Leben Kinderarzt, haben die Brightzeit-Herren im Sommer dieses Jahres kurzerhand im Schlossgarten veranstaltet. Bei der Langen Nacht der Museen verwandelten sie im vergangenen Jahr das Azenberg-Areal in einen durchgeknallten Vergnügungspark mit Live-Malerei, Musik und mehr. Damit nicht genug: Stoff Büttner zeichnet gemeinsam mit seiner Schwester Karin für den Sushi-Lieferservice „I love Sushi“ verantwortlich.

Benni Erbsland hat früher unter anderem T-Shirts designt, Stoff Büttner war Mitglied der Stuttgarter Rap-Formation Reimstoff. „Wir hatten unser Studio im H 7. Als die ehemalige Bahndirektion geräumt werden musste, habe ich einen Raum für das ganze Equipment gesucht“, erzählt Büttner. „Zur gleichen Zeit hatte ein riesiger Plotter zum Bedrucken von Shirts in meiner 40-Quadratmeter-Bude ein eigenes Zimmer. Das Gerät brauchte dringend ein neues Zuhause“, erinnert sich Erbsland. Als sich die beiden zufällig nachts über den Weg liefen, war schnell klar, dass man einen Raum für das Equipment und gemeinsamen Schabernack suchen würde.

An der Breitscheidstraße 106 im Westen wurde man schließlich fündig. Das Fotofachgeschäft „Steht dir gut“, in dem sich der Rapper Cro und DJ Psaiko Dino kennengelernt hatten, hatte dicht gemacht. Die Brightzeit – der Name bezieht sich auf die Breitscheidstraße und ist gleichzeitig eine Hommage an Monty Pythons „Always look on the bright side of life“ – öffnete an dieser Stelle die Türen zu einem multifunktionalen Wunderland, das je nach Anlass Kulisse für einen Videodreh, Agentur oder wie an diesem Samstag Galerie ist.

Bei allen unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern bleibt Hip-Hop der rote Faden für die vier Jungs Anfang 30. „Wir nehmen die Kultur nicht als Konsumenten wahr, sondern als Produzenten“, sagt Benni Erbsland. „Ob ich einen Sushi-Lieferservice aufbaue oder eine Band promote – die Mechanismen bleiben die selben“, ergänzt Stefan Büttner. Dabei ist die Brightzeit in Bezug auf den Arbeitsethos ein schwäbisches Konstrukt, übersetzt in die Jetztzeit. „Das ist unser Freiraum, um neben unseren eigentlichen Jobs mit guten Leuten zusammenzuarbeiten“, sagt Erbsland, der bei der Agentur Discodöner angestellt ist. „Hier holen wir die Leute in einen Raum, die wir privat gut finden und mit denen wir zusammenarbeiten wollten.“

Zum Beispiel den Stuttgarter Künstler Luc P. , der am Samstag ab 18 Uhr kleinformatige Bilder in der Brightzeit ausstellt. Stoff Büttner serviert asiatischen Glühwein zur Kunst – die Bedeutung von Gegensätzen im Brightzeit-Kosmos wurde eingangs schon erwähnt. Nach der Ausstellung legt Dexter im Club Freund und Kupferstecher Hip-Hop auf. Anfang Dezember verwandelt sich der Galerien-Agentur-Hybrid übrigens für eine Woche in ein Tätowierstudio. Die beste Tätowierung haben sich die Brightzeit-Mitglieder indes schon bei anderer Gelegenheit stechen lassen: Jeder einzelne trägt einen „Always look on the bright side“-Schriftzug auf der Wade. Die Tätowierungen werden im Café Nast bereitwillig präsentiert – sehr zur Freude der gesetzteren Gäste am Nebentisch.