Das Wort Bürgerbeteiligung führen Politiker neuerdings stets im Munde. Doch wie weit sollen die Möglichkeiten zur Mitgestaltung reichen? Eine Analyse am Beispiel Stuttgart.

Stuttgart - Ein Dienstagabend im Stuttgarter Rathaus: rund zwei Dutzend Vertreter von Bürgerinitiativen und Umweltgruppen haben sich im Mittleren Sitzungssaal versammelt, um mit Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) über sein Energiekonzept zu diskutieren. Das lange angekündigte Gespräch läuft unter dem Signum Bürgerbeteiligung: Außer diversen Stadträten und Verwaltungsangestellten finden sich im Publikum freilich keine Bürger – die Veranstaltung war als nicht öffentlich deklariert worden. Ob das Interesse an diesem für die Stadt bedeutsamen Thema andernfalls besonders groß gewesen wäre, darf bezweifelt werden.

 

Das Beispiel zeigt erneut, wie schwer sich die Landeshauptstadt mit der Bürgerbeteiligung tut. Einerseits ist das Bemühen von OB Kuhn und seiner Verwaltung unübersehbar, die von Ministerpräsident Kretschmann ausgerufene „Politik des Gehörtwerdens“ auch auf kommunaler Ebene zu verankern. Andererseits hält sich das Engagement der Bürger zahlenmäßig in engen Grenzen. So haben jüngst auf dem von der Stadt eingerichteten Online-Beteiligungsportal 380 Teilnehmer insgesamt 793 Ideen und Vorschläge zum Thema Nahverkehrsplan eingereicht. Für die Stadt ein Erfolg: „Der öffentliche Nahverkehr bewegt die Stuttgarter“, lautete der erste Satz der entsprechenden Pressemitteilung.

Hausbesitzerlobby fordert Reform des Bürgerhaushalts

Ähnliches war von städtischer Seite auch schon nach der dritten Auflage des Bürgerhaushalts zu vernehmen, an dem sich – trotz deutlicher Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren – lediglich 8,6 Prozent der wahlberechtigten Stuttgarter Bevölkerung beteiligt hatte (die StZ berichtete). Schon gibt es Stimmen, die für eine Abschaffung des Bürgerhaushalts in seiner jetzigen Form plädieren. Klaus Lang, Ex-Finanzbürgermeister und jetzt Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins, fordert ein stadtbezirksorientiertes Verfahren. Der finanzielle und personelle Aufwand für die Stadt, so Lang, sei nicht gerechtfertigt. Brisante allgemeine kommunalpolitische Themen wie etwa bezahlbarer Wohnraum spielten beim Bürgerhaushalt nur eine untergeordnete Rolle, stattdessen würden Einzelprojekte aus den Stadtbezirken von örtlichen Lobbyisten gepusht. In Sachen Lobbyismus kennt sich Lang aus: Noch vor zwei Jahren hatte Haus & Grund zum Bürgerhaushalt eine Kampagne zur Senkung der Grundsteuer gestartet – vergeblich.