Campuskind-Gastautorin Marie Hertfelder verzichtet eine Woche lang auf das Internet. Am zweiten Tag schon hat sie das Gefühl, ausgeschlossen zu sein – denn ohne Netz keine Infos über Uni-Termine und kein Zugang zu Vorlesungsmaterial.

Campuskind-Gastautorin Marie Hertfelder verzichtet eine Woche lang auf das Internet. Am zweiten Tag schon hat sie das Gefühl, ausgeschlossen zu sein – denn ohne Netz keine Infos über Uni-Termine und kein Zugang zu Vorlesungsmaterial.

 

Tübingen - Am zweiten Tag meines Selbstversuches ist das Bus-Fiasko vom Vortag schon fast vergessen. Normalerweise würde ich nach dem Aufstehen erst mal meine Nachrichten checken – WhatsApp, E-Mail, iMessage – noch vor dem ersten Kaffee. Könnte ja wichtig sein. Stattdessen also Funkstille, das Telefon bleibt stumm. Zum Frühstück gibt es dieses Mal keine trimediale Schalte – Radio, Zeitung, Smartphone. Seit langem lese ich die Tageszeitung mal wieder aufmerksam durch. Die Orgeln der Dorfkirche in Tucheim schimmeln, eine Schildkröte ist aus dem Zoo ausgebüxt und für Ostern wird Schnee erwartet. So weit, so gut. Mir fehlt das Netz jetzt schon.

Auf dem Weg zur Uni fällt mir ein Aushang auf. Irgendwie ist man schon viel aufmerksamer, wenn man nicht dauernd auf das Handy stiert. „Suche dringend WG-Zimmer in Uninähe“ steht da. Zufälligerweise weiß ich von einem Freund, bei dem ein solches Zimmer gerade frei geworden ist. Ich würde ja gerne helfen, der Verfasser hat jedoch ausschließlich eine E-Mail-Adresse angegeben. Online zu sein ist eine Selbstverständlichkeit, die keiner weiteren Erklärung bedarf. Immer erreichbar.

Für Studierende gibt es viele Möglichkeiten sich untereinander auszutauschen. Einen Dropbox-Ordner, die „Ersti-Gruppe“ auf Facebook, der Uni-Mail-Account, Google Docs – die Auswahl ist grenzenlos, eines haben diese Dienste alle gemeinsam: Sie sind nur online zu erreichen. Alles Mögliche wird da diskutiert, hochgeladen, ausgetauscht. Die Mail meines Dozenten, dass die Sitzung ausfällt, erreicht mich nicht, ich stehe alleine vor verschlossener Türe. Meine Referatsgruppe trifft sich ohne mich und die Literatur zur nächsten Vorlesung kann ich nicht runterladen. Auf einmal kommt mir das Internet vor wie ein elitärer Zirkel, zu dem ich keinen Zutritt habe.

Die Autorin Marie Hertfelder, 22, studiert Politikwissenschaft und Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. In den kommenden Tagen veröffentlichen wir weitere Teile ihres Erfahrungsbericht zum selbstauferlegten Internet-Entzug. Den ersten Artikel lesen Sie hier.