Das Spitzentreffen der CDU wird von der Debatte über die Steuerehrlichkeit überschattet.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Erfurt - Einen Tag, nachdem ihr Schatzmeister das Handtuch geworfen hat, sieht Angela Merkel allen Grund, sich gehörig aufzuregen. Sie echauffiert sich aber weder über Helmut Linssens dubiose Finanzgeschäfte in der Karibik noch über mangelnde Steuerehrlichkeit im Allgemeinen. Die undiplomatische US-Diplomatin Victoria Nuland bietet Gelegenheit, Fehlverhalten zu geißeln, ohne die eigene Partei erwähnen zu müssen.

 

Die Linssen-Affäre und der anhaltende koalitionsinterne Zwist über den Umgang mit Steuerhinterziehern überschatten gleichwohl das Klausurtreffen des CDU-Bundesvorstandes, das am Freitagnachmittag in Erfurt begonnen hat. Vorab hatte der CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble noch einmal bekräftigt, dass er an der strafbefreienden Selbstanzeige festhalten will – ungeachtet erneuter Vorstöße aus der SPD für einen Verzicht auf dieses Instrument. „Überzeugende Gründe für eine Abschaffung sehe ich nicht“, sagte Schäuble. Er warnte den Koalitionspartner zudem davor, über das Ziel hinauszuschießen. Verschärfungen seien zwar möglich, aber „man muss dabei vorsichtig vorgehen, wenn man das Instrument nicht erledigen will“, mahnte er. Schäuble sprach sich dagegen aus, den Schwellenwert für eine Selbstanzeige zu senken. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner unterstützte Schäubles Position. Die SPD möge zunächst einmal parteiintern ihre Haltung abstimmen. Klöckner verwies auf einige Finanzminister aus den Ländern, auch sozialdemokratische, die unbedingt an der Selbstanzeige festhalten wollen.

Die Partei ist erleichtert über Linssens Rücktritt

Der Rückzug des Bundesschatzmeisters Linssen wird in Erfurt allenfalls auf den Fluren diskutiert. Linssen hatte tags zuvor nach einem Gespräch mit Merkel erklärt, er werde sein Amt als oberster Kassenwart der CDU niederlegen. Der ehemalige nordrhein-westfälische Finanzminister war unter Druck geraten, weil er privates Vermögen bei einer Scheinfirma auf den Bahamas und in Panama angelegt hatte – beides Steueroasen. Linssens Abgang wird in der Führungsetage der Partei mit Erleichterung zur Kenntnis genommen. Eine andere Reaktion sei niemals in Frage gekommen, sagt ein Mitglied des Parteipräsidiums. Eine Debatte über die Steuerehrlichkeit ausgerechnet ihres Schatzmeisters hätte die CDU nicht bestehen können, betont der Funktionär. Vor knapp 15 Jahren war die Union wegen eines Spendenskandals, in dem schwarze Kassen und verschleierte Geldzuweisungen eine Rolle spielten, in schwere Turbulenzen geraten. Der damalige Parteichef Schäuble verlor darüber sein Amt. Der Altkanzler Helmut Kohl musste seinen Titel als Ehrenvorsitzender niederlegen. Mit dem Spendenskandal begann die Ära Merkel in der CDU.

Eigentlich geht es in Erfurt nicht um Spenden oder Steuerehrlichkeit oder den Ruf des Schatzmeisters, sondern um die Europawahl. Die CDU kürt den früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister zum Spitzenkandidaten und beschließt ihr Wahlprogramm. Seine Partei, sagte McAllister, werde sich im Wahlkampf auch an mögliche Protestwähler wenden. Ohne auf die eurokritische Alternative für Deutschland direkt einzugehen, die bei der Bundestagswahl knapp den Einzug ins Parlament verpasst hat, sagte er: „Wir werden deutlich machen, dass es sehr gute Argumente für die europäische Einigung und gemeinsame Währung gibt und dass wir gleichzeitig deutsche Interessen wirksam vertreten.“

In dem Entwurf für ihr Wahlprogramm pocht die CDU darauf, dass die Festigung der Europäischen Union mit ihren nun 28 Mitgliedstaaten in den nächsten Jahren Vorrang vor der Erweiterung hat. An Merkels Kurs zur Euro-Stabilisierung und der Hilfe zur Selbsthilfe für finanzschwache Länder will die CDU nichts ändern.