Die Südwest-CDU hat Guido Wolf hinter sich. Seine Beliebtheit bei den Bürgern aber lässt noch zu wünschen übrig. Der Abstand zum Grünen Kretschmann macht manche Schwarze nervös – und provoziert einen bösen Vergleich.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Rust - Das ZDF-Politbarometer wurde ziemlich selektiv wahrgenommen beim CDU-Landesparteitag im Europapark Rust. Entscheidend sei, dass Grün-Rot keine Mehrheit mehr habe, konstatierte der Spitzenkandidat Guido Wolf. Ansonsten gefalle ihm in der Umfrage „noch nicht jede Zahl abschließend“.

 

Gemeint waren wohl jene 37 Prozent, auf die die CDU bei der Sonntagsfrage taxiert wurde. Selbst zusammen mit der FDP (5 Prozent) lag sie damit deutlich hinter den addierten Werten von Grünen (27 Prozent) und SPD (18 Prozent), was freilich für beide Lager keine Regierungsmehrheit ergäbe. Gar nicht gefallen konnten Wolf aber vor allem zwei weitere Zahlen: 58 der Befragten bis ins CDU-Lager hinein hätten lieber Winfried Kretschmann als Ministerpräsidenten, gerade mal 17 Prozent ihn; damit erreichte seine Popularität nicht einmal ein Drittel der des Grünen.

Die Parteibasis in Rust gibt sich begeistert

Der Abstand passte so gar nicht zu dem Jubel, mit dem Wolf im Europapark gefeiert wurde. So wenig er – ausweislich auch anderer Umfragen – bisher die Bürger begeistert, so begeistert ist oder gibt sich jedenfalls die Parteibasis von ihm. Minutenlanger Beifall im Stehen, Delegierte mit hochgereckten „Wir-für-Guido“-Schildern – immer wieder wurde in Rust betont, dass man wirklich einen „sehr guten“, einen „tollen“ Spitzenkandidaten habe. Es klang ein bisschen so, als müsste man das herausstreichen, damit es auch jeder merkt.

Eines jedenfalls hat Wolf erreicht: die Partei, die in der Mitgliederbefragung vor Jahresfrist noch zwischen ihm und Landeschef Thomas Strobl schwankte, steht heute nahezu geschlossen hinter ihm. Er habe der Basis die Zuversicht vermittelt, „dass wir mit ihm die Wahl gewinnen können“, sagt ein Landesvorständler. Die Motivation der Wahlkämpfer stimmt also, das ist schon mal die halbe Miete.

Sympathisch im persönlichen Kontakt

Wie aber überzeugt man auch die Wähler von den Qualitäten des Spitzenkandidaten? Ganz einfach, sagen die einen: Wolf müsse möglichst viel raus ins Land, sich noch mehr bekanntmachen. Überall dort, wo ihn die Menschen persönlich erleben könnten, seien sie höchst angetan von ihm. Da gewinne er als launiger Redner und aufmerksamer Zuhörer, der glaubhaft „nahe bei den Bürgern“ sei, viele Sympathien. Bei ihnen im Wahlkreis komme der Kandidat „hervorragend“ an, versichern Landtagsabgeordnete unisono. Selbst bei rastlosem Einsatz aber kann sich Wolf nur einem Bruchteil der Wähler direkt empfehlen.

Wie also lässt sich der Beliebtheitsvorsprung des grünen Regierungschefs verringern? Es gelte Kretschmann zu „entzaubern“, lautete die Parole in Rust – wobei weniger seine Person als vielmehr seine Regierungsbilanz kritisiert werden soll. Seiner Strahlkraft konnte das bisher wenig anhaben, vielleicht auch deshalb, weil Kretschmann ganz selbstverständlich etwas ist, was Wolf stets zu sein herausstreicht: ganz er selbst, also authentisch.

Die Brille als Beweis für Authentizität

Auch in Rust redete der 54-Jährige wieder darüber, dass er sich stets treu geblieben sei, sich „nicht verbiegen lassen“ werde. Zum Beweis musste mal wieder seine markante Brille herhalten, die er trotz wohlgemeinter Ratschläge nicht wechseln wird. Die einen spöttelten über eine „Brille ohne Gesicht“, andere lobten das Gestell als „Stilikone“ – mal ärgere, mal amüsiere es ihn, was so geredet werde, berichtete Wolf. Vielleicht muss er seine Authentizität so betonen, weil bei seinen Auftritten doch manches aufgesetzt, einstudiert wirkt.

Auch die vielbeklatschte Rede in Rust war hier und da etwas zu durchsichtig auf Effekte angelegt – etwa, als Wolf an einer Stelle, wo er über kleine Leute sprach, plötzlich innehielt: Da müsse er aufpassen, mit seiner Körpergröße sitze er ja „im Glashaus“. Mit solcher Selbstironie kompensiert der CDU-Vormann einen Nachteil gegenüber seinem Grünen-Rivalen: Kretschmann kommt schon von der Statur wie ein Ministerpräsident daher. Wolf hingegen, zierlich und mit hoher, leicht näselnder Stimme, wird von Parteifreunden schon mal mit „Pumuckl“ oder „Mickymaus“ verglichen. Dafür könne er natürlich nichts, fügen sie hinzu, aber in der Politik spiele so etwas eine Rolle.

Am Ende der Scharping der CDU

Hat die CDU also vielleicht doch ein „Kandidatenproblem“, wie ein SPD-Stratege am Wochenende stichelte? Hätte sie doch eher auf den Landeschef Strobl setzen sollen, der auch nicht immer authentisch wirkte, aber seit seiner Niederlage an Statur gewonnen hat? Laut werden solche Fragen in der Partei nicht erörtert, dafür ist es schlicht zu spät. Angesichts von Wolfs anhaltend bescheidenen Werten aber kursiert zuweilen wieder ein böser Vergleich: Vielleicht sei Wolf ja „der Scharping der CDU“. Soll heißen: vielleicht überzeuge er wie der einstige SPD-Chef zwar seine Partei, nicht aber die Bürger. Regierungschef wurde später bekanntlich ein Genosse, den die Basis zunächst verschmäht hatte.