Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

In Hemmingen kommt Özdemirs migrationspolitischer Katalog des Fördern und Forderns an. Spätestens bei dem Witz, dass die Sache mit der Amtssprache auch für den Schwaben Özdemir gelte, ist ihm der Beifall sicher. Abends bei seinem Wahltermin im Sumpfblume-Kulturzentrum in Hameln fügt er noch hinzu, sein Problem mit der deutschen Asylpolitik sei, „dass wir oft die Falschen abschieben“. Natürlich könnten nicht alle, die gekommen sind, bleiben. Aber dass Gefährder wie der Berlin-Attentäter Anis Amri im Land bleiben könnten und der afghanische Jugendliche mit den guten Deutschkenntnissen und günstigen Integrationsaussichten abgeschoben werden soll, nennt er widersinnig.

 

Bei den „Cem-Sessions“, wie die Wahlveranstaltungen in Anspielung auf Jamsessions zum spontanen Improvisieren bei Jazzern benannt wurden, geht es um Integration und um Klimaschutz, um den Diesel, das Auto der Zukunft und die Zukunft der deutschen Autoindustrie. Es geht um Entlastungen für klassische Frauenberufe wie Erzieherin, Alten- und Krankenpflegerin und um die Abschaltung der zwanzig schmutzigsten Kohlekraftwerke.

Den ersten Beifall erntet Özdemir immer für den Dank an die Polizei

Die Fragen aus dem Publikum ähneln sich, egal ob Özdemir im eigenen Wahlkreis im Stuttgarter Bürgerhaus West, in der Dresdner Studentenkneipe Bärenzwinger oder in der „Sumpfe“ von Hameln auftritt. Zwei Dinge bleiben immer gleich: Bei jeder „Cem-Session“ dankt Özdemir zuallererst seinen Sicherheitsbeamten, die seit seiner Armenien-Rede im Bundestag bei öffentlichen Auftritten immer dabei sind (weil er mit Drohungen und Feindseligkeiten von Erdogan-Anhängern jederzeit rechnen muss), und dem Bundeskriminalamt, das Veranstaltungen der Opposition möglich macht, während die Sicherheitsbehörden in Diktaturen sie häufig verhinderten. Da gibt es immer Beifall für ihn und für die Polizei. Und das Problem, dass die Grünen lange Zeit einen blinden Fleck bei dem in der Flüchtlingskrise noch gewachsenen Sicherheitsbedürfnis der Bürger hatten, hat Özdemir damit fürs Erste abgeräumt.

Gleich bleibt auch immer das Stehpult, das aus einem kreisrunden, mit grünem Filz bezogenen Podest herauszuwachsen scheint. Eine nierenförmige Holzplatte ruht auf den drei Zweigen einer grob behauenen Astgabel. Roh und unbearbeitet wirkt das Möbel, improvisiert und völlig aus der Zeit gefallen. Denn da steigt ja kein zottelbärtiger Bewegungs-Grüner in Latzhose und Grobstrickpulli auf die Bühne, wie es vor 35 Jahren der Fall gewesen wäre. Da steht der Oberrealo Cem Özdemir, der unbedingt regieren will und nicht nur beim Talk mit CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble im TV-Studio von Anne Will so konsequent für Schwarz-Grün wirbt, dass die „Neue Züricher Zeitung“ ihn zum Schwärzesten unter den Grünen gekürt hat.

Zwar geht die Ökopartei ohne Koalitionsaussage in die Bundestagswahl. Aber seit der Schulz-Hype abgeflaut ist, der SPD-Herausforderer das Kanzlerduell verloren hat und Angela Merkels Verbleib im Amt ziemlich sicher erscheint, tritt die schwarz-grüne Linie, die Özdemir immer gehalten hat, noch klarer hervor. Während Katrin Göring-Eckardt im Wahlkampf stärker für den internationalen Klimaschutz und die sozialen Themen wirbt und damit dem grünen Weltverbesserungseros Tribut zollt, steht Özdemir für Klimaschutz in Deutschland und die Versöhnung von Wirtschaft und Umwelt, von der vor allem die Autoindustrie profitieren soll. „Ich hätte mir auch nicht vorstellen können, dass wir mal den deutschen Automobilstandort retten müssen“, sagt er gerne. „Aber jetzt machen wir es halt, wenn die anderen es nicht schaffen.“

In Hemmingen kommt Özdemirs migrationspolitischer Katalog des Fördern und Forderns an. Spätestens bei dem Witz, dass die Sache mit der Amtssprache auch für den Schwaben Özdemir gelte, ist ihm der Beifall sicher. Abends bei seinem Wahltermin im Sumpfblume-Kulturzentrum in Hameln fügt er noch hinzu, sein Problem mit der deutschen Asylpolitik sei, „dass wir oft die Falschen abschieben“. Natürlich könnten nicht alle, die gekommen sind, bleiben. Aber dass Gefährder wie der Berlin-Attentäter Anis Amri im Land bleiben könnten und der afghanische Jugendliche mit den guten Deutschkenntnissen und günstigen Integrationsaussichten abgeschoben werden soll, nennt er widersinnig.

Bei den „Cem-Sessions“, wie die Wahlveranstaltungen in Anspielung auf Jamsessions zum spontanen Improvisieren bei Jazzern benannt wurden, geht es um Integration und um Klimaschutz, um den Diesel, das Auto der Zukunft und die Zukunft der deutschen Autoindustrie. Es geht um Entlastungen für klassische Frauenberufe wie Erzieherin, Alten- und Krankenpflegerin und um die Abschaltung der zwanzig schmutzigsten Kohlekraftwerke.

Den ersten Beifall erntet Özdemir immer für den Dank an die Polizei

Die Fragen aus dem Publikum ähneln sich, egal ob Özdemir im eigenen Wahlkreis im Stuttgarter Bürgerhaus West, in der Dresdner Studentenkneipe Bärenzwinger oder in der „Sumpfe“ von Hameln auftritt. Zwei Dinge bleiben immer gleich: Bei jeder „Cem-Session“ dankt Özdemir zuallererst seinen Sicherheitsbeamten, die seit seiner Armenien-Rede im Bundestag bei öffentlichen Auftritten immer dabei sind (weil er mit Drohungen und Feindseligkeiten von Erdogan-Anhängern jederzeit rechnen muss), und dem Bundeskriminalamt, das Veranstaltungen der Opposition möglich macht, während die Sicherheitsbehörden in Diktaturen sie häufig verhinderten. Da gibt es immer Beifall für ihn und für die Polizei. Und das Problem, dass die Grünen lange Zeit einen blinden Fleck bei dem in der Flüchtlingskrise noch gewachsenen Sicherheitsbedürfnis der Bürger hatten, hat Özdemir damit fürs Erste abgeräumt.

Gleich bleibt auch immer das Stehpult, das aus einem kreisrunden, mit grünem Filz bezogenen Podest herauszuwachsen scheint. Eine nierenförmige Holzplatte ruht auf den drei Zweigen einer grob behauenen Astgabel. Roh und unbearbeitet wirkt das Möbel, improvisiert und völlig aus der Zeit gefallen. Denn da steigt ja kein zottelbärtiger Bewegungs-Grüner in Latzhose und Grobstrickpulli auf die Bühne, wie es vor 35 Jahren der Fall gewesen wäre. Da steht der Oberrealo Cem Özdemir, der unbedingt regieren will und nicht nur beim Talk mit CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble im TV-Studio von Anne Will so konsequent für Schwarz-Grün wirbt, dass die „Neue Züricher Zeitung“ ihn zum Schwärzesten unter den Grünen gekürt hat.

Zwar geht die Ökopartei ohne Koalitionsaussage in die Bundestagswahl. Aber seit der Schulz-Hype abgeflaut ist, der SPD-Herausforderer das Kanzlerduell verloren hat und Angela Merkels Verbleib im Amt ziemlich sicher erscheint, tritt die schwarz-grüne Linie, die Özdemir immer gehalten hat, noch klarer hervor. Während Katrin Göring-Eckardt im Wahlkampf stärker für den internationalen Klimaschutz und die sozialen Themen wirbt und damit dem grünen Weltverbesserungseros Tribut zollt, steht Özdemir für Klimaschutz in Deutschland und die Versöhnung von Wirtschaft und Umwelt, von der vor allem die Autoindustrie profitieren soll. „Ich hätte mir auch nicht vorstellen können, dass wir mal den deutschen Automobilstandort retten müssen“, sagt er gerne. „Aber jetzt machen wir es halt, wenn die anderen es nicht schaffen.“

Im Schlusspurt setzen die Grünen alles auf die Frage nach der Macht

Der Wahlkampf von Özdemir und Göring-Eckardt ist die Antithese zur Kampagne von 2013. Damals zog Jürgen Trittin mit einem linken Programm, scharfen Attacken auf die Kanzlerin, der Veggieday-Provokation, dem Herumreiten auf der bürgerverschreckenden Vermögensteuer und einem Treueschwur auf die SPD durchs Land und landete bei enttäuschenden 8,4 Prozent. Diesmal setzen die Grünen alles auf die Realolinie, mit der sie die Mitte der Gesellschaft jenseits ihrer Kernklientel erreichen wollen. Özdemir fällt es nicht ein, die nach wie vor beliebte Kanzlerin madig zu machen. In der Abteilung Attacke knöpft er sich allenfalls CSU-Mann Alexander Dobrindt vor, den er als unqualifizierten Maut-, Schlagloch- und Bröselbrückenminister lächerlich macht. Der traditionelle grüne Weltretter-, Besserwisser- und Moralisten-Gestus ist gedämpft. Die klima-, umwelt- und autopolitischen Aussagen sind eine Übersetzung von Gerhard Schröders Gewinnerslogan von 1998 ins Ökologische: Die Grünen von heute wollen auch nicht alles anders, aber vieles besser machen als ihre Vorgänger. Auf eine Koalitionsaussage haben sie verzichtet, aber eine Machtoption haben sie – vielleicht.

Der Aufwind, den Göring-Eckardt und Özdemir in ihren Veranstaltungen zu spüren meinen, schlägt sich in den Umfragen bisher zwar nur hinter dem Komma nieder. Sie hoffen, dass sich in der Schlusskurve des Wahlkampfs alles auf die Frage zuspitzt, ob die FPD oder die Grünen bald bei Merkel am Kabinettstisch sitzen. Özdemir setzt alles darauf, dass dann das Klimaziel der Grünen den Ausschlag gibt: „Endlich handeln“, steht auf ihren Plakaten. Dass die Umfragen derzeit nur eine große Koalition oder ein Jamaikabündnis mit Union und FDP hergeben, schieben die Wahlkämpfer beiseite. „Dafür fehlt mir die Fantasie“, betont Özdemir mit Göring-Eckardt im Chor. Beim Fototermin mit den Musikern in Hemmingen ist Cem Özdemir gern dabei. Der Sänger im grün-gelben T-Shirt hat sich dafür allerdings eigens ein Jackett übergeworfen und den „Jamaika“-Schriftzug auf der Brust diskret mit dem Arm verdeckt.