Inhabergeführte Geschäfte in der Stuttgarter Innenstadt kämpfen angesichts hoher Mieten, Online-Handel, Ladenketten und der neuen Shopping-Malls um ihre Existenz. Andere setzen auf die Nische.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Bei Foto-Hirrlinger in der Calwer Straße bleibt seit Freitag die Ladentüre verschlossen. Am Donnerstag war der letzte Tag des Traditionsunternehmens, das vor 112 Jahren von Oskar Hirrlinger gegründet wurde. Gegen die Anbieter im Internet hatte Inhaber Volker Hirrlinger nach eigener Aussage, keine Chance mehr. Er setzte auf Modernisierung des Servicebereichs und auf Beratung, aber gekauft wurde danach im Internet. Am letzten Tag standen die Kunden Schlange in seinem Laden an der Calwer Straße, um noch schnell ein Schnäppchen zu machen.

 

Auch die „Bergwelt“ schloss Ende Juni, weil der Mietvertrag gekündigt wurde und die neuen Konditionen in der Calwer Passage sehr viel schlechter gewesen wären. Inhaberin Cornelia Wickart eröffnet ihr Fachgeschäft für Outdooraktivitäten am Samstag neu und zwar nicht mehr in der Innenstadt, sondern an der Silberburgstraße, auf der Hälfte der früheren Fläche und mit einer wesentlich günstigeren Miete. „Dafür haben wir jetzt Parkplätze gegenüber. Die Kunden müssen nicht mit den Skiern durch die Stadt laufen“, erklärt der Marketingmann der Bergwelt, Manuel Brenner die Vorteile der neuen Lage.

Vorträge soll es künftig nach Ladenschluss geben, eine Kaffee-Ecke für die gemütliche Beratung und „Marken, die es bei Globetrotter nicht gibt“, sagt Brenner. Gegen den bundesweit aktiven Outdoor-Ausstatter Globetrotter mit seiner Filiale an der Tübinger Straße konnten Bernd Woick und Heidrun Kohler mit ihrem 1982 in Degerloch gegründeten Unternehmen „Woick“ nicht mithalten. In ihrer Filiale an der Schmalen Straße ist derzeit Räumungsverkauf, und an der Lautenschlagerstraße wird „Tausendschön“ schließen. Horst Bansemer, der das Geschäft mit ausgefallenem Spielzeug, Kleidung und Schnickschnack betreibt, wurde gekündigt, weil das Gebäude saniert wird. Er bezweifelt, ob er in der City einen bezahlbaren Ersatz findet. „Man bot mir gegenüber im Bülow-Carré einen Laden an für die dreifache Miete“ berichtet er.

Konkurrenz durch das Netz und große Center

Der Online-Handel, die Konkurrenz der großen Ketten und vor allem die horrenden Mieten in den Toplagen werden für den Inhaber geführten Einzelhandel zunehmend zum Existenzproblem wie sich vor allem am Marktplatz zeigt, wo jetzt Haufler am Markt für immer schließt. Seit 290 Jahren ist dort gleich nebenan Tritschler mit seinem Sortiment rund um den Haushalt ansässig – im eigenen Gebäude. Geschäftsführer Thomas Breuninger baut zwar auf die „Kernkompetenz“ und betont, dass bei Tritschler immer wieder neue Warensegmente ausprobiert wurden – und auch wieder wegfielen wie zum Beispiel Leuchten und Garderoben. Die liefen nicht in der Innenstadtlage, obwohl Tritschler einen Lieferservice hat, damit die Kunden weder Töpfe noch Kaffeevollautomaten durch die Straßen schleppen müssen.

Das Heil in der Nische

Trotz Optimismus, dass das Traditionshaus dem Marktplatz weitere 100 Jahre erhalten bleiben werde, hat der Geschäftsführer dennoch große Sorgen angesichts von Milaneo und Gerber vor allem wenn er an das extrem wichtige Weihnachtsgeschäft denkt. „Schon ohne die Shopping-Malls kämpfen sich die Leute durch den Stau“, gibt er zu bedenken. Die neuen Verkaufsflächen ziehen mehr Verkehr an und das könnte Kunden vom Besuch in der Innenstadt abhalten. Tritschler ist ebenfalls von den teuren Mieten an der Königstraße betroffen. Dort betreibt er für jüngere Kunden „Tritschler Lifestyle“. Seit 2005 sind „Swatch“ und „Starbucks“ in der dortigen, früheren Haushaltswaren-Filiale des Unternehmens mit im Boot.

Auch die Schlossparfümerie, die dieses Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert, muss sich mit stetig steigenden Mieterhöhungen an der Königstraße arrangieren, berichtet Inhaberin Claudia Wolf. „Wir haben Produkte, die man sonst nicht bekommt und eine eigene Duftlinie“ – damit hält die Schlossparfümerie ihren Kundenstamm. „Die Masse können wir schon lange nicht mehr bedienen“, sagt die Inhaberin. „Die geht in den Drogeriemarkt.“

Auf Laufkundschaft angewiesen

Auf gute Beratung und Qualität der Produkte setzt der Inhaber von „Lederwaren Acker“, Rainer Rudolph beim Werben um Kundschaft. „Wir bedienen die gute Mitte und wir sind in der Offensive“, betont er. Die Flagship-Stores der Taschenhersteller Bree und Longchamps sowie der neue Boss-Shop auf der Königstraße seien keine Konkurrenz, sondern Umsatz fördernd. „Sie bringen die Marke ins Gespräch“, so Rudolph. „Die Königstraße wird durch die neuen Malls keine Kundenfrequenz verlieren“, davon ist er überzeugt. Die Geschäfte in den Seitenstraßen könnten darunter leiden. „Soweit geht keiner zu Fuß, wenn er mal im Milaneo geparkt hat“, überlegt Rudolph. Vanessa Rehder, die vor elf Monaten das „Flinders“ an der Eberhardstraße mit ausgefallenem Papier eröffnet hat, runzelt die Stirn: „Ich brauche sehr viel Laufkundschaft bis meine Miete mit so kleinen Beträgen verdient ist.“ Haufler am Markt trauert sie nach: „Wir haben uns immer mal gegenseitig Kundenschaft geschickt.“